Um den Neubau der Zentral-Moschee in Köln tobte eine heiße Debatte.

Außenvorgelassen wurde dabei die Architektur. Das brachte Lorenz Korn dazu, sich mit der Architektur von Moscheen in Europa, insbesondere in Deutschland, zu beschäftigen.

Die Architekten der Moschee in Köln brachten die Kuppel in eine ganz neue Form und verwendeten einzelne Betonschalen, die mit Glas verbunden sind.

Der Rohbau der Moschee steht. Wie allerdings die Innengestaltung aussehen wird, ist noch unklar. (Fotos: Lorenz Korn)

Muss es immer ein Minarett sein?

Die Architektur von neuen Moscheen in Deutschland und ihre Auswirkung

Der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Lorenz Korn vermisst eine Debatte über die Architektur von Moschee-Neubauten in Deutschland. Es scheint, dass sogar die muslimischen Gemeinden selbst unsicher sind, was sie mit ihren Bauwerken aussagen wollen.

Proteste, Demonstrationen und ein versuchtes Bürgerbegehren – um den Neubau der Zentral-Moschee in Köln tobte eine heiße Debatte. Dabei ging es um die Rolle des Islam, um Integration und das Stadtbild. Dann wurde das Gebäude wegen eines Rechtstreits zwischen dem Bauherrn, dem Dachverband der türkisch-islamischen Moscheegemeinden (DITIB) und den Architekten ein großes Thema in den Medien. Eine Debatte um die Architektur? Fehlanzeige!

Das brachte Lorenz Korn dazu, sich mit der Architektur von Moscheen in Europa und insbesondere in Deutschland zu beschäftigen. Der Inhaber der Professur für Islamische Kunstgeschichte und Archäologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg reiste nach Köln und besichtigte den Rohbau. „Die Diskussion wurde eigentlich nur politisch geführt. Da ging es um gesellschaftliche Fragen, um Integrationsfragen. Ich wollte den architektonischen Fragen per se nachgehen“, erklärt er. Lorenz Korn ging der Frage nach, wie eine Moschee in Deutschland im 21. Jahrhundert aussehen könne, was sie aussagen solle und ob es einen einheitlichen Stil gebe.

Zwingende formale Anforderungen an einen Moschee-Bau gibt es nur wenige. Minarette, die Symbole in der öffentlichen Debatte, oder auch Kuppeln sind erst im Laufe der Zeit Teil der Moscheearchitektur geworden. In der arabischen Welt entwickelten sich drei Typen von Moscheen: Die älteste Form ist die arabische Pfeilerhallenmoschee und ihre syrische Abwandlung, die Transeptmoschee. Hinzu kommen die Vier-Iwan-Moschee und die osmanische Kuppelmoschee.

In Europa dominiert keiner dieser Typen: Moscheen in Großbritannien wurden von völlig verschiedenen Ländern wie Ägypten, Indien oder dem Iran beeinflusst. In Frankreich sind die Bauwerke eher von Referenzen auf Algerien, Tunesien oder Marokko geprägt.

Von der Hinterhofmoschee zum Monumentalbau

In Deutschland beeinflussten die türkischen Gastarbeiter, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Land kamen, den hiesigen islamischen Glauben und den Moscheebau am meisten. Sie gingen zunächst zum Gebet in die sogenannten Hinterhofmoscheen. Mit steigender Kaufkraft wurden ab den Achtzigerjahren mehr Moscheen in Deutschland gebaut. Meist orientierten sich die Architekten an den Bauten in der türkischen Heimat mit der Kuppel als zentralem Element – zu sehen ist das an Moscheen in Pforzheim oder Mannheim. Die Orientierung an der Türkei gipfelte schließlich in der 2008 fertiggestellten DITIB-Merkez-Moschee in Duisburg mit einer zentralen Kuppel, an die vier Halbkuppeln angesetzt sind. Mit der eindeutigen Anlehnung an die Şehzade Moschee in Istanbul schufen die Architekten einen deutlichen Verweis auf die türkische Heimat.

Ganz anders jedoch machten es die Architekten des Islamischen Forums im oberbayerischen Penzberg: Sie verzichteten komplett auf eine Kuppel. Prägend sind andere Elemente: Zwei Betontafeln mit Koranzitaten am Eingang, die an ein aufgeschlagenes Buch erinnern und ein Minarett an der südlichen Ecke des flachen Gebäudes.

„Köln ist kreativer als Duisburg und Penzberg“

Auch die Architekten der Moschee in Köln versuchen, das traditionelle Bild einer Moschee weiterzuentwickeln. Sie brachten die Kuppel in eine ganz neue Form und verwendeten einzelne Betonschalen, die mit Glas verbunden sind. Die Kuppel wird von zwei 55 Meter hohen Minaretten flankiert. „Köln ist kreativer als Duisburg und Penzberg. Ich glaube, die Ästhetik ist ein Schritt in eine neue Richtung“, sagt Lorenz Korn.

In welche Richtung ist noch offen. Letztlich ist bei den neuen Moscheebauten kein europäischer oder sogar deutscher Stil auszumachen. Es ist vielmehr eine individuelle Frage, was die jeweilige muslimische Organisation bevorzugt. „Vielen Bauherren ist noch nicht klar geworden, was sie mit ihrer Architektur bewirken wollen“, sagt Lorenz Korn. Eher wird ein Thema oder ein Wunsch an die Gemeinden herangetragen, wie im Fall Köln das Stichwort Transparenz. „Das ist hineininterpretiert von außen. Man kommt auch leicht auf diesen Gedanken, weil dieser Moscheebau so verschiedene offene Partien hat“, sagt Lorenz Korn. Aber nur eine offen gestaltete Architektur ist eben nicht entscheidend für einen gelungenen Integrationsprozess.

Bisher dominierte im Moscheebau Heimattümelei

Stattdessen könnte ein derartiges Bauwerk etwas anderes zeigen, findet der Islamwissenschaftler und Kunsthistoriker Lorenz Korn: „Man könnte in einem Moscheebau auch ganz andere Aussage-Ebenen wiederfinden.“ Das wären seiner Ansicht nach beispielsweise theologische Botschaften wie die Rolle des Korans, das Vorbild des Propheten Mohammed oder abstrakte Werte wie Barmherzigkeit oder Hingabe. „Das sehe ich bisher noch nicht – weder in Deutschland noch im Rest Europas.“

Die bisherige Moscheearchitektur beschreibt Lorenz Korn als „überwiegend rückwärtsgewandt“ und fordert eine moderne Sprache der Architektur: „Ich würde mir aus der Sicht eines europäischen Stadtbewohners wünschen, dass es nicht beim jetzigen Zustand bleibt.“ Er hoffe, dass sich eine europäische Moscheearchitektur entwickle an Stelle der bisher vorherrschenden „heimatverbundenen, letztlich noch kolonial geprägten Architektur, einer Art Selbstorientalisierung der Muslime“.

Innengestaltung der Kölner Moschee noch unklar

Heimatliche Referenzen und moderne Elemente werden bisher beliebig eingesetzt. Spiegelt sich darin die Unklarheit vieler muslimischer Gemeinden über ihre eigene Rolle in der Gesellschaft, ihre Außenwirkung und die Rolle der alten Heimat? In der Architektur ist diese jedenfalls ungewiss: „Es gibt eine gewisse Unsicherheit darüber, wie eine muslimische Gemeinde oder Organisation in Deutschland heute vorgehen soll, und nach welchen Modellen und ästhetischen Prinzipien sie ihren religiösen Raum gestalten will“, sagt Lorenz Korn. Sichtbar ist das auch bei der Kölner Moschee: Der Rohbau steht, aber wie sie einmal von innen aussehen soll, ist unklar. Das Beleuchtungskonzept steht noch nicht fest und auch mit der Wandgestaltung wird noch experimentiert.

Doch die eigene Rolle in deutschen und europäischen Demokratien und der Einfluss der Heimatländer sind nicht die einzigen Herausforderungen für die Muslime in der Diaspora: Mit dem Zuzug hunderttausender Flüchtlinge aus Syrien, Irak oder Afghanistan werden sich die Gewichte innerhalb der muslimischen Gemeinschaft verschieben, die türkisch geprägten Muslime werden an Einfluss verlieren. Vorausgesetzt, ein Großteil der Flüchtlinge bleibt, werden diese nicht nur den hiesigen Islam sondern auch die Moscheearchitektur beeinflussen – vermutlich mit ganz neuen Elementen.

Hinweis

Diesen Text verfasste Christian Hellermann für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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