„In meinem Fach geht es entscheidend darum, wie man Sprache beschreibt, lernt und vermittelt.“
Katrin Wisniewski ist seit Mitte November 2021 Professorin für Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Bamberg. Ihr Schwerpunkt liegt dabei insbesondere beim Spracherwerb und der Diagnostik. Ursprünglich ist sie aber Romanistin. Im Interview verrät Katrin Wisniewski, welcher Aha-Moment in Italien sie zu ihrem Fach geführt hat, wofür sie sich in ihrer Forschung besonders interessiert und was sie in Franken gerne noch lernen möchte.
Sie sind seit November Professorin in Bamberg. Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?
Katrin Wisniewski: Ich befasse mich in meiner Forschung mit dem Deutschen als Fremd- oder Zweitsprache. Mein Schwerpunkt liegt hierbei besonders im Spracherwerb. Ich stelle mir etwa Fragen wie: Warum lernt man bestimmte Sprachenstrukturen früher und andere später? Oder, was ist schwierig für bestimmte Lernende? Diesen Fragen gehe ich mit empirischen Methoden auf den Grund. Ein anderer großer Schwerpunkt ist die Diagnostik, also die Messung von Sprachkompetenzen. Das ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden und Sprachtests werden an immer mehr Stellen eingesetzt. Zum Beispiel in Migrationskontexten, bei denen man Sprachkenntnisse nachweisen muss, um beispielsweise in Deutschland bleiben zu dürfen. Wenn man an einer deutschen Hochschule studieren möchte, muss man meist einen Sprachtest bestehen. In der Forschung befasse ich mich besonders damit, wie man gewährleisten kann, dass diese Verfahren zuverlässig sind und dass deren Verwendung sinnvoll ist.
Können Sie von einem konkreten Projekt berichten?
Ich würde gerne von zwei Projekten erzählen, die vielleicht zugleich die Charakteristik des Fachs aufzeigen: Deutsch als Fremdsprache wird auch als „Kind der Praxis“ bezeichnet. Das heißt, die Probleme, die uns angehen, kommen aus der Praxis. Wir nehmen diese Probleme auf und versuchen sie fundiert zu untersuchen und die Lösungen in die Praxis zurückzuspielen. Zum ersten Projekt: Fast jede und jeder von uns kennt den „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“, mit dessen Hilfe Sprachkompetenzen in verschiedene Stufen zwischen „A1“ und „C2“ eingeordnet werden. Oftmals wissen wir nicht genau, was sich hinter diesen Einstufungen verbirgt. Im Projekt „MERLIN“, gefördert durch die Europäische Union in ihrem Programm „Lebenslanges Lernen“, wurde eine digitale Datensammlung angelegt, ein sogenanntes Korpus mit Texten, die Deutschlernende geschrieben haben. Die Besonderheit des Korpus ist, dass die enthaltenen Texte auch von Menschen bewertet worden sind, die das beruflich machen. Diese Personen haben die Texte in die Niveaustufen des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens“ eingeordnet. Die Sammlung dient also dazu, besser zu verstehen, welche Eigenschaften von Sprache verschiedene Niveaustufen charakterisieren.
Worum geht es im zweiten Projekt?
Das Projekt „Sprache und Studienerfolg bei Bildungsausländer/-innen“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es beruht auf dem Missstand, dass die Zahl der internationalen Studierenden zwar zunimmt, aber dass diese Gruppe oftmals ihr Studium abbricht. Bei den Bachelorstudierenden sprechen wir von fast 50 Prozent Studienabbrüchen. Man mutmaßte schon lange, dass die hohe Abbruchquote wesentlich sprachliche Gründe zur Ursache haben könnte. Konkret untersucht hatte man das aber noch nie. Im Projekt haben wir unter anderem mit Sprachtests gearbeitet, um herauszufinden, ob Sprache eine entscheidende Rolle für den Studienerfolg dieser Gruppe hat. Das Ergebnis: Ja, Sprache ist dabei ein zentraler Baustein. Es handelt sich um ein praxisorientiertes Projekt, aus dem abgeleitet werden kann, wie man diese Studierenden besser fördern und den Studienerfolg letztendlich erhöhen kann.
Was ist Ihnen in der Lehre wichtig?
Im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache geht es entscheidend darum, wie man Sprache beschreibt, lernt und vermittelt. Bei allen drei Schritten ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, mit wem man es zu tun hat und in welchen Lehr-Lern-Kontexten überhaupt gearbeitet wird. Behutsam und bewusst mit der Heterogenität der Zielgruppen umzugehen, mit denen Lehrende von Deutsch als Fremd- oder Zweisprache zu tun haben, möchte ich den Studierenden vermitteln. Denn es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob es sich um einen französischen Gymnasiasten handelt, der in Lyon Deutsch als zweite oder dritte Fremdsprache lernt oder ob es sich um eine geflüchtete Person aus Syrien handelt, die einen Integrationskurs in Deutschland macht. Oder auch die internationale Studierende aus China, die jetzt in Deutschland Informatik studiert.
In allen Bildungsinstitutionen inklusive der Berufsausbildung wird außerdem immer deutlicher, wie wichtig Sprache für den Erfolg ist. Aktuelle Studienergebnisse zeigen beispielsweise auf, welche Bedeutung das Lesen hat und dass leider viele Schülerinnen und Schüler nicht gut genug lesen können. In meinen Lehrveranstaltungen ist es mir ganz wichtig, für diese Verbindung zwischen Sprache und Bildungserfolg zu sensibilisieren.
Welcher Weg hat Sie nach Bamberg geführt?
Ich bin eigentlich Romanistin, habe Romanistik, Politik und Geschichte studiert. Als ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europäischen Akademie Bozen in Italien war hatte ich einen Heureka-Moment. Mir fiel bezüglich des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ auf, dass es ganz unglaublich ist, wie weit die in ihm enthaltenen Niveaustufen verbreitet sind und wie wenig gleichzeitig darüber bekannt ist, was sich sprachlich hinter ihnen verbirgt. Das war dann auch mein Dissertationsthema und hat mich von Italien und Dresden, wo ich ursprünglich gearbeitet habe, weggeführt nach Leipzig, wo ich einige Jahre als akademische Dozentin tätig war. Dann hatte ich in Gießen bis November 2021 eine Vertretungsprofessur inne. Die Ausschreibung in Bamberg hat mich deshalb so angesprochen, weil der Fokus ein linguistischer ist. Die meisten Professuren in dem Fach Deutsch als Fremdsprache müssen ein sehr breites Themengebiet abdecken. In Bamberg versucht man natürlich auch die Studierenden so auszubilden, dass sie einen breiten Zugang zum Fach haben, aber der Fokus ist explizit sprachwissenschaftlich und das ist ja genau das, worauf ich mich in meinem gesamten Werdegang spezialisiert habe.
Haben Sie schon Pläne für Ihre Zeit in Bamberg?
Da ich absolut dialektbegeistert bin, möchte ich jetzt noch Fränkisch lernen. Eigentlich komme ich aus dem Ruhrgebiet und bin nach dem Abitur nach Sachsen gegangen. Das war schon die erste große dialektale Herausforderung. Außerdem freue ich mich darauf, die Gegend kennenzulernen, denn ich gehe gerne laufen und wandern.
Vielen Dank für das Interview!