Kuba-Krise 2006
Am Rande eines Atomkriegs bewegten sich die Weltmächte in der Kuba-Krise 1962. Diese Krisensituation spielten am 16. Juli Studierende der Psychologie am Institut für Theoretische Psychologie erneut durch und lernten viel über die Komplexität wichtiger Entscheidungen.
John F. Kennedy, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, steht der Schweiß auf der Stirn. Ein Kongressabgeordneter hat ihn gerade beschuldigt, Amerika an die Sowjets zu verkaufen. Dabei hatte er doch mit besten Vorsätzen auf eine diplomatische Lösung gesetzt. Und jetzt das Desaster: Chruschtschow will Atomwaffen auf Kuba stationieren. Auf Anfragen der USA weichen die Sowjets aus, wiegeln ab und tun alles dafür, dass die Operation bis zur Einsatzbereitschaft der Raketen unter den diplomatischen Teppich gekehrt wird. Kennedy hat jedoch nicht nur mit der sich anbahnenden Krise, sondern auch mit den Militärs im eigenen Lager Probleme, die einen viel härteren Kurs einschlagen möchten.
Aber auch sein Kontrahent hat es nicht leicht. Chruschtschow steht innenpolitisch das Wasser bis zum Hals, drohende Bauernaufstände erschweren die Konzentration auf die „Operation Anadyr“, die zum Ziel hat, heimlich Atomwaffen auf Kuba zu stationieren. Chruschtschow will das Gleichgewicht der Mächte wieder herstellen, das durch die Stationierung von Atomwaffen der USA in Italien und der Türkei scheinbar aus den Fugen geraten war.
Kennedy wird jäh aus seinen Gedanken gerissen, als sein engster Berater mit einem Stapel neuer Informationen unter dem Arm auf ihn zueilt. Das ExComm, der engste Beraterstab des Präsidenten, wartet auf eine Entscheidung. Militärische Intervention auf Kuba, ein Luftschlag oder sogar eine Großoffensive – oder soll man der Diplomatie noch eine Chance geben? Die nächsten Stunden werden über das Schicksal von Millionen von Menschen entscheiden.
Kuba, das Zünglein an der Waage
Eine Gruppe von 15 Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen hatte am 16. Juli die Gelegenheit, ein wichtiges Stück Nachkriegsgeschichte neu zu schreiben: Es war bereits das zweite Mal, dass das Planspiel „Kuba-Krise“ am Institut für Theoretische Psychologie durchgeführt wurde. Von einem kleinen Team rund um die Seminarleiterin Susanne Starke haben Elisabeth Aimer, Franziska Leibe und Alexander Burgis das Planspiel überarbeitet. Neu war unter anderem der Einsatz eines Computernetzwerkes, das die verschiedenen Simulationsleiter über die Teamräume hinweg vernetzte und es ihnen ermöglichte, wichtige Nachrichten zur Simulationssteuerung auszutauschen.
Die „Kuba-Krise“ ist ein komplexes politisches Planspiel, das eine der schwierigsten und risikoreichsten Entscheidungssituationen der letzten 50 Jahre abbildet. Im Oktober 1962 hatten die Sowjets direkt vor der Haustür der USA Atomraketen auf Kuba stationiert. Das winzige Kuba wurde zur strategischen Schachfigur im Ringen um die Vorherrschaft des Kommunismus gegenüber der westlichen kapitalistischen Welt. 13 Tage stand die Welt am Rande eines Atomkriegs.
Entscheidungen mit Risiko
Entscheidungsprozesse in einer solchen Situation verursachen einen enormen Druck auf die Entscheidungsträger: Vielfältige Informationen strömen auf die einzelnen Personen ein. Die Bedeutung und Glaubwürdigkeit dieser Informationen kann häufig nicht eindeutig eingeschätzt werden. Auch die Motiv- und Machtkonstellationen auf der gegnerischen Seite sind nur schwer zu beurteilen: Was will Chruschtschow beziehungsweise Kennedy, und vom wem werden die Machthaber selbst wiederum beeinflusst? Alle Entscheidungen sind mit höchstem Risiko behaftet, ihre Auswirkungen nicht eindeutig absehbar, möglicherweise fatale Konsequenzen nicht umkehrbar.
Schnell gelang es den Studierenden, den Alltag hinter sich zu lassen und sich in ihre Rolle und die politische Situation des Kalten Krieges der 1960er Jahre einzufinden. Nachrichten und Pressemitteilungen wurden ausgetauscht, Intrigen initiiert, Unterredungen durchgeführt. Sorgfältig wurden die Formulierungen gewählt – jedes falsche Wort konnte zu Missverständnissen und unerwünschten Reaktionen auf der Gegenseite führen, die Situation leicht eskalieren.
Wie in der Realität auch konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach zähen Verhandlungsrunden einigen. Keine Seite gab allerdings ihre Position vorschnell auf, es wurde gepokert und geschachert.
Am Ende des Tages sahen die Teilnehmenden eine Präsentation über den damaligen Ablauf der Kubakrise, der Tag klang mit einer Diskussions- und Reflexionsrunde aus. Das Thema „Planen und Entscheiden in komplexen Situationen“ war an diesem Tag konkret und greifbar geworden – sowohl für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als auch für die Simulationsleiter.