Tina Morcinek/Universität Bamberg

Linguisten-Language: Die meisten Vorträge wurden auf Englisch gehalten.

Tina Morcinek/Universität Bamberg

Dass sich Deutschlehrer mehr mit Grammatik befassen sollten, forderte der Bamberger Ehrendoktor Peter Eisenberg.

Tina Morcinek/Universität Bamberg

Im Tagungsbüro spielte Sprache ebenfalls eine große Rolle, auch in gedruckter Form: Renommierte Wissenschaftsverlage stellten ihre Bücher aus.

Tina Morcinek/Universität Bamberg

Christian Rathmann trug in britisch-englischer Gebärdensprache vor; Dolmetscherinnen übersetzten simultan in deutsche Gebärdensprache und englische Lautsprache.

- Tina Morcinek

Sprache – mehr als „Gekräusel an der Oberfläche“

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft in Bamberg

Es gibt zwischen 6000 und 7000 Sprachen auf der Welt – ein reiches Betätigungsfeld für Linguisten, um Sprachen zu erforschen, zu beschreiben und Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuspüren. Entsprechend vielfältig gestaltete sich das Programm der 30. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS).

Die DGfS feierte in Bamberg ein Jubiläum: Vor 30 Jahren wurde die Gesellschaft gegründet und hat sich mittlerweile zur mitgliederstärksten deutschen Fachvereinigung für Sprachwissenschaft entwickelt, deren Publikationen, Sommerschulen und Veranstaltungen überall in der Welt Resonanz finden.

Fast alle Teile der Welt waren auf der Bamberger Tagung vertreten. Die insgesamt 540 Teilnehmer reisten aus den USA, aus Japan, Saudi-Arabien, Argentinien, Israel, Südafrika, Skandinavien und Australien an, um sich drei Tage lang über die unterschiedlichsten linguistischen Fragestellungen auszutauschen. Der internationale Charakter der Konferenz zeigte sich auch in den Vorträgen, die meist auf Englisch gehalten wurden.

Dreizehn Arbeitsgruppen befassten sich mit Vergleichen auf den verschiedenen Ebenen von Sprache – Phonetik/Phonologie, Morphologie und Syntax. Die Arbeitsgruppe „Sprachwandelvergleich“ beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, warum der Gebrauch des Konjunktivs in der Entwicklung vom Althochdeutschen zum Neuhochdeutschen stetig zurückging, während er in einer anderen indogermanischen Sprache, dem Lateinischen, zunahm. Auftakt und Schlusspunkt der Konferenz bildeten vier Vorträge von prominenten deutschen und US-amerikanischen Sprachwissenschaftlern, darunter Prof. Dr. Joan Bresnan von der Stanford University in Kalifornien und Prof. Dr. Sarah Grey Thomason von der University of Michigan.

Möglichkeiten der Linguistik im Unterricht

Im Rahmen der „Lehramtsinitiative“ im Vorfeld der Tagung suchte Prof. em. Dr. Peter Eisenberg, dem im vergangenen Sommer die Ehrendoktorwürde der Universität Bamberg verliehen worden war, Antworten auf die Frage, von welchem Nutzen die Sprachwissenschaft für Lehrerinnen und Lehrer als auch in der Lehrerausbildung sein kann. Nicht nur Deutschlehrer müssten über linguistische Kenntnisse verfügen, um das Sprachverhalten der Schüler zu entwickeln – auch für Fremdsprachenlehrer seien profunde Kenntnisse über die Struktur des Deutschen von Vorteil, um mit den Schülern Sprachvergleiche, zum Beispiel zwischen grammatischen oder prosodischen Strukturen anzustellen, so Eisenberg. Sein Fazit: Künftige Deutschlehrer sollten sich in der Ausbildung explizit mit Grammatik beschäftigen, um den Schülern später anhand geeigneten Materials Zugang zu implizitem Sprachwissen verschaffen zu können.

Universale Sprachelemente

In einem der beiden Abschlussvorträge sprach Prof. Dr. Wolfgang Klein, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in Nijmegen, über das „Universale der Sprache“ – die Eigenschaften, die allen Sprachen gemein sind. Klein eröffnete seinen Vortrag mit Heraklit von Ephesos: „In gewisser Weise ist Sprache gleich Denken, so dass alle Menschen in gewisser Weise eine Sprache sprechen.“ Klein verwies hier auf die Schwierigkeit der Übersetzung dieses altgriechischen Zitats in andere Sprachen und die daraus resultierenden unterschiedlichen Interpretationen.

Wie verhält man sich nun zur Sprachenvielfalt auf der Welt? Die alten Griechen hatten die einzelnen Sprachen als „Gekräusel an der Oberfläche“ mit einem immer gleichen zugrunde liegenden System bezeichnet, so Klein. Eine andere Sichtweise nehme bestimmte Sprachen nicht ernst, zum Beispiel wenn sie – im Gegensatz zum Griechischen oder Lateinischen – über wenig bis kaum Flexionsmorphologie verfügen, wie etwa das Chinesische. Da es nur sehr wenige anerkannte grundlegende Gemeinsamkeiten aller Sprachen (sogenannte „Universale“) gibt, folgerte Klein, das wirklich Interessante für Linguisten seien gerade die Unterschiede der Sprachen und die Frage, wie diese Unterschiede entstanden sind.

Gebärdensprache als eigene Sprache

Eine andere Arbeitsgruppe versammelte Beiträge rund um das Thema „Gestik in Laut- und Gebärdensprachen“. Erst seit relativ kurzer Zeit wird die Gebärdensprache als eigene Sprache anerkannt. Inwieweit unterscheiden sich Gesten in Lautsprachen, also die so genannte „nonverbale Kommunikation“, und Gebärden in Gebärdensprachen? Mit dieser Frage befasste sich Dr. Christian Rathmann aus Bristol, der seinen Vortrag in britisch-englischer Gebärdensprache hielt, die für die Zuhörer von Dolmetscherinnen einerseits in deutsche Gebärden, andererseits in englische Lautsprache simultanübersetzt wurden.

Unterstützung erfuhr die Tagung nicht nur offiziell durch die Stadt Bamberg, sondern auch inoffiziell durch seine Bürger: So ermöglichte ein Elektronikfachgeschäft einem israelischen Konferenzteilnehmer, noch nach Ladenschluss ein für das deutsche Stromnetz geeignetes Notebook-Kabel zu erwerben, damit dieser seinen Vortrag halten konnte. Entsprechend positiv fiel die Resonanz der Tagungsteilnehmer aus, sowohl was die Arbeit des Organisationsteams als auch den Tagungsort Bamberg betraf.