Von den Anfängen bis zur Gegenwart: Alles dreht sich um die "Heilige Stadt" in der neuen Vorlesungsreihe des ZIS (Bild: Photocase)

Der erste Referent der Ringvorlesung: Klaus Bieberstein (Bild: Pressestelle)

- Michaela Pittroff

Jerusalem, ein Mnemotop

Start der Ringvorlesung über die Heilige Stadt

Am 17. Oktober begann die Ringvorlesung „Jerusalem – Bauen an der Heiligen Stadt“, organisiert vom Zentrum für Interreligiöse Studien. Klaus Bieberstein vom Lehrstuhl für alttestamentliche Wissenschaft der Fakultät Katholische Theologie sprach über die Gründungszeit Jerusalems bis hin zum Babylonischen Exil.

Zu Beginn des neuen Semesters ist das Zentrum für Interreligiöse Studien (ZIS) gleich mit zwei Ringvorlesungen vertreten, eine davon ist der Geschichte Jerusalems gewidmet. Am 17. Oktober sprach Prof. Dr. Klaus Bieberstein vom Lehrstuhl für alttestamentliche Wissenschaft der Fakultät Katholische Theologie im ersten Beitrag der Vorlesungsreihe über die Ursprünge der Heiligen Stadt.

Zu Beginn seines Vortrags „Vom Bergdorf zum Zentralheiligtum. Jerusalem in vorexilischer Zeit“ erklärte Klaus Bieberstein den Begriff des Mnemotops, der Erinnerungslandschaft und deren Ausprägungen. Räumliche Erinnerung könne sich auf drei Arten vollziehen: durch mündliche Weitergabe, durch ortsgebundene Riten sowie durch Denkmäler, Prozessionsstraßen und Tempelanlagen. Auch lassen sich drei geometrische Grundformen unterscheiden: die axiale Ausrichtung nach Himmelsrichtungen, die konzentrische Anordnung, wobei das Zentrum der Ort ist, wo Ordnung und Leben herrschen, am Rand dagegen Chaos und Tod. Als dritte Form nannte Bieberstein die dezentralistische geometrale Ausrichtung, bei der es keinen festzumachenden Fixpunkt gibt.

Jerusalem vereine alle drei Grundtypen der Erinnerungslandschaft, da alle drei Weltreligionen, sowohl Judentum, Christentum als auch der Islam zur Entstehung einer vielfältigen Erinnerungslandschaft beigetragen hätten, so Bieberstein. Die palimpsestartige Überlagerung von Religionen, Zeitaltern und deren Räumen habe die Entstehung Jerusalems zu einem brisanten, viel erforschten Topos werden lassen. 

Die Gründung „Urusalimas“

Die erste (gescheiterte) Gründung Jerusalems lässt sich auf die frühe Bronzezeit (3500 bis 3000 v. Chr.) datieren. Die zweite Gründung erfolgte in der Mittelbronzezeit. Mit der Errichtung einer ersten Stadtmauer wurde ein unterirdischer Zugang zur Quelle des Gihon gegraben, der die Wasserversorgung der Stadt auch zu Belagerungszeiten garantierte. Diese geniale Ingenieursleistung machte die Stadt auf lange Zeit nahezu unangreifbar.

Die Regentschaft von David und Salomo, wie sie im 2. Buch Salomo und im 1. Buch der Könige beschrieben wird, lässt sich wissenschaftlich so nicht nachweisen. Auch der Bau des Tempels ließe sich nicht zwingend auf Salomo zurückführen, so Bieberstein. Stattdessen ist es wahrscheinlich, dass es schon vor Salomo einen Tempel gegeben habe, der lediglich renoviert, nicht aber völlig neu gebaut wurde. Das Bild der Blütezeit von „Urusalima“ (Stadt Salems), wie sich die Stadt damals nannte, zur Herrschaftszeit Davids und Salomos sei nicht mehr länger haltbar. Wenn überhaupt, könne man erst mit dem 8. Jahrhundert v. Chr. von einer Blütezeit sprechen, jedoch war auch diese Zeitspanne von Krisen und politischen Spannungen, vor allem durch die ständige assyrische Bedrohung, geprägt.

Nach dem Zusammenbruch des Nordreiches um 733 v. Chr. wuchs Jerusalem nicht zuletzt aufgrund des Flüchtlingszustroms aus dem Nordreich um das Fünffache an. Im Zuge dessen erfolgte der Bau einer neuen Stadtmauer, aber auch die Wasserversorgung musste neu durchdacht werden, woraufhin man einen Tunnel von 512 Metern Länge durch den Hügel zur Quelle des Gihon grub, um das Wasser in Auffangbecken umzuleiten.

Biblische Geschichten als Zeitdokument

Die nächste Zeitspanne, von 696 bis 642 v. Chr. fiel unter die Regentschaft König Manasses. Die Mosesgeschichten zeugen heute noch von den Ressentiments gegen die assyrische Bedrohung und könnten als Widerstandserzählung mit antiassyrischen Spitzen gelesen werden, so Bieberstein.

Unter dem nachfolgenden König Joschija (639 bis 609 v. Chr.) kam es zu weitgreifenden Kulturreformen. Der zu dieser Zeit übliche Brauch des religiösen Hausopfers wurde verboten, stattdessen musste jedes Opfer in den Tempel nach Jerusalem gebracht werden. Aufgrund dieser Verordnung entwickelte sich Jerusalem in kurzer Zeit zum wichtigen Pilgerzentrum.

Um 605 bis 587 v. Chr. belagerten die Babylonier unter Nebukadnezar die Stadt bis zum Fall. Die Oberschicht wird ins Exil geschickt. An dieser Stelle schloss Bieberstein seinen Vortrag, um auf die Fortsetzung in den nächsten Wochen hinzuweisen.