Ein herausragender Linguist und liebenswerter Kollege
Die Universität Bamberg trauert um Prof. Dr. Thomas Becker, der am 31. August verstorben ist. Kolleginnen und Kollegen loben seine wissenschaftliche Kreativität und intellektuelle Schärfe. Die nachfolgende Generation lag ihm besonders am Herzen.
Thomas Becker wurde am 2. August 1955 in München geboren, wo er 1974 am Wilhelmsgymnasium das Abitur ablegte. Nach der Schulzeit nahm er ein Studium der germanistischen und theoretischen Linguistik, der Logik und Wissenschaftstheorie an der LMU München auf. Das Studium, das Thomas Becker 1980/1981 an der Universität Edinburgh verbrachte, schloss er 1983 in München mit dem Magister Artium ab.
Nach dem Examen war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU bei Elmar Seebold tätig. 1988 wurde er mit dem Prädikat summa cum laude zum Doktor phil. promoviert (Doktorvater Theo Vennemann). Die Dissertation Analogie und morphologische Theorie erschien 1990 im Druck. Es folgten die Ernennung zum Wissenschaftlichen Assistenten und 1995 zum Oberassistenten (bis 2002) am Lehrstuhl von Theo Vennemann. 1995 habilitierte sich Thomas Becker mit einer Monographie über Das Vokalsystem der deutschen Standardsprache und erhielt die venia legendi für Germanistische Linguistik.
Der Habilitation schlossen sich zunächst mehrere Gastprofessuren an, so 1996 an der Universität Stuttgart, 2000 an der University of Wisconsin-Madison, als Max Kade Distinguished Visiting Professor und an der University of Calgary. 2002 vertrat er eine C3-Professur an der Universität Erlangen, im folgenden Jahr lehrte er als Visiting Professor an der University of Georgia in Athens. 1998 wurde er für zwei Jahre in den Beirat der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft gewählt.
Seinen ersten Ruf erhielt Thomas Becker 2002 an die Universität Rostock auf den Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft als Nachfolger von Dieter Nerius. Drei Jahre später berief ihn dann die Universität Bamberg auf den Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft als Nachfolger von Rolf Bergmann. Thomas Becker nahm im Laufe der Jahre viele Funktionen in den Gremien der universitären Selbstverwaltung wahr. Für die universitäre Lehre, die ihm besonders am Herzen lag, verfasste er 2011 ein Lehrbuch: Einführung in die Phonetik und Phonologie des Deutschen.
Forschungsschwerpunkte
Thomas Beckers Forschungsinteresse richtete sich auf die Morphologie, die Phonologie und in jüngster Zeit auf die Pragmatik und Argumentationstheorie. In seinen beiden großen Qualifikationsschriften entwickelte er zu zentralen Themen der Sprachwissenschaft neue und wissenschaftlich verblüffende Konzepte, die durch ihre gedankliche Klarheit geradezu unabweislich überzeugen.
Seine 1987/88 vorgelegte Dissertation mit dem Titel Analogie und morphologische Theorie entwirft ein neues Morphologiekonzept, wonach morphologische Regeln die paradigmatischen Beziehungen eines Wortes zu anderen Wörtern abbilden und nicht wie sonst gemeinhin angenommen den syntagmatischen Aufbau des Wortes aus Stämmen und Affixen.
In seiner 1994 abgeschlossenen Habilitationsschrift stellt Thomas Becker Das Vokalsystem der deutschen Standardsprache auf eine sehr konzentrierte und klare Weise dar. Zentral ist dabei die Erklärung der Eigenschaften des Systems nach universellen Prinzipien.
Seine letzte maßgebliche Monographie ist die 2012 bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienene Einführung in die Phonetik und Phonologie des Deutschen, die als Lehrwerk für Studierende konzipiert ist und seiner Phonologie-Vorlesung folgt.
Nicht mehr abschließen konnte er die Arbeit an seinem Buch über Relevanz und Sprachgebrauch. Zentraler Ausgangspunkt sollte der Begriff der „praktischen Relevanz“ werden, mit dem er Ideen des philosophischen Pragmatismus aufgreifen und für die Sprachwissenschaft neu fruchtbar machen wollte.
Persönliches Engagement
Als Hochschullehrer war Thomas Becker sehr beliebt. Seine Klarheit, wissenschaftliche Kreativität und intellektuelle Schärfe haben die Studierenden fasziniert und zugleich motiviert, sich vertieft und interessiert mit Fragen des Faches auseinanderzusetzen. Thomas Becker lag die nachfolgende Generation immer besonders am Herzen. So stellte er sein Fach auch gerne Gymnasiasten in der Schule vor, um sie für die Sprachwissenschaft zu begeistern. Seine wissenschaftlichen Beiträge haben nicht nur die Studierenden, sondern alle Kollegen als bereichernd empfunden.
Die Universität hat mit dem Tod von Thomas Becker einen liebenswerten Kollegen und renommierten Wissenschaftler verloren, der sich mit großem Engagement für ein höchstmögliches Maß an Qualität in der universitären Ausbildung und ebenso für die Profilierung seines Faches an der Universität Bamberg einsetzte. Wir trauern um einen hochgeschätzten, fachlich vorbildlichen, klugen, intellektuell bereichernden und liebenswerten Kollegen und Freund, den wir sehr vermissen. Wir werden seiner in großer Dankbarkeit gedenken.
Hinweis
Dieser Nachruf wurde verfasst von Prof. Dr. Stefanie Stricker, Deutsche Sprachwissenschaft, E-Mail: stefanie.stricker(at)uni-bamberg.de.