Ein neuartiges didaktisches Konzept
Von Prof. Dr. Markus Schauer stammt die Neubearbeitung des „alten Menge“. Das gemeinsam mit Prof. Dr. Thorsten Burkard herausgegebene Werk ist zu einer lateinischen Standard-Grammatik geworden, die auch an Universitäten genutzt wird. Selbst in den USA wird das „Lehrbuch der lateinischen Syntax und Semantik“ verwendet. Referenztexte sind Cicero und Cäsar – die Klassiker der lateinischen Sprache. Unter Fachwissenschaftlern hat sich der Bamberger Altertumskenner mit der Neubearbeitung weltweit einen Namen gemacht.
Gleichwohl betont Schauer, der in Bamberg den Lehrstuhl für klassische Philologie mit Schwerpunkt Latinistik innehat: „Die Fachwissenschaft ist nur die eine Seite meines Faches.“ Die andere ist die Fachdidaktik. Schauer studierte selbst klassische Philologie auf Gymnasiallehramt. Der Bezug zur Schule ist ihm auch als Lehrstuhlinhaber wichtig. „Die Schule ist der Ort, wo Wissen in die Gesellschaft getragen wird“, betont er. Zudem möchten rund 90 Prozent seiner Studierenden später Lehrer werden. „Deswegen lege ich auch in meinen Lehrveranstaltungen Wert auf eine fundierte fachdidaktische Ausbildung“, so Schauer.
Ein ganzer Produktkranz
Ein aktuelles Beispiel für die Zusammenarbeit von Fachwissenschaft und Fachdidaktik markiert das Lehrwerk Adeamus!, an dem Schauer als einer von drei Herausgebern beteiligt ist. 2016 und somit pünktlich zur Einführung neuer Lehrpläne in einigen Bundesländern soll es erscheinen. Dies ist ein großer Schritt: Kleinere Modifikationen in den Lehrplänen gibt es – bundesweit gesehen – nahezu jährlich. Die Einführung grundlegend neuer Lehrpläne steht hingegen nur alle 15 bis 20 Jahre an. Da braucht es neue Lehrbücher. Verlage haben zwei Optionen: Eine Überarbeitung bisheriger Bücher oder aber die Erstellung eines völlig neuen Lehrwerks.
Der Oldenbourg Schulbuchverlag hat sich für beide Optionen entschieden. Eine völlige Neukonzeption ist Adeamus!, für die der Verlag Schauer als einen von zwei Gesamtherausgebern engagiert hat. „Eine seit Jahren drängende und weiter zunehmende Herausforderung für Lehrkräfte sind heterogene Schülerschaften“, erklärt der Latinist. „Darauf soll Adeamus! reagieren."
Verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden
Bei einem Lehrwerk handelt es sich nicht um ein paar einzelne Bände. Vielmehr entwickelten die Herausgeber das didaktische Konzept für einen ganzen Produktkranz – Lehrbuch, Begleitgrammatik, Übungshefte und Lehrerhandreichung sowie weitere Materialien für Lehrer und Schüler. „Alles ist aufeinander bezogen und miteinander verzahnt“, sagt der Wissenschaftler.
„Hinter einem didaktischen Konzept verbirgt sich weit mehr als die bloße Entwicklung und Umsetzung einer Theorie“, erklärt Schauer weiter. „Es müssen verschiedenste Bedürfnisse und Interessen beachtet werden.“ Ein neues Lehrwerk, ein neues Konzept muss stets eine Mehrheit im jeweiligen Lehrerkollegium finden, damit es an einer Schule eingeführt wird. „Ein Lehrwerk muss also so gestaltet sein, dass es unterschiedliche Lehrertypen mitnimmt“, so Schauer: „Junge und alte, innovative und konservative.“
Auch unterschiedliche Stundenzahlen und Organisationsformen des Unterrichts müssen berücksichtigt werden. In vielen Bundesländern gibt es Doppel- statt Einzelstunden, oder es gibt Ganztagsunterricht ohne Hausaufgaben, beides Dinge, die ein regelmäßiges tägliches Vokabellernen, das in Sprachen so wichtig ist, erschweren. Darauf reagiert Adeamus! beispielsweise mit einer umfangreichen Wortschatzeinführung.
Neuartiges Konzept
In die Neukonzeption sind langjährige Erfahrungen aus dem Schulunterricht eingeflossen. „Viele Schülerinnen und Schüler empfinden die Lektüretexte als zu voraussetzungsreich,“ sagt Schauer. Zu den wichtigsten konzeptionellen Neuerungen zählt daher das „Konzept der Vorentlastung“, das das Autorenteam sowohl auf der Inhalts- als auch auf der Wortschatzebene umgesetzt hat. Bevor es an den eigentlichen Lektüretext geht, werden die Voraussetzungen geschaffen, um diesen zu verstehen: der kulturellen Hintergrund, das Vokabular und die grammatische Basis.
Zu Beginn jeder Lektion erhalten die Schüler Informationen zur antiken Kultur – etwa zu Feldzügen, Opferritualen und städtischen Strukturen. Der Mythos von Sisyphos, die Herkules-Legende: „Die Schüler sind mit der lateinischen Mythen-Welt nicht mehr vertraut“, erklärt der Latinist. „Die Antike ist vom Vorstellungshorizont der Schüler weit entfernt. Die Vorentlastungsseiten liefern daher das entsprechende Hintergrundwissen zum lateinischen Lektüretext“, ist Schauer überzeugt.
Auch die Annäherung an den Wortschatz geschieht im neuen Lehrwerk in kleinen Schritten. Es gibt Schaubilder, die mit lateinischen Begriffen versehen sind. In die Kulturtexte fließen die lateinischen Wörter von Beginn an mit ein. Ist von der römischen Ess- und Trinkkultur die Rede, steht das lateinische Wort für Gastmahl, cena, gleich mit dabei. „Gelernt ist das Wort noch nicht, aber die Schüler haben es schon mal im Kontext gesehen“, so Schauer. „Bei der Übersetzung des Lektüretextes sind die Schüler mit dem Vokabular schon vertraut.“
Historische Richtigkeit gewährleisten
Wichtig war Schauer zudem die historisch exakte Darstellung der römischen Welt. „Wir wollten kein Hollywood-Rom schaffen“, sagt der Latinist. Dementsprechend fußen sämtliche Lektüretexte auf realen Begebenheiten. Die Texte des ersten Lernjahres kreisen um die Familien von Cicero und dessen Bruder. „Das Leben der beiden Familien ist gut überliefert“, meint Schauer. „So lernen Schüler gleich das historisch Richtige.“
Schauer hofft, mit seinem Werk, das im Februar 2016 erscheinen wird, nicht nur das schulische Lateinlernen künftig zu erleichtern, sondern auch seinen Studierenden einen authentischen Blick in die Anforderungen an schulisches Lehrmaterial zu geben. Einige seiner Studierenden und Kollegen haben selbst als Autoren, Korrektoren oder Berater an dem Lehrwerk mitgearbeitet. „So können Schüler und angehende Lehrer gleichermaßen von meiner Forschungsarbeit profitieren.“
Ansprechpartner für Rückfragen:
Prof. Dr. Markus Schauer
Lehrstuhl für Klassische Philologie/Schwerpunkt Latinistik
Tel.: 0951 / 863-2127
Tel.: 0951 / 863-2132 (Sekr.)
E-Mail: markus.schauer(at)uni-bamberg.de
Hinweis
Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.
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