Der Bamberger Reiter in farbiger Pracht - das 13. Symposium des Mediävistenverbandes beschäftigte sich mit "Farbe als Materie, Zeichen und Projektion in der Welt des Mittelalters" (Bild ZEMAS).
Bei der wissenschaftlichen Arbeit nicht in Hell-Dunkel-Kategorien verfallen, sondern die Andersartigkeit des Mittelalters beachten, dafür plädierte Gerd Althoff.
Bunte Musikstücke aus dem vermeintlich dunklen Zeitalter bot Eberhard Kummer (Bilder: Nikola Brunner).
Farbiges Mittelalter?!
Dunkel. Grausam. Gewalttätig. Diese Attribute fallen dem Laien zum Thema Mittelalter für gewöhnlich ein. Dass diese Einschätzung so nicht zutrifft, das Mittelalter teils farbig, teils freundlich, in vielerlei Hinsicht jedoch vor allem „andersartig“ war, bewies das 13. Symposium des Mediävistenverbandes an der Universität Bamberg.
Rund 300 Teilnehmer, über 140 Referenten in 42 Sektionen und Vorträge namhafter Wissenschaftler wie zum Beispiel des Münsteraner Professors Dr. Gerd Althoff oder Prof. Dr. Peter Kurmanns aus Fribourg. Das Thema „Farbiges Mittelalter?! Farbe als Materie, Zeichen und Projektion in der Welt des Mittelalters“, das der Mediävistenverband für sein 13. Symposium vom 1. bis zum 5. März 2009 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg gewählt hatte, stieß in Fachkreisen auf gewaltige Resonanz. „Damit hatten wir so nicht gerechnet“, erklärte Prof. Dr. Ingrid Bennewitz, geschäftsführende Direktorin des Bamberger Zentrums für Mittelalterstudien (ZEMAS), das die Veranstaltung organisiert hatte. „Wir hatten ursprünglich sogar Bedenken, die Thematik könnte für diesen Kongress zu sperrig sein.“
„Cervisiam bibat!“
Mittelalterlicher Klostertradition und der Bierstadt Bamberg gemäß begann das Rahmenprogramm bereits am Sonntag, 1. März, mit einer Bierprobe. Denn schon die Äbtissin Hildegard von Bingen hatte im 12. Jahrhundert in ihrem Werk „Causae et Curae“ gefordert: „Cervisiam bibat.“ – „Man trinke Bier“. Am Montag gab es die offizielle Eröffnung: Den Begrüßungsworten des Präsidenten der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, und des Präsidenten des Mediävistenverbandes, Prof. Dr. Gerhard Krieger, folgte mit dem Grußwort Dr. Elisabeth Vavras von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Beitrag des ausländischen Kooperationspartners.
Die Mediävistik sei „nicht nur bedroht, sondern bereits halb tot“, zitierte Prof. Dr. Peter Strohschneider die ironische Bemerkung eines Kollegen. Als Vorsitzender des Wissenschaftsrates riet Strohschneider daher der Mediävistik in seinem Eröffnungsvortrag zum Thema „Mediävistiken und Wissenschaftssystem“ zu mehr Selbstvertrauen.
„Andersartigkeit“ des Mittelalters
Zentral für das Thema des Symposiums war der Vortrag Prof. Dr. Gerd Althoffs. Der Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Münster sprach zum Thema „Finsteres Mittelalter?! Überlegungen zur Dekonstruktion eines Klischees“. „Mit dieser Thematik habe ich natürlich den Schwarzen Peter erwischt, denn eigentlich ist hierzu ja schon alles gesagt“, so Althoff. Diese Aussage widerlegte er im Folgenden selbst. An zwei Aspekten mittelalterlichen Lebens zeigte er auf, dass die Forschung, etwa durch den Kontrast hell/dunkel, lange Zeit wesentliche Strukturen der Zeit nicht erkennen konnte, und schlug den alternativen Begriff der „Andersartigkeit“ des Mittelalters vor. So setzte Althoff etwa der Vorstellung ungezügelter mittelalterlicher Gewalt die Institution des „Vermittlers“ entgegen. Mit hohem sozialem Prestige ausgestattet stellten diese einen wirksamen Mechanismus zur Gewalteindämmung dar. Neben dieser „modernen“ Institution existierten aber auch unmenschliche Praktiken, wie die Fehdeführung oder die Ermordung unschuldiger Zivilisten zum Zwecke der Machtdemonstration. Als zweites Beispiel führte Althoff „Ordnung auf Basis von Inszenierung“ an. Symbolik und Rituale des Mittelalters seien lange Zeit ob ihrer Fremdartigkeit nicht erkannt und deswegen nicht beachtet oder schlichtweg falsch interpretiert worden.
Die Tatsache schließlich, dass die von ihm vorgestellten Beispiele heute wieder aktuell seien, zeige laut Althoff auf, dass Geschichte nicht als lineare Struktur, sondern nur in ihrer vollständigen Komplexität verstanden werden könne.
„Buntes Bamberg“
Dass nicht nur das Mittelalter, sondern auch die Gegenwart bunt ist, machte den Mediävisten das Programm rund um die Mediävistentagung deutlich. Neben Führungen durch das mittelalterliche Bamberg und einer Exkursion zum Kloster Ebrach wurde Musik geboten: der Mittelalterlied-Spezialist Dr. Eberhard Kummer aus Wien stellte ein Programm vor, das er gemeinsam mit Studierenden der Otto-Friedrich-Universität erarbeitet hatte. Am Montagabend schließlich bot der Auftritt Nora Lentners (Sopran) und Andrea Schindlers am Klavier die Gelegenheit, Beispiele für Mittelalter-Rezeption im Liedgut der Romantik live zu erleben.