„Wir sind wieder da!“ als mutiges Motto und Abgesang auf die Pandemie
Es ist wahrlich ein schönes Motto, mit dem sich die universitäre Musik Bambergs zurückgemeldet hat, eines, das man geradezu sehnlichst erwartet und auf das man sich nun freuen konnte: „Wir sind wieder da!“. „Und wie!“ möchte man ergänzen nach dem formidablen Konzert, das die Musikausübenden der Otto-Friedrich Universität am zurückliegenden Samstag im Joseph-Keilberth-Saal der Bamberger Konzerthalle abgeliefert haben. Und nebenbei sei bemerkt, dass die universitäre Schar der Sängerinnen, Hornisten, Streicherinnen, Sänger, Klarinettistinnen, Trompeter, Flötistinnen, Fagottisten und Trombonisten anlässlich ihrer ein befremdliches Semester abschließenden Sommerserenade eine Art Wiedererweckung des Bamberger Musiklebens starteten. Die einsame Oboistin, die nicht weniger einsame Harfenistin und das Schlagwerk wollen wir bei unserer Aufzählung übrigens nicht vergessen, natürlich genauso wenig denjenigen, der das Ganze so erfolgreich auf die gut gefüllte Bühne brachte und vor einem zahlreich erschienenen Publikum zelebrierte: Wilhelm Schmidts, den Leiter der universitären Musikpraxis, also Unichor und Uniorchester, am Lehrstuhl für Musikpädagogik und -didaktik.
Dieses Konzert wirkte wie eine Befreiung nach der langen Pandemie-Paralyse, und deshalb war es eine gute Idee, dies gleich eingangs mit einer trefflichen Fanfare zu feiern. Paul Dukas’ „Fanfare pour précéder La Péri“ für elf Blechbläser geriet auf Anhieb zum interpretatorischen Paukenschlag, so dass man sich fragen mochte, ob sich da nicht doch ein paar heimische Symphoniker hineingemogelt hätten. Hatten sie nicht, aber man kann nur darüber staunen über das hier erreichte Niveau, das sogar über Semiprofessionalität weit hinausgeht. Auch der Streicherkörper des Universitätsorchesters hat unter Corona offenkundig überhaupt nicht gelitten, was sich gleich anschließend in Edward Elgars berühmter Serenade e-moll zeigte, einem der beliebtesten Ohrwürmer des Repertoires für Streichorchester. Die Bläser demonstrierten ihr stupendes Können abermals in der Toccatina aus einem „Tripartita“ übertitelten Stück Bertold Hummels, bei dem auch die Pauke Akzente setzen durfte.
Der Chormusik, die ja in Bezug auf die Aerosolverteilung gar so gefährlich sein soll, näherte man sich an diesem Abend nur ganz vorsichtig, zunächst sogar auf dem Umweg über eine Blechbläserfassung von Anton Bruckners Chor-Evergreen „Os justi“. Ob da die hohen Trompeten – zumindest im Vergleich zum Chorklang – nicht ein wenig zu viel des Glanzes spendeten? Dann aber folgte Chorgesang im Original mit 18 wackeren Männern und der musikhistorisch so seltenen Besetzung von violinfreien Streichern als Begleitung: Franz Schuberts Gesänge für Männerchor und tiefe Streicher. Die Weglassung der Violinen und das schöne Timbre der Tenöre und Bässe zeitigten einen angenehm dunklen Klang. Dass Goethes Huldigung der Wasserfluten ungewollt prekäre Assoziationen evozierte, erwies sich als leider unvermeidbare Koinzidenz. Morgens noch im Fernsehen die Urgewalt eines entfesselten Elements gesehen, abends das Wasser sanft besungen, zuletzt mit dem „Gondelfahrer“ – welche Kontraste!
In Mozarts Serenata Notturna KV 239 kam es zu einem schönen Wettstreit der Violinen und hörenswerten Soli des Kontrabasses und der Pauke. Der Witz dieser musikalischen Tändelei ist natürlich das penetrante Ritornell, das einfach nicht ermüden will. Nach der Pause drängte sich in Robert Schumanns Romanzen und Balladen, die von ca. 30 Sängerinnen so charmant wie stimmfrisch vorgetragen wurden, die Frage auf, ob es die Coronapause überhaupt gegeben hat: nichts eingerostet! Sehr kultiviert klang das, bei den folgenden Brahms-Gesängen auch mit aparten Pianissimi in den Höhen, dort zudem begleitet von drei exzellenten Instrumentalistinnen (Harfe und Hörner). Feine Streicherqualitäten ließen sich anschließend in der „Valse triste“ von Jean Sibelius studieren. Bei den Orchesterstücken von Maurice Ravel („Pavane pour une infante défunte“) und Alexander Glasunow (Serenade Nr. 2 F-Dur) traten exquisite Holzbläserstimmen hinzu.
Die sinnige Programmzustellung bescherte zum Schluss noch eine wirkungsvolle Pointe, denn wie eine Klammer umfasste den Abend genau jene Besetzung und musikalische Gattung, mit der er auch begonnen hatte: eine „Fanfare for the Common Man“ Aaron Coplands, die den Blechbläsern inklusive Pauken und Schlagzeug abermals Gelegenheit zum festlichen Glänzen gab. Alles andere als ein „Common Man“ ist Wilhelm Schmidts, der sich nicht nur als Garant für ein gut durchdachtes Programm und als souveräner musikalischer Leiter erwies, sondern auch seine Qualitäten als kurzweiliger Conférencier unter Beweis stellte. Ein denkwürdiger Abend!
Hinweis: Dieser Rezension wurde von Martin Köhl verfasst.