„Martin Luther ist knackige Theologie“
500 Jahre sind vergangen, seit Martin Luther seine 95 Thesen verkündet hat. Im Jubiläumsjahr widmet das Zentrum für Mittelalterstudien (ZEMAS) seine Ringvorlesung dem theologischen Urheber der Reformation. „Martin Luther: Der Mensch und seine Zeit“ zeigt sprach- und literaturwissenschaftliche sowie historische Perspektiven auf den Reformator. Noch bis zum 24. Juli 2017 steht die Ringvorlesung allen Interessierten offen: Montags, um 20 Uhr in Hörsaal 1, Raum 00.25, An der Universität 2.
Zum Auftakt der Vorlesungsreihe fand am Mittwoch, den 10. Mai 2017, in der AULA der Universität eine Podiumsdiskussion statt. Unter dem Titel „Bruder, Provokateur, Plakat-Ikone“ diskutierten der Präsident der Universität Bamberg, Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Rudolf Stöber, der evangelische Theologe Prof. Dr. Henrik Simojoki, sowie die Judaistin Prof. Dr. Susanne Talabardon miteinander. Die Moderation übernahm der Organisator der Podiumsdiskussion, Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Markus Behmer.
Doch warum überhaupt dieser Hype um Martin Luther im Jubiläumsjahr der Reformation? „Jubiläen können Taktgeber sein. Sie zu begehen, bietet guten Anlass einzuordnen und sich zu erinnern. Orgien der Geschichtsschreibung sollten sie freilich nicht sein“, sagte Behmer. Und so stand auch die inhaltliche Beschäftigung mit dem Reformator im Mittelpunkt des Abends. War Luther ein guter Katholik und taugt er als Vorbild für den heutigen protestantischen Christen? Oder gehört der Polemiker Luther mit seinen späten, wüst antisemitischen Schriften in den „Giftschrank“? Für den Theologen Simojoki stand am Abend der Podiumsdiskussion fest: Der Reformator tauge nicht als Vorbild für evangelische Christen. Denn in Luthers Person verbinden sich unvereinbare Extreme vom sprachlichen Freisinn und polemischer Derbheit einerseits, sowie von einer Theologie der Gottesliebe und sich obsessiv steigernder Judenfeindschaft andererseits. Als Beispiel für seinen Judenhass führte die Judaistin Talabardon Luthers im Jahr 1543 veröffentlichte Spätschrift „Über die Juden und ihre Lügen“ an. „Luthers negative Sicht auf Juden zieht sich durch viele seiner Schriften hindurch“, betonte Talabardon.
Reformation als Kommunikationsrevolution
Auch den Medien des 16. Jahrhunderts widmete sich die Diskussion. Stöber argumentierte, die Reformation sei keine Medienrevolution, sondern vielmehr eine Kommunikationsrevolution gewesen. „Jedes für die Reformation relevante Medium existierte bereits: nicht nur Briefe und Bücher, auch Flugschriften, Flugblätter und Maueranschläge gab es schon. Die Reformation war deswegen eher eine Kommunikationsrevolution: Denn diese benannten Medien wurden viel intensiver genutzt als noch Jahre vor Luthers Thesenanschlag“, erklärte Stöber.
Einig waren sich die Diskutanten aus den verschiedenen Fachdisziplinen darin, dass die Person Martin Luther genug Gesprächsstoff hergibt – gerade weil sich um den Reformator viele Kontroversen ranken. „Martin Luther ist knackige Theologie“, sagte Talabardon und damit sei das Reformationsjahr mit all seinen Veranstaltungen ein guter Anlass, sich aktiv mit Theologie auseinander zu setzen. Ruppert, der 1984 in Katholischer Theologie promoviert wurde, warb dafür, sich nachhaltig mit der Figur Martin Luther auseinander zu setzen – und das nicht nur im Jubiläumsjahr. Er lud ein, selbst einen Blick in Luthers Schriften zu werfen und so den Reformator zu Wort kommen zu lassen.
Sommersemester mit vielen Lehrveranstaltungen zu Martin Luther
Für Studierende der Universität Bamberg ist die Ringvorlesung längst nicht die einzige Chance im Sommersemester, sich mit der Reformation zu befassen. Zahlreiche Lehrveranstaltungen beschäftigen sich mit Martin Luther. Dr. Petronilla Ehrenpreis, Mitarbeiterin an der Professur für Didaktik der Geschichte, erarbeitet zum Beispiel mit Studierenden Perspektiven für den Geschichtsunterricht im Lutherjahr. Der Kunsthistoriker apl. Prof. Dr. G. Ulrich Großmann untersucht in seinem Seminar mit Teilnehmenden, wie sich Künstlerinnen und Künstler mit Luther befasst haben. Auch Exkursionen sind geplant. So besucht der Philologe Dr. Martin Fischer mit Studierenden die Wartburg und nimmt sie als literarisches Zentrum des Mittelalters und der Frühen Neuzeit unter die Lupe.
Die Ringvorlesung wird am 29. Mai 2017 mit einem Vortrag von Prof. Dr. Horst Brunner von der Universität Würzburg fortgesetzt. Es geht um Martin Luther und das deutsche Kirchenlied im 16. Jahrhundert. Mehr Informationen zu den weiteren Terminen gibt es auf der Homepage des ZEMAS.