Ein Kommentar zur Musik als Kunst
Was für ein Programm – denkbar schlicht benannt unter dem Titel Mozart und Bruckner boten die großen Ensembles der Universität Bamberg am vergangenen Sonntag, dem 21. Juli 2019, zwei große Werke: die eher wenig bekannte Kantate Davide Penitente aus dem Jahr 1785 und Bruckners Erfolgsstück, die vierte Sinfonie, deren Beliebtheit bis heute ungebrochen andauert.
Ein Klangrausch mit Mozart
Mozart erweist sich in diesem Auftragswerk als souveräner Meister der Affekte und Effekte – unüberhörbar sind die Anklänge an opernhafte Dramatik – aber auch als begnadeter Gestalter solistischer Effekte. So konnten die beiden Sopranistinnen Anna Nesyba und Anna Feith wiederholt glanzvoll hervortreten, sei es in Arien für eine Solostimme wie gleich im Eingangschoral, sei es in der dritten, eher klagend im tieferen Register einsetzenden Aria Lungi le cure ingrate – eher obertonreich und etwas extrovertierter strahlend die eine, etwas auf die weiche Klangfülle auch mittlerer Lagen setzend die andere. Und wunderbar ergänzten sich die beiden zu einem wahren Klangrausch im herrlich ausgewogenen Duett aus der Nummer 5. Das innige Wechselspiel und Miteinander wurde auf höchst delikate Weise vom Orchester begleitet und in stilvollem pianissimo luftig beendet. Es sind wohl Details wie diese, oder auch die ungemein filigran gestaltete, durch klare Akzente und höchst quirlige Läufe ausdifferenzierte Begleitung der eben genannten dritten Arie, die auf die akribische Probenarbeit des Dirigenten Wilhelm Schmidts verweisen – aber auch auf das Potenzial und die Motivation seiner Musikerinnen und Musiker. Großartig auch die Bläsergruppe, die etwa in der Tenorarie mit Johannes Strauß mit klarer Artikulation prägend in Erscheinung trat. Sie legte das Fundament für eine Deutung, in der dem Text gemäß zunächst eine gewisse emotionale Fragilität dominierte, bevor Strauß den zweiten Teil mit der hier gebotenen Bestimmtheit vortrug.
Nimmt man die Fülle an teils unvermittelten Dur-Moll-Klangschattierungen, die präzise Flexibilität der Ensembles beim Rubato der Solisten oder das punktgenaue Hervor- und Zurücktreten des auch in der Schlussfuge höchst sicher agierenden Chors und des Kammerorchesters hinzu, so hat man einen Eindruck von der hohen Qualität der hier gebotenen Leistung. Dass einigen der Spieler gute Laune und Einsatzfreude noch dazu deutlich anzumerken waren, rundete das stimmige Bild dann noch ab.
Geballte Orchesterfülle bei Bruckner
In großer Orchesterbesetzung – mit immerhin sechs Kontrabässen und acht Celli – wuchteten die Musiker sodann Bruckners „Romantische“ Sinfonie auf die Bühne. Bruckner hat hier eine Fülle an Ideen und Einfällen einerseits in die klassischen vier Sätze, andererseits in „seine“ Periodenform mit ihrer besonderen Einteilung gebracht, sodass es nicht leicht fällt, immer aufmerksam zu lauschen – geschweigen denn über die etwa 70 Minuten hinweg als Ausführender immer Konzentration und Spannung zu halten. Umso beachtlicher ist das Niveau, auf das Wilhelm Schmidts seine Musiker geführt hat, um die typisch Brucknersche Klangsprache mit ihren weiten Flächen und großen Steigerungen, ihren eruptiven Szenen und Momenten des Innehaltens und Verklingens zu erschließen und sinnfällig zu machen. Nur höchst exemplarisch seien hier hervorgehoben: die erste Hornistin Iris Arnal (Chapeau!) sowie die fabelhafte Klarinettistin Tamara Toews!
Gelungenes Verklingen, begeisterter Applaus
Mahlers treffendes Wort von der „Zerstücktheit“ dieser Musik angesichts ihrer Vielfalt und Brüchigkeit drängte sich auf. Doch fanden die Celli etwa im zweiten Satz rasch zur Ruhe und konnten den Bratschen das Fest ihres ausgesungenen Zwischensatzes entspannt gönnen; erneut wirkte das Horn als sicherer Signalgeber, der die Phase zu Ende begleitet. Nach der großen Steigerung gab es dann eine der Überleitungsstellen, an der gleichsam die Zeit stehen blieb, während Schmidts an anderer Stelle einerseits den biegsamen Charme der Melodie, andererseits gleichzeitig das fest pochende Metrum der Unterstimmen hervorhob: das unerbittliche Voranschreiten der Zeit, gleichsam ein Kommentar zur Musik als Kunst, die sich in Zeit (und Raum) vollzieht – und mit dem Verklingen vergeht. Dazu passend: Der lange Moment ergriffener Stille nach der weitgeschwungenen, wuchtig und akkurat zugleich präsentierten Coda. Danach langer, begeisterter Applaus.