Ein profunder Kenner des Barock
Franz Matsche, am 3. Dezember 1939 in der böhmischen Ortschaft Kalsching in der heutigen Tschechischen Republik geboren, war ein passionierter Wissenschaftler. Forschung und Lehre sowie konzeptionelle Tätigkeiten im Ausstellungs- und Museumsbereich schlossen sich bei ihm nicht aus, sondern verbanden sich zu einem produktiven Ganzen. Bereits die Anfänge seiner wissenschaftlichen Laufbahn, die mit seinem Studium der Kunstgeschichte, der Klassischen und Christlichen Archäologie und Geschichte an den Universitäten Würzburg, Wien und Marburg a. d. Lahn begann und ihn 1970 zur Promotion in Marburg mit der von Karl-Hermann Usener betreuten Arbeit „Der Freskenmaler Johann Jakob Zeiller, 1708-1783“ führte, flankierte er durch die Arbeit im Museums- und Ausstellungsbereich.
Als Werkstipendiat des Bayerischen Arbeitsministeriums arbeitete er seit September 1969 über den Maler und Graphiker Emil Orlik (1870-1932), insbesondere über dessen graphischen Werkstattnachlass und seine Korrespondenz mit dem Kunsthistoriker Max Lehrs, die sich im Besitz des Adalbert Stifter Vereins in München und der Ostdeutschen Galerie in Regensburg befinden. An der Einrichtung dieses neu begründeten, im Juni 1970 eröffneten Museums und seiner ersten Gesamtinventarisation war Matsche im Frühjahr 1970 beteiligt. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Adalbert Stifter Vereins konzipierte er danach eine kunst- und kulturgeschichtliche Ausstellung über den böhmischen „Modellheiligen“ des Barockzeitalters, Johannes von Nepomuk, und bereitete eine Ausstellung über die Graphik Emil Orliks vor, die auch im Ausland zu sehen war.
Barockkunst als Forschungsschwerpunkt
In dieser Zeit vertiefte sich seine Leidenschaft für die Barockkunst, die ihn zu einem profunden Kenner dieser Epoche mit den geografischen Schwerpunkten Wien und Prag werden ließ. Mit seiner einschlägigen Schrift über „Die Kunst im Dienste der Staatsidee Kaiser Karls VI. – Die staatspolitische Programmatik, Ikonographie und Ikonologie des ‚Kaiserstils‘ der österreichischen Barockkunst“, wurde er im Februar 1978 an der Universität Heidelberg habilitiert. Darin stellte er im Anschluss an Hans Sedlmayr den österreichischen barocken „Kaiserstil“ dem Klassizismus der französischen Hofkunst gegenüber und warf zudem Seitenblicke auf die Kunst der Schönborn und ihre Bauten in Österreich und Franken. Die Publikation wurde in mehr als einem Dutzend Rezensionen in namhaften deutschen und ausländischen Fachzeitschriften besprochen.
Seit 1978 war Franz Matsche Mitglied des Vorstands des Adalbert Stifter Vereins und des künstlerischen Beirats der Ostdeutschen Galerie Regensburg. Im Mai 1979 erhielt er den Ruf als Professor und Wissenschaftlicher Rat an die Universität Münster, an der er 1983/84 Dekan und 1984/85 Prodekan des Fachbereichs 7 Philosophie war. 1986 nahm er den Ruf auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte, insbes. Neuere und Neueste Kunstgeschichte, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg an, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 innehatte. Seit 1987 war Matsche zudem Mitglied des J. G. Herder-Forschungsrats und der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Methodisch war Franz Matsche ein motiv- und kulturgeschichtlich arbeitender, dabei durchaus inspirierter Vertreter der Ikonographie. In seinen Arbeiten über den Heiligen Johannes von Nepomuk begab er sich, was damals noch ungewöhnlich war, über die Fachgrenzen hinaus in Bereiche der Hagiographie, Volkskunde und Frömmigkeitsgeschichte. Neben der Barockkunst wandte er sich unter anderem Lucas Cranach zu, dem er mehrere Aufsätze widmete. In seinen Lehrveranstaltungen behandelte er auch die französische Malerei von David bis zum Impressionismus, die Kunst der klassischen Moderne sowie vereinzelt auch die informelle Malerei und die Pop Art.
Engagement für lokale Kunstgeschichte
Als Lehrstuhlinhaber in Bamberg hat sich Matsche wiederholt auch der lokalen Kunstgeschichte und den Beständen der hiesigen Sammlungen zugewandt: So erarbeitete er unter anderem 1988 in Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum und fortgeschrittenen Studierenden die Ausstellung „Die Sintflut: Ein Gemälde von Hans Baldung Grien, 1516 und die Entwicklung der Sintflutdarstellungen vom frühen Christentum bis in das 19. Jahrhundert“. Seine Freude an der Lehre beeindruckte auch seine ehemalige Assistentin Elisabeth Oy-Marra, heute Professorin für Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Mainz: „Unvergessen ist seine Exkursion mit Studierenden der Universität Bamberg nach Prag im Herbst 1997. Seine guten Kontakte zum Kollegen Pavel Preiss öffneten den Teilnehmern Tür und Tor. Hier konnten nicht nur die Dientzenhofer-Kirchen und die herausragende, im Westen wenig bekannte Barockmalerei bestens studiert werden. Auf den gemeinsamen Rundgängen mit tschechischen Kollegen lebte das alte Prag an jeder Ecke wieder auf. Franz Matsche hatte die Gabe, sein Wissen mit großem Enthusiasmus immer wieder neu zu vermitteln.“
Mit Franz Matsche, der am 6. August 2017 im Alter von 77 Jahren in Bamberg verstorben ist, verliert die Otto-Friedrich-Universität einen scharfsinnigen, mitunter auch streitbaren Kollegen und Hochschullehrer, dessen durchweg grundsoliden, zugleich oft mit ihrer methodischen und sprachlichen Trennschärfe bestechenden Texten man weiterhin zahlreiche Leserinnen und Leser wünschen möchte.
Ein Nachruf von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Brassat, Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte, insbesondere für Neuere und Neueste Kunstgeschichte
Kontakt:
Prof. Dr. Wolfgang Brassat
Lehrstuhl für Kunstgeschichte, insbesondere für Neuere und Neueste Kunstgeschichte
Tel. 0951/863-2391 od. -2392 (Sekr.)
wolfgang.brassat(at)uni-bamberg.de