In Franken daheim – in der Welt zuhause
Die schmucke Villa Remeis mit gelber Fassade und blauen Fensterläden ragt hinter Prof. Dr. Astrid Schütz in den Himmel. Vor ihr breiten sich die Dächer der Stadt Bamberg aus. Sie lässt den Blick vom Dom bis zum Michelsberg gleiten – ein Stück weiter hinten schimmert das Blau der Regnitz. Im April 2011 übernahm Schütz den Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg – eine Rückkehr zu den Wurzeln, denn sie ist eine waschechte Fränkin: „Ich bin in Würzburg geboren, in Nürnberg aufgewachsen und habe anfangs in Erlangen und dann in Bamberg studiert, promoviert und habilitiert.“
Im Garten der Villa Remeis stand die Professorin schon als kleines Mädchen an der Hand ihrer Bamberger Großmutter. Noch heute unternimmt sie gelegentlich Spaziergänge mit ihrer Familie dorthin, auf eine Tasse Kaffee oder heißen Granatapfelsaft mit Honig. „Den Blick auf die verwinkelten Gassen und die roten Ziegeldächer vermisse ich, wenn ich längere Zeit anderswo bin“, sagt sie. Sie war und ist privat wie beruflich gerne unterwegs – und kehrt ebenso gerne wieder nach Hause zurück.
Forschungsergebnisse für die Praxis nutzen
Doch nicht nur schöne Erinnerungen, auch berufliche Gründe haben Astrid Schütz wieder nach Bamberg gezogen. Zusammen mit der Leitung des Lehrstuhls wurde ihr die Verantwortung für das Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie (KAP) übertragen, was für Astrid Schütz einen Teil des „sehr guten Angebots“ der Universität Bamberg ausmacht. Theorie und Praxis stärker verbinden – so lautet das Motto der Psychologin. „Das KAP ermöglicht genau das“, davon ist sie überzeugt: Es soll Einzelpersonen und Unternehmen Dienstleistungen anbieten, damit diese ihre Mitarbeiter effizienter auswählen, deren Potential besser erkennen und entsprechend weiterentwickeln können.
Noch arbeiten Schütz und ihre Mitarbeiter hinter verschlossenen Türen. Im Sommersemester soll das KAP dann eröffnet werden und auch die ersten Aufträge sind bereits eingegangen. „Wir konzipieren ein Assessment-Center für das Klinikum Nürnberg Nord und haben ein Projekt mit der Lufthansa“, berichtet sie. Mit Kollegen entwickelte sie einen Test zu emotionaler Intelligenz. Dieser wird in einem Pilotprojekt bei der Auswahl von Flugbegleitern und Führungskräften eingesetzt.
Fachwissen für eine breitere Öffentlichkeit
Astrid Schütz betreibt Grundlagenforschung, etwa zur Bedeutung von Persönlichkeitsunterschieden in sozialen Interaktionen. Sie will diese Forschungsergebnisse aber auch an die Öffentlichkeit bringen und für die Arbeitswelt nutzbar machen. So ist sie Mitherausgeberin des Journal of Individual Differences und hat für zahlreiche internationale Fachzeitschriften Beiträge verfasst – aber auch drei Bücher für ein breites Publikum, teils in Kooperation mit Kollegen: Je selbstsicherer, desto besser? sowie Positives Denken und Stressbewältigung am Arbeitsplatz. Ihr Ziel ist es, „wissenschaftlich abgesicherte Ergebnisse so aufbereiten, dass sie jeder verstehen kann“.
Häufig stand Verwunderung oder Ärger am Beginn ihrer Forschungsprojekte. So auch beim Thema positives Denken: „Motivationstrainer bringen oft Phrasen wie ‚Jeder kann alles schaffen, wenn er daran glaubt‘“, erklärt Schütz. „Doch was davon stimmt wirklich und ist wissenschaftlich abgesichert?“ Gemeinsam mit einem Kollegen hat sie darum Forschungsergebnisse ausgewertet und sie mit Anekdoten und Beispielen illustriert. „Optimismus hat neben den bekannten Vorteilen auch bislang kaum beachtete Schattenseiten!“, fasst Schütz ihre Studien prägnant zusammen: „Selbstüberlastung, Unterschätzung von Risiken und soziale Konflikte sind mögliche Probleme.“
Hinaus in die Welt
Schütz‘ Anspruch, nicht im vielzitierten Elfenbeinturm zu arbeiten, spiegelt sich auch in zahlreichen Forschungsaufenthalten wider, die sie oft in die Ferne führten, in den Anfangsjahren vor allem in die USA. Bereits im Studium war sie „immer mal weg“, zum Praktikum in Schottland, später mit einem Fulbright-Stipendium für ein Jahr im amerikanischen Süden, an der University of Alabama. Ronald Reagan war zu diesem Zeitpunkt Präsident. „Ein herausragender Selbstdarsteller“, erinnert sich die Psychologin. Ihre Beobachtungen zu seinem Auftreten bildeten unter anderem die Grundlage für ihre Dissertation Selbstdarstellung von Politikern. Analyse von Wahlkampfauftritten.
Nach ihrer Promotion war Astrid Schütz als Stipendiatin der Humboldtstiftung für zwei Forschungsaufenthalte insgesamt 15 Monate wieder in den USA, diesmal mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. „Das war eine wichtige Weichenstellung für mein Leben: Ich hatte die Gelegenheit, mit mehreren sehr renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu forschen und zu publizieren. Das hat mich nachhaltig geprägt.“
Wo die USA einst unangefochtene Spitze war, hat Europa in den letzten Jahrzehnten aufgeholt: „Mittlerweile ist europäische psychologische Forschung stark vernetzt und in mancherlei Hinsicht wegweisend geworden“, weiß Schütz zu berichten. Sie unterhält viele Kontakte in die USA und kooperiert daneben mit Forschern in europäischen Ländern wie Griechenland, Spanien, England und Portugal – im vergangenen Jahr war sie Gastgeberin für einen Humboldt Post-Doc aus der Türkei.
Der Kreis schließt sich
Die vergangenen zwölf Jahre hat Schütz vornehmlich an der TU Chemnitz verbracht, wo sie Professorin für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik war. „Es war eine tolle Erfahrung, in Chemnitz das Institut für Psychologie mit aufzubauen. Spannend waren auch Kooperationen mit Kollegen aus naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen“, fasst sie ihre Zeit dort zusammen. In Bamberg weiß sie vor allem den Teamgeist und das angenehme Klima zu würdigen: „Die Verwaltung unterstützt uns enorm, wenn es darum geht, neue Ideen in Forschung und Lehre zu verwirklichen“, sagt sie. Auch die kurzen Wege schätzt sie sehr: Den Weg von ihrem Zuhause in der Gartenstadt zu ihrem Büro im Marcus-Haus etwa legt sie mit dem Rad zurück.
Antrittsvorlesung
Astrid Schütz hält ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Think positive!?" - Selbstwahrnehmung und Emotionsregulation als Schlüsselkompetenzen in Beruf und Privatleben am Dienstag, den 7. Februar 2012, um 19:00 Uhr c.t. im Marcus-Haus, Hörsaal M3/232N. An alle Interessierten ergeht herzliche Einladung!