E-Government – Elektronische Regierung mit Zukunft?
Ryosuke Ando, 31 Jahre, ist Beamter im japanischen Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation. Dort hatte er sich nach seinem Studium der Rechtswissenschaften 2002 "aus Interesse" und weil er "für die Allgemeinheit" arbeiten wollte, beworben und wurde eingestellt. Im Ministerium durchlaufen einige Beamte ein Programm, das unter anderem zwei Jahre Auslandsaufenthalt vorschreibt. Dabei können sie ihre Tätigkeit im „Gastland“ frei wählen. Ando entschied sich für ein Studium, um "selbstständig zu forschen" und etwas für sich zu tun, "anstatt für andere Leute zu arbeiten".
Derliens Vorlesungen und Forschungsprojekte
Während der High-School-Zeit hatte er Deutsch gelernt und deshalb endschied er sich für Deutschland als Auslandsstation. Ausschlaggebend für ein Studium an der Universität Bamberg war die Empfehlung eines japanischen Professors für die Universität sowie die Arbeit des inzwischen verstorbenen Bamberger Professors Hans-Ulrich Derlien. Der ehemalige Lehrstuhlinhaber für Verwaltungswissenschaft beschäftigte sich besonders mit den Karriereverläufen der Spitzenbeamten in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Für Ando war besonders Derliens empirische Herangehensweise an die Probleme der öffentlichen Verwaltung mit exakt erhobenem Zahlenmaterial interessant. Er empfand diese als „sehr nützlich für seine Forschung am „E-Government“-System. So immatrikulierte sich der Japaner im August 2009 als Gaststudent für ein Studium ohne Abschluss. Dabei besucht er ausschließlich die verwaltungswissenschaftlichen Vorlesungen und Seminare. Betreut wird er dabei von den Lehrstuhlmitarbeitern Dipl.-Pol. Markus Heindl und Dipl.-Pol. Doris Böhme.
Neben dem Studium forscht Ando am Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft an dem Thema „E-Government“. Mit elektronischen Informations- und Kommunikationstechniken sollen Behördengänge der Bürger und Unternehmen vermindert werden und gleichzeitig die Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern sowie Unternehmen vereinfacht werden. Ein Beispiel für einen solchen Prozess ist das System „e-Tax“, mit dem Steuererklärungen elektronisch ausgefüllt werden können. Der Gaststudent untersucht, ob und inwieweit „E-Government“ in Deutschland ausgebaut ist und von den Bürgern in Anspruch genommen wird. Außerdem stellt er einen Vergleich zu Japan her, um eventuelle Verbesserungen am „E-Government“-System in seiner Heimat vorzunehmen.
Medizinische Behandlung via IT-Technologie
Die Verbesserung der Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern ist ein Thema, mit dem sich Ando bereits in Japan beschäftigt hat. Zuletzt arbeitete er als Gruppenleiter am System für die Förderung medizinischer Behandlung via IT-Technologie, die elektronische Behandlung von Patienten. Diese „kommunizieren per Kamera mit einem Arzt und werden von diesem aufgeklärt über Diagnose und weiteres Vorgehen“, erläutert er. Bei den Bürgern findet das System Zuspruch. „Aber die Ärzte sorgen sich um die Qualität der Diagnose, obwohl diese ebenso exakt wie eine Face-to-face-Diagnose ist.“ Ando sorgt dabei für die Erprobung des Systems in der Bevölkerung. Diese Abteilung ist bereits die vierte in seiner siebenjährigen Berufslaufbahn. Im Ministerium müssen Beamte fast alle zwei Jahre die Abteilung wechseln. „So soll Korruption verhindert werden“, stellt Ando klar. Für den Wechsel kann man einen Wunsch mitteilen, „aber man möchte sich natürlich an jeder Stelle um gute Leistungen bemühen, auch wenn man nicht in seine Wunsch-Abteilung kommt“.
Harmoniegedanke unter den Kollegen
Der Arbeitsalltag im Ministerium ist hart und mit seinem Studium in Bamberg überhaupt nicht vergleichbar. In Japan arbeitet er ungefähr zwölf Stunden am Tag, manchmal von „halb zehn bis zwei oder drei Uhr nachts.“ Den Feierabend lassen die Kollegen ab und zu mit dem Chef gemeinsam ausklingen. „Wir gehen dann Essen und Trinken und spielen Karaoke“, erzählt Ando. Letztlich bleiben ihm dann etwa drei bis vier Stunden Schlaf. Dieses stark ausgeprägte Familiengefühl unter den Kollegen gilt als Besonderheit in Japan. Der Beruf nimmt einen höheren Stellenwert ein als die Familie. Gegenseitige Kontrolle und Teamgeist sollen durch das ständige Beisammensein gefördert werden. „Harmonie hat einen hohen Stellenwert und Konfliktsituationen sind nicht erwünscht.“
Das Kleinstadtambiente in Bamberg und die guten Forschungsmöglichkeiten an der Universität lassen keine Wünsche offen und bieten dem Japaner eine willkommene, berufliche „Verschnaufpause“. Wenn er seine verwaltungswissenschaftlichen Seminare von Heindl und Böhme besucht, dann weiß Ryosuke Ando: „Jetzt habe ich Zeit für mich und kann meinen Interessen folgen.“ Ein halbes Jahr bleibt ihm noch für die Forschung an „E-Government“. Dann enden seine zwei Jahre Auslandsaufenthalt und er kehrt mit Ergebnissen und möglichen Verbesserungsvorschlägen für das japanische „E-Government“ in seine Heimat zurück. Dort erwartet ihn dann wieder das „anstrengende, aber interessante“ japanische Berufsleben.