Inklusion: Wie Kinder von- und miteinander lernen können
„Inklusion ist ein Querschnittsthema, das in allen Bildungsbereichen eine große Rolle spielt“, erklären die Sprecher des Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung Bamberg (ZLB), Prof. Dr. Anna Susanne Steinweg und Prof. Dr. Konstantin Lindner. Um das Thema stärker in die Lehramtsbildung einzubringen, hat das ZLB am 1. September 2018 dafür ein Referat eingerichtet. Erika Fischer ist dort seitdem als abgeordnete Lehrkraft tätig: Sie entwickelt ein Konzept für inklusive Lehrerinnen- und Lehrerbildung, hält eigene Lehrveranstaltungen ab und berät Dozentinnen und Dozenten. Nach einem halben Jahr zieht sie nun eine erste Zwischenbilanz.
Neue Herausforderungen für Lehrkräfte
Inklusion bedeutet für Erika Fischer nicht nur, Kinder mit Behinderung an Regelschulklassen zu unterrichten. Sie bezieht den Begriff auf alle Kinder und Jugendlichen, die sich in ihren Leistungen, kulturell, ethnisch, religiös und sozial voneinander unterscheiden. Seit 2011 steht im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG), dass inklusiver Unterricht Aufgabe aller Schulen sei. „Die wenigsten der werdenden Lehrkräfte sind selbst an inklusiv orientierten Schulen groß geworden, aber sie müssen später dort unterrichten“, merkt Erika Fischer an. „Das ist eine Herausforderung, auf die wir sie im Zuge ihres Professionalisierungsprozesses bereits in der ersten Phase der Lehramtsbildung bestmöglich vorbereiten möchten.“
Über 20 Jahre war Erika Fischer als Lehrerin für Förderpädagogik an verschiedenen Schulen in Oberfranken tätig, zum Beispiel an der Von-Lerchenfeld-Schule Bamberg, dem Förderzentrum für Hören. Dieses Praxiswissen setzt die abgeordnete Lehrkraft in den Kontext von theoretischen Modellen und wissenschaftlichen Ergebnissen und bringt es in den nächsten fünf Jahren in die Lehre ein. Ihr Wunsch ist, dass sich das Denken zum Thema Umgang mit Vielfalt in der gesamten Gesellschaft ändert: „Schulen bilden das Leben ab. Leben ist Vielfalt und zu unserer Gesellschaft gehören alle dazu, auch Menschen mit Hochbegabung oder Behinderung oder mit anderen Heterogenitätslinien.“
Studierende können inklusive Lehrveranstaltungen besuchen
Erika Fischer bringt ihre universitären Erfahrungen, die sie unter anderem als Lehrbeauftragte an der Ludwig-Maximilians-Universität München gesammelt hat, in ihre inklusionsbezogenen Lehrveranstaltungen an der Universität Bamberg ein. Die ersten Seminare zu barrierefreiem Unterricht und inklusiver Unterrichtsplanung hat sie bereits angeboten, im Sommersemester 2019 folgen weitere zum didaktischen Umgang mit Heterogenität. Lehramtsstudierende aller Schularten lernen darin, die Unterschiedlichkeiten der Schülerinnen und Schüler zu erkennen und Lernangebote gezielt daran auszurichten.
„In inklusiven Schulen ist ein hervorragendes Klassenklima möglich, weil sich Schülerinnen und Schüler in den Unterschieden annehmen und bereichern können. Durch förderdiagnostische Differenzierung, kompetenzorientierte Individualisierung und Bewertung kann jedes Kind einen Lernzuwachs in seinem Tempo erreichen“, erklärt die ZLB-Mitarbeiterin. Als Beispiel für eine einfach durchzuführende Differenzierung nennt sie kooperative Lernformen: Die Lesefähigkeit kann etwa durch Lesetandems individuell gefördert werden. In diesen übernehmen zwei Leser mit unterschiedlich ausgeprägter Lesekompetenz die Verantwortung für den gemeinsamen Leseerfolg. Diese und andere Maßnahmen inklusiver Didaktik werden durch wissenschaftliche Studien belegt und kritisch beleuchtet. Erika Fischer kooperiert mit verschiedenen Dozentinnen und Dozenten, um Inklusion in weitere Lehrveranstaltungen in den Bildungswissenschaften, den Fachdidaktiken und auch in den Fachwissenschaften einzubringen.
Ein gemeinsamer Lernort für Studierende und ausgebildete Lehrkräfte
Gemeinsam mit einem Team der Universität Bamberg erarbeitet sie ein Konzept für inklusive Bildung von Lehrerinnen und Lehrern. Das Konzept beschreibt, wie das Thema Inklusion in alle Teilbereiche der Lehramtsbildung eingebracht werden kann, auch in das lebenslange Lernen. Die bereits vorhandenen Fortbildungsangebote am ZLB denkt Erika Fischer weiter: „Eine mögliche Zukunftsvision ist ein Ort im ZLB, an dem die Studierenden zusammen mit ausgebildeten Lehrkräften inklusive Fälle besprechen, verschiedene Förderbedarfe diagnostizieren und Material vorbereiten.“ Sie möchte Praktika an Förderzentren oder an Schulen mit dem Profil Inklusion ermöglichen und sie wirkt bei verschiedenen Projekten mit, die die Universität noch barrierefreier machen. Zum Beispiel werden zentrale Teile der universitären Homepage für hör- und sehbehinderte Menschen leichter zugänglich gemacht.
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus fördert das Projekt BAS!S, das Erika Fischer und neun weitere Förderschullehrkräfte in ihrer Arbeit an bayerischen lehrerbildenden Universitäten unterstützt. Voraussichtlich ab September 2019 tritt im ZLB-Referat Inklusion eine weitere Kollegin dauerhaft eine Stelle an: Sie konzipiert und organisiert das neue Erweiterungsstudium Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf.