„Eine Sprache zu erlernen ist ein hochkomplexer Prozess“
Prof. Dr. Theresa Summer hat seit April 2021 die Juniorprofessur für Fachdidaktik Englisch an der Universität Bamberg inne. Sie hat selbst einige Jahre als Realschullehrerin für die Fächer Englisch und Musik gearbeitet. Für die 38-Jährige ist der Beruf eine anspruchsvolle Aufgabe, die Spaß macht und mit der ein wertvoller Beitrag zur Gesellschaft geleistet wird. Im Interview erzählt sie, warum man heute ihr Fach studieren sollte, zu welchen Schwerpunkten sie forscht und warum der Englischunterricht den Interessen der Schülerinnen und Schüler noch gerechter werden muss.
Warum sollte man heute Ihr Fach studieren?
Ich denke, dass man als Lehrkraft einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Lehrerin oder Lehrer zu sein ist ein wundervoller und anspruchsvoller Beruf. Und gerade die Fachdidaktik Englisch ist ein zentraler Baustein im Lehramtsstudium. Es ist wichtig zu erkennen, dass eine Sprache zu erlernen ein hochkomplexer Prozess ist. Die Fachdidaktik gibt Werkzeuge an die Hand, um diesen Prozess zumindest im Ansatz zu verstehen. Außerdem ist Englisch eine enorm wichtige Sprache. Etwa zwei Milliarden Menschen auf der Erde sprechen Englisch entweder als Mutter- oder als Zweitsprache. Als Lehrkraft kann ich den Kindern helfen, in dieser Sprache möglichst kompetent zu werden.
Und wie sind sie selbst Lehrerin geworden beziehungsweise zur Fachdidaktik Englisch gekommen?
Ich bin zwar in Deutschland geboren, aber ab dem Alter von elf Jahren in England aufgewachsen. So bin ich schon früh mit der Sprache in Berührung gekommen und fühle mich heute als halbe Engländerin. Nach dem Schulabschluss habe ich zunächst ein Jahr Geographie in Großbritannien studiert. Das hat aber nicht so gut zu mir gepasst. Mit 19 bin ich für das Lehramtsstudium zurück nach Deutschland gegangen. Das war eine spontane Entscheidung, die ich nie bereut habe. Nach meinem Studium und der Promotion in der Fachdidaktik Englisch habe ich dann fünf Jahre als Realschullehrerin für Englisch und Musik gearbeitet und hatte anschließend für viereinhalb Jahre eine Abordnung an die Universität Würzburg für Fachdidaktik Englisch. Nun bin ich in Bamberg.
Wie war Ihr erster Eindruck von der Stadt und Universität Bamberg?
Als ich zum ersten Mal über den Heumarkt in Bamberg gelaufen bin, war ich überrascht von der Botero-Skulptur „Frau mit Frucht“. Fernando Boteros Werke kenne ich von Reisen nach Kolumbien. Für mich ist die Skulptur ein Zeichen für die Internationalität und Aufgeschlossenheit der Stadt. Dieser Eindruck hat sich bisher auch bestätigt. Die Bambergerinnen und Bamberger sind sehr aufgeschlossen und freundlich und an der Universität herrscht eine familiäre Atmosphäre.
Zu welchen Schwerpunkten forschen Sie?
Im Wesentlichen forsche ich in drei Bereichen. Der erste Schwerpunkt dreht sich um Popkultur und popkulturelle Artefakte. Dabei stelle ich mir die Frage, wie man aktuelle Musik, YouTube-Videos, aber auch Social-Media-Texte gewinnbringend in den Unterricht einbauen kann. Der zweite Bereich beschäftigt sich mit Bildung für nachhaltige Entwicklung. Gerade seit der Fridays for Future-Bewegung ist das Thema bei den Schülerinnen und Schülern präsenter denn je. Es geht dabei vor allem um die Frage, wie Lehrpersonen Umweltthemen im Englischunterricht thematisieren können, um so globale Kompetenzen zu fördern. Die Kritische Fremdsprachendidaktik ist mein dritter Forschungsschwerpunkt. Das Thema ist in Deutschland und Europa noch recht neu. Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, sich kritisch mit Texten und Botschaften auseinanderzusetzen und so eingebettete Diskriminierungen zu erkennen. Vergangenen Sommer habe ich dazu mit Kolleginnen und Kollegen auch eine Umfrage durchgeführt.
Können Sie mehr zu dieser Umfrage im Bereich der Kritischen Fremdsprachendidaktik erzählen?
Hintergrund der Umfrage ist, dass im Englischunterricht an Schulen kaum kontroverse Themen aufgearbeitet werden. In der deutschlandweiten Onlineumfrage haben wir rund 800 Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren zu Tabuthemen befragt – inwiefern ihnen diese Themen in der Freizeit begegnen und inwieweit sie sich wünschen würden, dass diese Themen im Unterricht vorkommen. Zu diesen Tabuthemen zählen zum Beispiel Drogen, Gewalt, Krankheit, Sex, Rassismus oder Verschwörungstheorien. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass 90 Prozent der befragten Personen es wichtig oder sehr wichtig finden, sich mit solchen Themen im Unterricht auseinanderzusetzen. Hier zeigt sich eine Kluft zwischen dem, was junge Menschen interessant finden und für gesellschaftlich relevant halten und dem, was ihnen teilweise noch im Unterricht angeboten wird. Denn gerade über Soziale Medien sind Jugendliche vermehrt mit diesen Themen konfrontiert. Ein aktuelles Beispiel ist hier die Black Lives Matter-Bewegung innerhalb des großen Themenkomplexes Rassismus.
Was ist Ihnen in der universitären Lehre besonders wichtig?
Mein Hauptinteresse ist natürlich, die Leidenschaft und Begeisterung für den Beruf als Lehrerin oder Lehrer weiterzugeben. Dabei ist mir besonders der Bezug von Theorie und Praxis wichtig. Ich möchte die angehenden Lehrkräfte dazu befähigen, kooperativ als Teamplayer zu arbeiten. Das ist für den späteren Beruf essentiell, weil die gemeinsame Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen mehr Freude bereitet und bereichernd für die eigene Berufspraxis ist. Außerdem möchte ich Themen vermitteln, die aktuell und zukünftig sehr relevant sind, also beispielsweise Diversitätsthemen.
Vielen Dank für das Interview!