Feurige Charmeoffensive
Was für eine Farbigkeit! Was für ein Treiben auf der Bühne! Mit Feuereifer und programmatischem Wagemut stürzte sich die Uni-Bigband zum Ende des Sommersemesters in ein Programm, welches im Zeichen der Latin-Musik stand. Mit internationalem Gastsolisten und mehreren Ensembleformationen bestückt, feierten die Musiker am Sonntag, 14. Juli 2019, im Audimax eine Matinee der Stilvielfalt und der Überraschungen. Ein Genuss nicht nur fürs Ohr. Doch der Reihe nach.
Bandleader Markus Schieferdecker ließ zur Begrüßung eine der zwei Jazzcombos auflaufen, welche sich in wechselnder Besetzung aus dem Umfeld der Bandspieler zusammenfinden und traditionell belebender, zuweilen kontrastierender Teil der Semesterkonzerte sind. Und so begann der lateinamerikanische Vormittag mit einem Titel aus dem Dunstkreis des Hip-Hop, mit Namikas melodiös-eingängigem Alles was zählt.
Freie Stimme im rhythmischen Gerüst
In direkter Folge trat Laura Mann ans Gesangsmikrofon und ebnete mit zwei Klassikern den Weg hinüber in die rhythmischen Gefilde, welche fortan das Geschehen bestimmen sollten. Sie ließ sich dabei – ganz Musicaldarstellerin mit Nähe zum Jazz – niemals vom melodischen und rhythmischen Gerüst des Notentextes einengen, sondern interpretierte stets frei und mit viel Platz für die eigene Stimme – ein wirkungsvoller Kontrast zu den streng gesetzten perkussiven Einwürfen der Bläser. Whatever Lola wants und Sway erlaubten in der Ausführung durch Laura Mann eine Vorahnung auf die sich scheinbar ungebunden entwickelnde, aber tatsächlich wohlplatzierte Stimmführung des Starbesuchs.
Seltene Solos von Flügelhorn und Tuba
Doch vorher bat Schieferdecker mit sichtlicher Spitzbubenfreude ein Instrument an den Bühnenrand, das dort selten zu sehen ist und im Jazz ein lehrbuchmäßiges Schattendasein führt. Die Komposition Herr Professor verlangt zunächst nach einem Flügelhorn, das mit Mark Perakis ein versierter Solospieler Richtung Publikum trug. Darüber hinaus durfte man einen der in diesem Konzert bewusst recht dünn gesäten Solobeiträge aus der Band den unergründlichen, doch klanglich sehr ergiebigen Windungen einer Tuba entlockt hören. Wolfgang Vögele trieb mit einem progressiven Grundpattern den Verlauf des Stückes voran, welches die 20-köpfige Bigband-Besetzung kurzerhand zu einer Dixie-Combo mit Marchingband-Elementen umdeutete und es ihr zuweilen erlaubte, ins Fach des brachialen, kantigen Sounds hinüberzuwechseln. Bandleader Schieferdecker hatte seinen Spaß daran, seinen Solisten die unteren Grenzen des Instruments austesten zu lassen und nutzte die Nummer gemeinsam mit dem befreit spielenden Vögele für manche Showeinlage.
Ein weiterer Kontrast, ein weiterer Exot im Bigband-Geschäft: Es war an Konrad Buschhütter, das musikalische Geschehen im Saal wieder in ruhige Gewässer zu verschiffen und im Kreise seiner Combokollegen die Harmonika sprechen zu lassen.
Starauftritt von Wilson de Oliveira
Etwa in der Mitte des Sets betrat mit spürbarer Vorfreude Wilson de Oliveira die Bühne. Der Saxophonist ist ein gefeierter Star in seiner Heimat Uruguay, aber längst auch ständiges Mitglied im Kabinett der internationalen Jazzgrößen und nach einigen Jahren in der hr-Bigband in Frankfurt auch in Deutschland etabliert. Im Bamberger Audimax widmete sich de Oliveira einmal mehr seiner Herzensaufgabe, die musikalischen Wurzeln seiner Heimat, den Latin in aller Welt zu pflegen. Im Gepäck führte er dazu auch Eigenkompositionen wie den Blue Waltz bei sich, welche der musizierenden Bamberger Studentenschaft im Vorhinein anvertraut worden waren. Der Gast verströmte schon auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz die Art unaufgeregter und dennoch deutlich spürbarer Freude, welche wohl nur aus langen Jahren vor Publikum hervorgehen kann, einen spielerischen Ehrgeiz, der mit Händen greifbar ist, aber sich nicht exzentrisch aufdrängt oder gar Musikerkollegen den Platz streitig macht, sondern in völliger Harmonie mit Instrument und Band seinen Weg ins Publikum findet. De Oliveira spielte mit einem ständigen Lächeln auf den Lippen, den Latin-Groove um eine gehörige Portion quirliger Jazzauswüchse bereichernd. Und ständig war dort dieser feste Draht zur nun noch einmal deutlich entschlossener auftretenden Band, Kommunikation über zufriedene Mundwinkel, Gesten der Anfeuerung. Ein bemerkenswerter Effekt eines doch so harmlos scheinenden Mannes. „Hey“-Rufe aus dem Publikum. Auch die für Girl from Ipanema zurückgekehrte Sängerin Laura Mann konnte sich des subtilen Charmes ihres Kollegen nicht erwehren und trat mit ihm in einen generationsübergreifenden Austausch musikalischer Schmeicheleien.
Publikum und Stargast konnten nicht genug bekommen
Deutlich wilder wurde es im Percussionregister, welches in diesem bemerkenswert farbigen Konzertprogramm die nicht gerade häufige Gelegenheit nutzte, aus dem Schatten des Drumsets hervorzutreten und Congas, Agogo Bells und weiteren feurige Geltung zu verschaffen, den Rhythmen des lateinamerikanischen Candombe sei Dank. Tanz und Rhythmus sind in dieser Stilrichtung untrennbar miteinander verbunden. Da wundert es nicht, dass Michael Schmitt, Johannes Klütsch und Theo Nirsberger an den Trommeln auch einen lohnenswerten Anblick boten und die Zuhörer freudig unruhig werden ließen. De Oliveira muss ähnlich darüber gedacht haben. Er schlich sich zur Zugabe offensichtlich unangemeldet auf die Bühne. Er war nicht der einzige, der nicht genug bekommen konnte.