Matthias Mäuser: ein feinsinniger Mensch, der zu begeistern wusste
Fleischstraße 2, 96047 Bamberg. Hinter dieser Adresse verbirgt sich ein Kleinod, das in der regionalen Museumslandschaft seinesgleichen sucht. Dass sich aus einem vormaligen Naturalienkabinett ein Ort lebendiger Wissensvermittlung und überregional beachteter Forschung entwickeln konnte, ist maßgeblich Dr. Matthias Mäuser zu verdanken. Seit 1988 leitete er das Naturkunde-Museum Bamberg, am 24. August 2021 ist er im Alter von 64 Jahren verstorben. Die Verbindung zwischen Naturkundemuseum und Universität ist enger als es auf den ersten Blick zu wirken scheint. Institutionell sind sie über die Lyzeumstiftung Bamberg, die jetzige Eigentümerin des Museums, miteinander verbunden und haben eine wechselvolle Geschichte gemein. Matthias Mäuser ließ sie in seinen Publikationen, Interviews oder Vorträgen immer wieder lebendig werden.
Matthias Mäuser war ein leidenschaftlicher Forscher
Überregional bekannt wurde das Naturkunde-Museum Bamberg nicht zuletzt durch die Forschungen von Matthias Mäuser und seinem Team, insbesondere im Steinbruch Wattendorf. Sie bescherten dem Museum einzigartige und spektakuläre Ausstellungsstücke wie zum Beispiel die größte komplett erhaltene Juraschildkröte der Welt, ein versteinertes Flugsaurierskelett oder zuletzt einen Kugelzahnfisch, bei dem es sich um eine neue, bis dato unbekannte Spezies handelt. Die Forschungsarbeit stimmte Mäuser eng mit Universitätskanzlerin Dr. Dagmar Steuer-Flieser ab, die zugleich 1. Vorstandsvorsitzende der Lyzeumstiftung Bamberg ist und Mäuser seit vielen Jahren kennt. Sie hat gemeinsam mit den zuständigen Gremien die Rahmenbedingungen geschaffen und Mäuser ausgrabungsrechtlich unterstützt. „Den Spagat zu leisten zwischen den administrativ-organisatorischen Aufgaben eines Museumsleiters und den Tätigkeiten als Wissenschaftler, habe ich als eine ganz besondere Herausforderung empfunden, die Matthias Mäuser auf bewundernswerte Weise bewältigt hat. Ich habe mich immer wieder gerne von seiner Begeisterung für die wissenschaftlichen Grabungen und ihre Fundstücke inspirieren lassen.“
Der Umgang mit komplementären Gegensätzen war stets ein prägender Teil seiner Arbeit. Bereits 1988, als Matthias Mäuser die Leitung des Museums übernahm, galt es, das „im Stadium des Naturalienkabinetts verharrte“*) Museum sowohl strukturell als auch inhaltlich neu aufzustellen – ohne dabei seinen historischen Charakter preiszugeben. Die Ergebnisse sind bis heute sichtbar: Seit 1992 präsentiert es sich als „allgemein naturkundliches Museum mit regionalem Schwerpunkt sowie einem historischen Ausstellungsbereich als ‚Museum im Museum‘“*).
Die Renovierung des Vogelsaals war ein Meilenstein in der Amtszeit von Matthias Mäuser
Letzteres, auch bekannt als „der Vogelsaal“ ist das Kernstück des ehemaligen Naturalienkabinetts und der einzige weltweit original erhaltene museale Schauraum aus dem 19. Jahrhundert. Ihn zu bewahren und seinem historischen Erscheinungsbild möglichst nahezubringen, zugleich aber auch den umfassenden naturhistorischen Anspruch deutlicher herauszuarbeiten, war das Ziel seiner aufwändigen, rund eineinhalbjährigen Renovierung. Matthias Mäuser hat sie mithilfe der Lyzeumstiftung, die die dafür nötigen finanziellen Mittel akquiriert hatte, federführend gestaltet. „Es wurde kein Quadratzentimeter nicht behandelt“, brachte er diese Herkules-Aufgabe bei der Wiedereröffnung auf den Punkt.
Die Geschichte des Vogelsaals und damit auch des heutigen Naturkunde-Museums begann vor über 200 Jahren anno 1791, als Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal ein Naturalienkabinett einrichtete, um an der damaligen Universitas Ottoniano-Fridericiana, einer Vorläuferinstitution der Universität Bamberg, einen Lehrstuhl für Naturgeschichte installieren zu können. Als Ort wählte er den Nordflügel des ehemaligen Jesuitenkollegs und heutigen Gebäudes An der Universität 2, in dem unter anderem die Teilbibliothek 1 und die Fächer Philosophie und Katholische Theologie untergebracht sind. Sein Nachfolger und die Säkularisation machten den ehrgeizigen Plänen des bis dahin schon verstorbenen Fürstbischofs einen Strich durch die Rechnung.
Lyzeumstiftung Bamberg ist heutige Eigentümerin des Naturkunde-Museums
Erst der oft als zweiter Gründer des Naturalienkabinetts bezeichnete Benediktinerpater Dionysius Linder holte die verbleibenden Reste der Sammlung aus dem Dornröschenschlaf. Er vereinte sie mit der sich in seinem Besitz befindlichen Sammlung und legte in seinem königlich genehmigten Stiftungsbrief von 1827 den Grundstein des heutigen Naturkunde-Museums. An diese königliche Genehmigung ist sowohl die Universität Bamberg, die die Räumlichkeiten des ehemaligen Jesuitenkollegs nutzt, als auch die Lyzeumstiftung bis heute gebunden. Die Lyzeumstiftung verwaltet die Güter und Einkünfte der Älteren Universität und ist seit der Zustiftung der Linder’schen Stiftung jetzige Eigentümerin des Museums.
Der Stiftungsbrief brachte unter anderem zum Ausdruck, dass das Naturalienkabinett an dem ihm angestammten Ort verbleiben und Studierenden, Schülerinnen und Schülern sowie allen Einwohnern von Bamberg für immer zugutekommen sollte. Ganz im Sinne des Stifters war Matthias Mäuser ebenfalls sehr viel daran gelegen, Universität und Naturkundemuseum inhaltlich zu vernetzen. Über Lehrveranstaltungen wie die „Anwendungswoche Naturkundemuseum“ des Lehrstuhls für Digitale Denkmaltechnologien oder Kooperationen wie beim Hegelforum 2009, das er gemeinsam mit Prof. Dr. Christian Illies leitete, wirkte er auch jenseits von Fachgrenzen. Er schlug Brücken in geistes- und kulturwissenschaftliche Fächer und zeigte so, „daß Kultur und Natur mehr als nur die letzten drei Buchstaben verbindet.“ *)
Matthias Mäuser: sein Auftrag und sein Anspruch
Der Vogelsaal, die spektakulären Fossilienfunde, die über 200.000 Objekte zählende Sammlung aus den Bereichen Geologie, Mineralogie, Paläontologie, Zoologie und Botanik, Interviews, Vorträge und Publikationen – sie tragen dazu bei, den Auftrag zu erfüllen, den sich der Museumsleiter selbst gestellt hatte, nämlich „die Besucher für die Schönheit und Bedeutung der Natur sensibel zu machen.“*)
Zahlreiche Sonderausstellungen wie die „Glanzlichter der Naturfotografie“ machten diesen Anspruch ebenfalls greifbar. „Ich habe Matthias Mäuser als einen sehr feinsinnigen Menschen erlebt, der ruhig und besonnen mit seinem fachfremden Publikum umging und auch komplexe Themen verständlich vermitteln konnte“, erinnert sich Dagmar Steuer-Flieser an ihre Eindrücke bei verschiedenen Museumsführungen, die Matthias Mäuser zahlreich und „mit großer Leidenschaft“ angeboten hat.
Sein Bestreben, die Besucherinnen und Besucher für die Schönheit und Bedeutung der Natur sensibel zu machen, hatte einen tieferen Sinn: „Die Erfüllung dieser Aufgabe wird in Zukunft zunehmend an Wichtigkeit gewinnen, denn nur wer die Natur kennt und schätzt, lernt sie auch zu schützen – und der Schutz unserer natürlichen Umgebung wird die Aufgabe des kommenden Jahrhunderts sein!“, hat Matthias Mäuser bereits 1997 mit einem vorausahnenden Blick auf Kommendes formuliert.*) „Mit viel Herzblut und Engagement hat er sich dafür eingesetzt, dass das Naturkunde-Museum diese Aufgaben wahrnehmen kann“, sagt Dagmar Steuer-Flieser. „Für sein Lebenswerk gebührt ihm unser größter Dank.“
*) Hinweis: Die Zitate von Matthias Mäuser stammen aus seiner Publikation: Das Naturkunde-Museum Bamberg. Geschichte und Aufgaben einer 200 Jahre alten Einrichtung. In: Schönere Heimat, München, Band 86 (1997), S. 285-292