Im Interview: Neue Professorin für Grundschulpädagogik und -didaktik
Prof. Dr. Miriam Hess hat seit dem Sommersemester 2021 den Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Otto-Friedrich-Universität inne. Für die 37-Jährige stellte sich sofort ein Gefühl des „Zurück-nach-Hause-Kommens“ ein. Denn bereits zum Studium war Miriam Hess in Bamberg. Im Interview erzählt sie unter anderem von ihren Forschungsschwerpunkten und erklärt, was guten Schulunterricht ausmacht.
Sie selbst haben Grundschullehramt in Bamberg studiert und haben jetzt eine Professur in diesem Bereich inne. Warum sollte man heute aus Ihrer Sicht Grundschullehramt studieren?
Miriam Hess: Ich denke, da muss man von zwei Seiten herangehen. Einerseits ist das Studium an sich sehr abwechslungsreich und dementsprechend sollte man Spaß daran haben, sich mit ganz unterschiedlichen Themen zu beschäftigen – etwa Psychologie, Pädagogik, Sport, Musik oder Kunst. Auf der anderen Seite zielt das Studium sehr konkret auf einen bestimmten Beruf ab, in dem sich diese Vielfältigkeit auch widerspiegelt. Von diesem Beruf haben viele eine – teilweise vielleicht vermeintlich – gute Vorstellung, da jede und jeder ja selbst einmal in der Schule war. Im Studium geht es dann aber zunächst darum, die Grundlagen dafür zu erlernen, pädagogisch wirklich professionell zu arbeiten.
Was macht einen guten Grundschullehrer oder eine gute Grundschullehrerin aus?
Eine Lehrkraft sollte versuchen, aus jedem Kind das herauszuholen, was in ihm steckt. Dazu ist es insbesondere in der Grundschule wichtig, sich auf die einzelnen Kinder mit ihren ganz unterschiedlichen Stärken wirklich einzulassen und ihnen darauf aufbauend passende Lernangebote zu machen. Es handelt sich um einen sehr verantwortungsvollen Beruf, denn Grundschullehrkräfte begleiten die Kinder durch eine sehr prägende Entwicklungsphase. Gerade Lehrerinnen und Lehrer in der Grundschule beeinflussen auch sehr stark, wie Kinder die Schule wahrnehmen. Gute Voraussetzungen für das Studium des Grundschullehramts sind sicher, wenn man sowohl Freude an der Arbeit mit Kindern hat als auch daran, sich mit verschiedensten Inhalten fachlich auseinanderzusetzen.
Was möchten Sie Ihren Studierenden dafür in der Lehre mit auf den Weg geben?
Oh, da gibt es ganz viele Dinge. Grundsätzlich versuchen wir natürlich zunächst einmal die Studierenden bestmöglich auf das Staatsexamen vorzubereiten. Das ist aber nur ein Teil. Letztendlich ist unser Ziel, auch grundlegende Kompetenzen anzubahnen, die essenziell für die spätere Unterrichtspraxis sind. So ist für Lehrpersonen beispielsweise die Fähigkeit wichtig, Unterricht wirklich kritisch reflektieren zu können. Dementsprechend möchte ich den Studierenden dabei helfen, ihren Blick zu schärfen, sodass sie gelungenen und weniger gelungenen Unterricht erkennen können.
Was macht gelungenen Unterricht aus?
Zunächst einmal ist es mir wichtig, den Studierenden deutlich zu machen, dass gerade am Anfang der Lehrtätigkeit nicht bereits alles perfekt sein muss, sondern dass es darum geht, den eigenen Unterricht immer wieder zu reflektieren und schrittweise zu verbessern. Für gelungenen Unterricht sind die sogenannten drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität wichtig: Ein gutes Classroom Management, ein lernförderliches Klima sowie die kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler sind hier die zentralen Bausteine. Ganz wichtig für guten Unterricht ist aber auch, sich wirklich in die Perspektive der Schülerinnen und Schüler hineinzuversetzen und beispielsweise Fehler dazu zu nutzen, den Denkprozess des Kindes nachvollziehen zu können. Hier ist dann auch das Feedback der Lehrperson ganz zentral. Ein ideales Feedback sollte der Schülerin oder dem Schüler drei Fragen beantworten: Was ist mein Ziel? Wo stehe ich gerade? Und was ist der nächste Schritt, um das Ziel zu erreichen? Mit dem Thema Feedback beschäftige ich mich auch in meiner Forschung.
Wo genau liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?
Ich beschäftige mich primär mit zwei Bereichen: Unterrichtsqualität und die Qualität der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, wobei ich in beiden Bereichen gerne mit Unterrichtsvideos arbeite. Hier werte ich beispielsweise Videos aus dem Grundschulunterricht nach einer Vielzahl von Beobachtungskriterien aus, um herauszufinden, wie Lehrpersonen es schaffen, die Schülerinnen und Schüler herauszufordern und zum Nachdenken anzuregen. Oder wie sie es schaffen, informatives Feedback zu geben. Die Erkenntnisse daraus können wiederum für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung genutzt werden.
Können Sie eines Ihrer Forschungsprojekte kurz erläutern?
In einem meiner Projekte untersuche ich, wie angehende Lehrpersonen von der Arbeit mit Unterrichtsvideos im Studium profitieren können. Der Fokus liegt darauf, dass die Studierenden lernen, ihren künftigen Schülerinnen und Schülern konstruktives Feedback zu geben. Es zeigt sich, dass die Studierenden sowohl von der Arbeit mit eigenen Videos als auch von der Arbeit mit Videos anderer Lehrpersonen profitieren und dass dies besonders effektiv ist, wenn die Studierenden im Seminar lernen, sich bei der Analyse des Unterrichts an klaren Kriterien zu orientieren.
Sie haben selbst Grundschullehramt hier in Bamberg studiert. Wie war Ihr erster Eindruck von Stadt und Universität Bamberg?
Meinen ersten Eindruck von Bamberg hatte ich bereits im Jahr 2003, als ich aus dem Saarland zur Einschreibung ins Studium zum ersten Mal nach Bamberg kam. Ich hatte mich für Bamberg nur entschieden, weil hier eine besondere Fächerkombination möglich war, kannte die Stadt aber überhaupt nicht. Daher war ich tatsächlich einfach nur sehr erleichtert, wie schön die Stadt ist. Als ich dann nach ein paar anderen Zwischenstationen zum Bewerbungsvortrag zurück nach Bamberg kam, war sofort das Gefühl des „Zurück-nach-Hause-Kommens“ da – spätestens als ich auf dem Flur einen früheren Professor traf, der mir gleich seine Kopierkarte anbot, um noch ein paar Handouts zu drucken.
Vielen Dank für das Interview!