Was Notbetrieb und Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung für die Lehre bedeuten
Alle Universitätsgebäude sind geschlossen, der Publikumsverkehr ist in allen Einrichtungen eingestellt. Auch ein Blick in die leeren Mensen, Cafeterien oder Bibliotheken zeigt: Das Coronavirus hat den universitären Alltag fest im Griff. Am 20. April beginnt mitten im Notbetrieb die Vorlesungszeit, auf die sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Bamberg in den vergangenen Wochen besonders intensiv vorbereitet haben.
Alle Fächer bieten ihren Studierenden umfassende Online- und Unterstützungsangebote. „Wir setzen alles daran, dass unseren Studierenden durch die Corona-Krise keine Nachteile entstehen“, sagt Prof. Dr. Frithjof Grell, Vizepräsident Lehre und Studierende. „Das heißt, dass sie Bedingungen für ein reguläres Studium vorfinden. Dies betrifft zum Beispiel die Durchführung von Lehrveranstaltungen oder die Versorgung mit dringend benötigter Literatur.“ Vor diesem Hintergrund, so Grell weiter, sei der Vorlesungsbeginn geglückt. „Mir ist keine Lehrveranstaltung bekannt, die aufgrund der aktuellen Situation ausfallen musste. Vielen Dank an alle Dozentinnen und Dozenten für dieses großartige Engagement!“
Eine Präsenzveranstaltung in ein Online-Format umzuwandeln, ist konzeptionell sehr aufwändig.
Diese positive Bilanz zu erzielen, war für alle Lehrenden ein Kraftakt. Denn der radikale Wechsel von Präsenz- auf Online-Lehre ist alles andere als einfach. „Wir mussten uns zunächst einmal überlegen, wie sich unsere Veranstaltungsformate überhaupt digital übersetzen lassen“, sagt Prof. Dr. Martin Messingschlager vom Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie. „Und uns dann mit den verschiedenen Softwareangeboten, die das Rechenzentrum zur Verfügung stellt, auseinandersetzen, um das im Einzelfall passende zu finden.“
Dr. Christof Rolker, Professor für Historische Grundwissenschaften, kennt das Problem. Er hat bereits Erfahrung mit Online-Lehre gesammelt und weiß deshalb: „Es ist ein großer Unterschied, ob man von Anfang an eine Lehrveranstaltung digital anlegt oder ob man, wie derzeit erforderlich, eine bereits bestehende Präsenzveranstaltung in ein Online-Format umwandeln muss.“ Denn das sei in der Regel nicht 1:1 möglich und bedeute daher einen erheblichen Mehraufwand.
Die Wirkung einiger Online-Formate muss erst erprobt werden.
Bei Vorlesungen ist zum Beispiel der Frontalunterricht über 1,5 Stunden – so lange dauert eine Lehrveranstaltung in der Regel – eine Herausforderung. Sich so lange in einem Online-Kurs zu konzentrieren und den Inhalten bis zum Schluss aufmerksam zu folgen, ist sehr anstrengend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Martin Messingschlager hat deshalb jeden Termin seiner Methoden-Vorlesung in drei Einheiten zu jeweils 30 Minuten untergliedert. Um die Einheiten abzurunden, musste er sein Skript entsprechend anpassen und umschreiben.
Christof Rolker überlegt unterdessen noch, wie er den typischen Charakter seiner Seminare online herstellen kann. „Diese Formate leben von Austausch und Diskussion, das kann ein Online-Kurs nicht leisten.“ Ob ein Livestream ein adäquater Ersatz sein kann, müsse sich erst noch zeigen. Er hat seine Seminare größtenteils neu konzipiert und startet in der ersten Vorlesungswoche mit Aufgaben in den entsprechenden VC-Kursen. „Das gibt mir noch etwas mehr Zeit, um die Online-Formate zu testen. Ich möchte meinen Studierenden qualitätvolle Lehrveranstaltungen bieten und will sichergehen, dass die Technik wirklich funktioniert.“
Für Prüfungen, Praxisveranstaltungen und eine Angebotserweiterung der Universitätsbibliothek sind dem Wissenschafts- und Gesundheitsministerium ausführliche Schutzkonzepte zur Genehmigung vorzulegen.
Vor besonderen Herausforderungen stehen alle Fächer, die Praxisveranstaltungen fest im Lehrplan verankert haben. Die neue Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung erlaubt zwar grundsätzlich ab dem 27. April die Durchführung von Veranstaltungen, die besondere Labor- oder Arbeitsräume an den Hochschulen erfordern – aber nur unter sehr starken Einschränkungen. Auch am 27. April werden deshalb Ensembleproben, Studien in Living Labs oder Kunst- und Sportunterricht noch nicht in der bislang gewohnten Form möglich sein.
„Zunächst sind die Bestimmungen eines ausführlichen Schutzkonzeptes einzuhalten, das derzeit unter Beteiligung der betreffenden Fächer erstellt wird und dem Wissenschafts- und Gesundheitsministerium noch zur Genehmigung vorgelegt werden muss“, erklärt Frithjof Grell. Hierin sind Schutzmaßnahmen festgelegt, die die Lehrenden vornehmen werden, sowie die Form der praktischen Umsetzung der geltenden Abstands- und Hygienebestimmungen. Erst wenn die Genehmigung vorliegt, dürfen die Lehrenden entsprechende Veranstaltungen anbieten. Gleiches gilt für Prüfungen oder eine Angebotserweiterung der Universitätsbibliothek.
„Dieses Semester wird ein ganz besonderes Semester werden, weil alle Universitätsangehörigen andere Bedingungen vorfinden als wir sie normalerweise haben“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert. „Dennoch werden wir all unseren Studierenden die Möglichkeiten schaffen, die sie brauchen, um in diesem Semester studieren zu können. Probleme sind dazu da, um sie zu lösen. Und genau das werden wir tun.“