Gipfeltreffen der Swing-Legenden
Man sagt Duke Ellington nach, ein gut gelaunter Mensch gewesen zu sein. Zweifellos nicht der schlechteste Ruf, welcher zu erwerben ist. Wohl weil Markus Schieferdecker einer ähnlichen Ansicht ist und in seinen Konzerten die Tristesse so gerne vermissen lässt, versammelte er gleich vier Schwergewichte der goldenen Bigband-Ära Amerikas zum Semesterschlusskonzert seiner Band. Melodien der Gründerzeit des Swing schwappten aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts Anfang Februar 2018 ins Audimax der Universität Bamberg, in Gedenken an Duke Ellington selbst, Count Basie, Glenn Miller und Benny Goodman. Alle vier Instrumentalisten wussten, dass der Bigband-Klang, wie so oft in der Musikwelt, seine Veredelung durch die menschliche Stimme findet, so diese sich sinnstiftend darüber zu erheben weiß. Das hatten die vier schon dem amerikanischen Publikum in grau melierten Pionierstücken des Musikvideos eindrucksvoll präsentiert. Laura Mann betrat nun – in Farbe – zur einführenden Moonlight Serenade die Bamberger Bühne und kokettierte, ebenso sehr Schauspielerin wie Sängerin, mit Augen und Ohren des Publikums, sprach von L.O.V.E. und inszenierte mit Stimme und Tanzbein den Evergreen All of Me.
Swing mit glanzvollen solistischen Einlagen
Auch wenn die Bigband-Spielerei bekanntlich eine akribische Teamleistung ist, verdankt sie doch einen gehörigen Anteil ihrer Glanzpunkte solistischen Einlagen, die mit ebenso viel durchdachtem Geschick wie Waghalsigkeit geführt werden müssen. Denn so wohl sich der Swing, geboren zwischen den weißbespannten Tischen und Kronleuchtern schillernder Tanzsäle, in einer dem ordnungsliebenden Ohr wohlmeinenden Weise zu Hause zu fühlen scheint, so gerne erteilt er seinen Musikern wilde, ungezügelte Marschbefehle. Marie Hoffmann und Oliver Herrmann (Saxophon), Mark Perakis (Trompete) und Wolfgang Christandl (Posaune) ließen sich dafür ins Rennen schicken und spurteten, mal ätherisch flüsternd, mal frei entflammt, als Windschattengeber ihrer Bandkollegen durch die Passagen von Airmail Special und St. Louis Blues.
Thilo Wolf zu Gast in Bamberg
Derweil betätigte sich Markus Schieferdecker an allen Fronten. Szenetypisch ist der Bandleader Dirigent, Solist und Moderator. In seinen aufregendsten Stunden ist er aber vor allem eines: Gastgeber. Er entscheidet, wer zu Besuch kommt und seiner Mannschaft für ein Konzert als Führungsspieler beitritt. Der Gast wiederum zeigt sich von seiner besten Seite und bemüht sich zu beweisen, dass die Entscheidung richtig war. Thilo Wolf erbrachte den Beweis in Sekundenschnelle. Der Pianist, Schlagzeuger und Bandleader aus Fürth wurde am Piano vorstellig und vollführte darauf ein minutenlanges Intro zu einem der größten Swing-Klassiker schlechthin: It don’t mean a thing. Sein Spiel verdichtete das sanfte Perlen einer träumerischen Kadenz zu Kaskaden chromatischer Sprints und rasch wechselnder Cluster, nahm die versammelte Band unterwegs huckepack und swingte mit ihr der nächsten Runde Soli entgegen.
Rollenwechsel im Jazz
Hernach plauderten Thilo Wolf und Markus Schieferdecker als langjährige Kollegen aus ihrem gemeinsamen Anekdotenfundus und scherzten über ihren Rollenwechsel. Für gewöhnlich steht Schieferdecker in der Thilo Wolf Big Band am Kontrabass. Aber so streng scheint man es im Jazz mit der Sitzverteilung nicht zu nehmen. Deshalb übergab Wolf das Klavier an Marius Holland, um seinerseits ans Schlagzeug zu wechseln. Für die anschließende Version von Take the A Train versammelten sich neben den dreien noch Bandgründer Roland Kocina am Saxophon und Mark Perakis an der Trompete auf der Bühne und feierten im Quintett ein ungezwungenes Generationentreffen. Räumlich gewiss ähnlich herausfordernd wie musikalisch. Schließlich hatte man neben der Percussiongruppe nicht weniger als drei Drumsets aufgebaut, um mit Thilo Wolf und seinen drei studentischen Kollegen in die Schlussrunde zu starten. Beginnend mit dem Count Basie-Klassiker April in Paris entspann sich ein eifriger Wettstreit an den Fellen, keinen Zweifel daran lassend, dass es mit einer legeren Gangart spätestens jetzt vorbei sei. Hohe Tempi und eine mitunter sekündlich wechselnde Solistenposition im musikalischen Dialog, gefolgt von synchronen Wirbelcrescendi auf der Snare Drum trieben die Bläser durch Caravan und Sing, sing, sing.
Roland Kocina beendete das Konzert an der Klarinette und ließ in Vertretung seines instrumentalen Kollegen Benny Goodman ein paar vollmundige Klarinettentöne warm von den holzvertäfelten Wänden tropfen: Goodbye.