Kunst als „unerwartete Erscheinung“
Erschöpft und im Sturz begriffen hat sich ein Mond am Balkon des Palais Rotenhan in der Kapuzinerstraße 25 verfangen. Im Garten des Jesuitenkollegs, An der Universität 5, wächst ein Geschöpf auf hohen Stelzen gen Himmel, während ein Teil davon im alten Schwarznussbaum hängend Zwiegespräche mit Laub und Ästen hält. Und in der Teilbibliothek 4 am Heumarkt 2 sitzt verlassen und stumm ein runder, tiefschwarzer Korpus auf einer strahlend weißen Bank.
Skulpturen als „Schatten im Raum“
Es sind drei Großplastiken aus Eisen, die an diesen ausgewählten Orten an der Universität Bamberg überraschend ins Auge fallen. Rui Chafes, international vertretener portugiesischer Bildhauer, stellt offiziell ab dem 12. Mai 2018 anlässlich des 25-jährigen Weltkulturerbe-Jubiläums Bambergs insgesamt fünfzehn Skulpturen unter dem Titel Seelenschatten im öffentlichen Raum aus. Aufgebaut sind sie bereits und so kommt es schon jetzt nicht nur an der Universität Bamberg, sondern auch in der Stadt oder im Hain zu „unerwarteten Erscheinungen“ von Skulpturen, die mehr als nur Objekte sein wollen, wie es der Künstler formuliert: „Für mich sind meine Skulpturen keine Gegenstände, sondern Schatten oder Ereignisse im Raum. Sie treten, beinahe versteckt, als unerwartete Erscheinungen vor die Augen der Menschen,“ erklärt Rui Chafes das Konzept der Ausstellung. So wirke zum Beispiel der fast unscheinbare Lua exausta (Erschöpfter Mond), der an der barocken Fassade des Palais Rotenhan so, als sei er aus Wolken und Zeit gefallen.
Ereignisse zwischen Kunst, Natur und Universität
Die Ausstellungsorte hat der Künstler mit Bedacht gewählt. Die Teilbibliothek 4, deren Atmosphäre von „Neutralität und Schweigen“ bestimmt ist, steht für ihn für einen universalen Ort der Kontemplation – und damit auch für eine Stätte, die in ihrer Stille dem Kunstwerk Abandono que parece recusa (Verlassenheit, die wie Ablehnung erscheint) einen Raum von besonderer Qualität geben kann.
Da eine der Grundideen seiner Bildhauerei der Dialog zwischen Kunst und Natur ist, fiel die Standortwahl für das haushohe Werk Secreta Soberania (Geheime Souveränität) auf den grünen Garten des ehemaligen Jesuitenkollegs. Für Rui Chafes stellt die Institution hinter den alten Mauern, die Keimzelle der Universität, eine Analogie zur Natur dar: Die Bedürfnisse der Universität als Ort der Utopien und der wachsenden Erkenntnis habe für ihn als „Garten der Menschheit“ Parallelen zu den Gewächsen der Natur: „Beides muss man gießen“ – Pflanzen mit Wasser, damit sie wachsen, und Unwissenheit mit Bildung, sodass Wissen entstehen könne.
Universität als Stätte des Dialogs und der Assoziation
„Spontanen Begegnungen mit der Kunst Rui Chafes’ an der Universität Bamberg Raum geben zu können, freut mich besonders, denn die intensive Beziehung von Kunstwerk und sorgsam ausgewählter Stätte bereichert den öffentlichen Dialog von Kunst und Bildung ungemein und fördert den freien Gedankenfluss an diesen Orten,“ begründet Dr. Dagmar Steuer-Flieser, Kanzlerin der Universität Bamberg, die Entscheidung der Universitätsleitung, die Großplastiken zu beherbergen. Neben persönlichen Assoziationen werden die Exponate bei so manchen ein Gefühl der Vertrautheit hervorrufen: Seit 2007 sind in Bamberg bereits zwei Skulpturen des internationalen Künstlers zuhause, unter anderem das Werk Stärker als der Tod, das im Rahmen der vom Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia ausgerichteten Internationalen Künstlerbegegnung zum 1000-jährigen Jubiläum des Bistums Bamberg einen dauerhaften Platz in der Stephanskirche fand. Die Vernissage zur Ausstellung Seelenschatten wird am Samstag, 12. Mai 2018, um 11 Uhr in der Konzert- und Kongresshalle eröffnet.