„Kein Stau auf dem Weg ins Ausland“
Welche Herausforderungen kommen auf das Akademische Auslandsamt mit dem doppelten Abiturjahrgang zu?
Wir wissen seit Anfang Oktober, wie viele Studierende tatsächlich ein Studium in Bamberg begonnen haben – und dass gerade die auslandsbezogenen Studiengänge besonders beliebt waren, also Internationale BWL und European Economic Studies (EES). Diese zwei Studiengänge alleine zählen schon über 550 Erstsemester-Studierende, die alle ein Jahr ins Ausland müssen. Dazu kommen noch 700 Studierende der Betriebswirtschaftslehre, von denen normalerweise auch ein großer Teil ins Ausland will. Und dann müssen wir noch die Studierenden der anderen Fakultäten berücksichtigen – die ja in diesem Rekordjahr auch nicht weniger geworden sind. Bisher musste ein gutes Drittel der Bewerber gemäß ihrer Studienordnung verpflichtend ins Ausland fahren. Dieses Verhältnis wird sich voraussichtlich etwas verschieben, was jedoch für die freiwilligen Bewerber kein Nachteil sein wird.
Im Augenblick betreuen wir jährlich zwischen 400 und 500 Studierende aus Bamberg durch unsere Austauschprogramme. In einem Jahr müssen wir dagegen mit ungefähr 1.000 Bewerbern rechnen, also mit doppelt so vielen Studierenden wie sonst. Das können wir nicht einfach nebenher erledigen: In der Zeit, bis sie in ihrem dritten Studienjahr ins Ausland gehen, können wir natürlich keine neue Autobahn bauen, aber wir können überlegen, wie wir auch die Standspur nutzen können, um einen Stau zu vermeiden – und das haben wir gemacht.
Jetzt ist es wichtig, den Studierenden, die sich angesichts des doppelten Abiturjahrgangs Sorgen um ihren Auslandsaufenthalt machen, eine realistische und positive Perspektive zu bieten. Das können wir. Auf der anderen Seite wollen wir die Studierenden aber auch dafür sensibilisieren, dass sie erstens bei der Planung aktiv mithelfen müssen, damit alle einen unvergesslichen Auslandsaufenthalt bekommen, und dass zweitens nicht jeder automatisch mit einem Stipendium dafür rechnen kann.
Welche Perspektiven sehen Sie?
Wir haben sofort und in Absprache mit der Universitätsleitung und den Fakultäten reagiert und mehrere Strategien parallel erarbeitet: Das Bewerbungsverfahren wird sich stark verändern. Damit es möglichst reibungslos läuft, haben wir unser Personal für die Austauschprogramme fast verdoppelt. Zusätzlich ist eine neue Software im Gespräch, mit der die Bewerbung digital erfasst und einfach und schnell bearbeitet werden kann.
Normalerweise hatten wir immer zwei Bewerbungstermine für die Austauschprogramme – einen für Übersee und einen für die Europa-Programme. Mit 1.000 Bewerbern geht das nicht mehr, weil das Auswahlverfahren sonst zu lange dauern würde. Es wird deswegen ab dem WS 2012/13 nur noch einen Termin für alle Programme geben, den 1. Dezember. Ich schätze, dass wir dann für bis zu etwa 500 Studierende ein Stipendium anbieten können – d.h. einen Gebührenerlass an den Partnerhochschulen und für viele zusätzlich noch ein Mobilitätsstipendium im Rahmen des Erasmus-Programms in Europa. Bis Ende Januar 2013 wollen wir den Studierenden mitteilen, ob sie im Rahmen der Austauschprogramme einen Platz bekommen haben und mit einem Stipendium ins Ausland gehen können, oder ob sie sich selbstständig um einen Studienplatz im Ausland bewerben müssen. Zeit genug dafür haben wir dann noch und auch diese Studierenden bekommen natürlich Hilfe von uns.
Welche Möglichkeiten haben denn diejenigen, die kein Stipendium bekommen?
Wir haben die letzten Wochen bereits dazu genutzt, Kontakte zu weiteren ausländischen Universitäten zu knüpfen. Diese können uns zwar keine Austauschprogramme anbieten, aber doch sehr attraktive Rabatte für die Studiengebühren. Das betrifft vor allem die angloamerikanischen Länder, in die unsere Studierenden besonders gerne gehen. Diese Vorliebe ist insofern etwas problematisch, weil wir schon immer mehr Andrang bei unseren Studierenden hatten als umgekehrt. Für einen Austausch müsste nämlich ein ausländischer Studierender genug Sprachkenntnisse haben, um hier in Deutschland studieren zu können – und wollen muss er es außerdem auch noch. Darüber hinaus haben gerade die angloamerikanischen Länder leider die teuersten Studiengebühren der Welt.
Woran liegt das?
Präsident Godehard Ruppert erklärte erst vor kurzem beim Dies academicus, Bildung sei keine Ware und solle es auch nicht werden. Das stimmt für Deutschland, im Ausland ist sie es inzwischen aber, und zwar fast überall. Diese Erfahrung werden die Studierenden machen müssen. In den USA und Großbritannien nennt man den Bildungsbereich heute schon die „educational industry“. Die Briten haben ihre Studiengebühren innerhalb weniger Jahre zwei Mal verdreifacht. Es gibt in den angloamerikanischen Ländern kaum noch eine Universität, an der man unter 10.000 Euro pro Studienjahr einen Platz bekommt – und nach oben sind die Grenzen offen.
Wie wollen Sie trotzdem Studierende in diese Länder vermitteln?
Wir basteln schon jetzt an attraktiven Programmen, die nicht über einen Austausch laufen. Derzeit führen wir Gespräche mit je einer Universität in den USA, in England, Kanada und Schottland. Diese Unis sind bereit, jeweils etwa 15 bis 20 Studierende mit vergünstigten Studiengebühren aufzunehmen, also insgesamt 60 bis 80 Studierende. Ein Rechenbeispiel: Eine der Universitäten ist eine kleine, aber feine Privatuniversität in den USA, an der ein Studienjahr normalerweise 30.000 Dollar kostet. Unsere Studierenden könnten für ein Drittel, also für 10.000 Dollar bzw. zurzeit etwas über 7.000 Euro dort ein Jahr studieren. Das ist immer noch sehr viel Geld. Wer sich aber den Traum von einem Studium in Amerika erfüllen möchte, der muss wissen, dass es den dort nicht geschenkt gibt. Diese ermäßigten Gebühren ermöglichen aber immerhin ein paar Studierenden mehr, ein solches Studienjahr in Betracht zu ziehen – zumal BAföG-Empfänger beantragen können, dass ihnen nach dem jetzigen Stand bis zu 4.600 Euro an Studiengebühren erstattet werden.
Welche Möglichkeiten gibt es im nicht angloamerikanischen Raum?
In anderen Ländern ist das Studium in der Regel nicht so teuer, beispielsweise an staatlichen Universitäten in Spanien oder in Frankreich, wo die Gebühren häufig noch unter dem Satz liegen, den man zurzeit in Bayern zahlen muss. Allerdings sollten die Studierenden bedenken, dass ein Auslandsaufenthalt schnell ein kostspieliges Vergnügen werden kann, wenn man unbedingt in eine große Metropole möchte. In London zahlt man für ein Zimmer im Studentenwohnheim 700 bis 800 Euro im Monat – das ist einfach viel teurer als in Bamberg. Ein Auslandsaufenthalt in einer kleineren Stadt ohne Stipendium ist also oft billiger als ein Studium in einer Metropole mit einem Stipendium. Es gibt in Frankreich und Spanien durchaus Universitäten, an denen die Studiengebühren und Lebenshaltungskosten nicht wesentlich höher sind als in Bamberg, aber eben nicht in Paris oder Madrid.
Was müssen die Studierenden jetzt beachten?
Zuerst sollten sie alle Informationsmöglichkeiten nutzen, die wir ihnen bieten: die Informationsabende, die Broschüren und unsere Internetseite. Dann sollten sie verstehen, dass die Initiative für ihren Auslandsaufenthalt von ihnen selber kommen muss: Wer sich nicht um einen Studienplatz und ein Stipendium bewirbt, der bekommt auch keines von beiden. Und gerade im kommenden Jahr ist es wichtig, die Bewerbungsfrist unbedingt einzuhalten. Bereits im Vorfeld der Bewerbung muss jeder selber überlegen: Wo möchte ich ein Jahr nicht nur studieren, sondern auch leben? Welche Partneruniversitäten kommen dafür in Frage? Wie viel Geld habe ich für meinen Auslandsaufenthalt zur Verfügung? Werden meine Sprachkenntnisse ausreichen?
Wie sieht das Bewerbungsverfahren aus?
Ob es mit einem Platz in den Austauschprogrammen und damit mit einem Stipendium klappt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Stipendien werden grundsätzlich nach Leistung vergeben, und nicht nach dem Studienfach. Für uns zählt, ob die Studierenden sich bisher im Studium bewährt haben und ob sie gute Ideen haben: Sie müssen eine Antragsbegründung schreiben und darin klarmachen, warum wir sie ausgerechnet in dieses Land an diese Universität schicken sollen – und das auch noch mit einem Stipendium. Darüber sollte man sich Gedanken machen. Eine Antragsbegründung, in der steht „Ich muss laut Prüfungsordnung ins Ausland, also organisiert mir etwas“ – das reicht nicht …
Wie sehen Sie die Zukunft?
Es ist eine große Herausforderung, den doppelten Abiturjahrgang zu betreuen, aber ich bin wirklich optimistisch. Die Weichen haben wir gestellt. Wenn die Studierenden jetzt noch mitziehen, dann werden wir diesen großen Schwung an Studierenden gut über die Autobahn und unsere zusätzliche Standspur ins Ausland bekommen, ohne dass es zu einem Stau kommt. Und wer weiß, vielleicht knacken wir dann ja tatsächlich die Tausender-Marke an Auslandsaufenthalten in einem Jahr?