Plädoyers gegen den Maximierungswahn
Der Hochschultag Ökosoziale Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit ist auf dem besten Wege, eine feste Institution im Bamberger Universitätsleben zu werden. In Vorträgen, Diskussionen und Workshops konnten die Teilnehmenden der Frage nachspüren: Welchen Beitrag kann ich zu einer nachhaltigeren Gesellschaft leisten?
„Was nun – was tun?“ stand in großen grünen Lettern auf den Plakaten zum dritten Bamberger Hochschultag für Ökosoziale Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit. Erstmals konnten sich Studierende und interessierte Bürgerinnen und Bürger gleich an zwei Tagen, am 24. und 25. Juni, mit konkreten Fragen zum Thema des Hochschultags beschäftigen: Wie kann jeder Einzelne aktiv werden für ein nachhaltigeres Leben? Was ist ein gutes Leben? Wie funktioniert „verantwortungsvoller Konsum“? Wie genussvoll kann ein einfaches, womöglich sogar weitgehend geldfreies Leben sein?
Um Antworten auf diese Fragen drehte sich alles bei diesem Hochschultag, veranstaltet vom Praxisforum an der Universität Bamberg – Arbeitskreis für Wirtschaft und Wissenschaft e.V. in Kooperation mit der studentischen Hochschulgruppe Change e. V.. In Ergänzung zu den Vorträgen renommierter Experten und den Diskussionsrunden fanden zwei Workshops statt. Inhaltlich sind die Hochschultage ein Gemeinschaftsprojekt aus der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, jedoch adressiert an die gesamte Hochschulöffentlichkeit und darüber hinaus. „Wir freuen uns, dass auch die Studierenden von der Planung bis hin zur Durchführung so viel Verantwortung unternehmen“, so die BWL-Professoren Johann Engelhard, Björn Ivens und Frank Wimmer als Mitorganisatoren. Neben Change e.V. beteiligten sich auch Studierende der Initiative Foodsharing Bamberg.
Nachhaltigkeit als Thema von Forschung und Lehre
Präsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert unterstrich in seiner Begrüßung die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit: „Als Universität verfolgen wir einen Bildungsauftrag – dieser muss zwangsläufig mit Nachhaltigkeit verbunden sein.“ Gleichwohl machte er deutlich, dass Fragen der Nachhaltigkeit bislang eine vergleichsweise geringe Rolle in Forschungs- und Lehrtätigkeiten an deutschen Hochschulen spielen. Umso wichtiger seien daher Institutionen wie die Bamberger Hochschultage: „Die Hochschultage können über den Akt der Bewusstseinsbildung in die Universität hineinwirken, so dass Fragen der Nachhaltigkeit künftig verstärkt in Forschung und Lehre eingebunden werden.“
Kirche als Mitgestalterin ökologisch verantwortungsvoller Entwicklung
Den Eröffnungsvortrag des 3. Bamberger Hochschultags hielt Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland Dr. Heinrich Bedford-Strohm. Im vollbesetzten Hörsaal – noch auf den Treppenstufen lauschten gespannte Zuhörerinnen und Zuhörer – reflektierte er darüber, was es heißt, gut zu leben: „Diese Frage ist nicht nur eine ethische, sie hat auch eine globale Dimension. Denn wenn wir sie auf Basis der Werte des westlichen Konsums beantworten, wäre der Kollaps vorprogrammiert, “ so Bedford-Strohm. „Schon heute benötigt die Menschheit für ihren Konsum und Lebensstil etwa eineinhalb Erden. Bei bloßer Fortschreibung des gegenwärtigen Ressourcenerbrauchs bräuchten wir 2030 eine zweite Erde.“
Auf sozialethische ebenso wie theologische Argumentationslinien aufbauend plädierte Bedford-Strohm für die gemeinsame Suche nach Antworten auf die Frage, welche Formen von Wachstum und Wohlstand unsere Erde verträgt. Hierbei nahm er auch und insbesondere die Kirche in die Pflicht. „Uns als Kirche kommt bei solchen Überlegungen eine Schlüsselrolle zu“, so Bedford-Strohm. „Denn unsere Botschaft erreicht nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen.“
Möglichkeiten und Grenzen verantwortungsvollen Konsums
Im Zentrum der beiden anschließenden Vorträge standen Forschungsergebnisse zu Möglichkeiten und Grenzen verantwortungsvollen Konsums. Prof. Dr. Ingo Balderjahn vom Marketinglehrstuhl der Universität Potsdam befasste sich mit alternativen Konsumstilen. Die Spanne reichte vom völligen Konsumverzicht über die Teilhabe an Sharing-Modellen bis hin zum konsequenten Kauf von Bio- und Fairtrade-Produkten.
Prof. Dr. Fritz Reheis vom Bamberger Lehrstuhl für Politische Theorie gab sich indes kritisch gegenüber den Möglichkeiten verantwortungsvollen Konsums: „Mündiger Konsum ist im kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht denkbar. Der Konsument hat niemals alle Informationen über ein Produkt vorliegen.“
Nachhaltig leben in der Praxis
Neben theoretisch-wissenschaftlichem Input lieferten die Hochschultage auch Beispiele zur Frage: Wie kann nachhaltig leben in der Praxis aussehen? „Dabei war es uns wichtig, Personen einzuladen, die innovative, vielleicht auch zunächst einmal kontroverse Wege beschreiten“, so Ivens. Pia Damm und Tobias Rosswog haben das Projekt- und Aktionsnetzwerk living utopia initiiert. „Wir sind von Früh bis Abend als Aktivisten tätig und organisieren Projekte, die allesamt soweit möglich auf dem Prinzip der Geldfreiheit basieren“, so Damm.
Das größte Projekt des Netzwerks: Ein fünftägiger Mitmachkongress mit 100 Teilnehmenden. Zeitwohlstand lautete schließlich das Schlagwort im Vortrag von Gerrit von Jorck vom Blog Postwachstum. Jorck hat seine Arbeitszeit radikal reduziert, Job-Sharing ausprobiert, seinen Konsum verringert. „Zeit maximieren macht glücklicher als Konsum maximieren“, so sein Fazit.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion stimmten die Vortragenden überein: Es ist wichtig, dass Menschen alternative Lebensstile ausprobieren und – wie etwa living utopia und Jorck – über soziale Netzwerke publik machen. So fasste Moderator Dr. Johannes Grotzky, Honorarprofessor an der Universität Bamberg, zusammen: „Für ein nachhaltiges Leben braucht es Vorreiter, braucht es innovative Wege, auch wenn manche Dinge zunächst einmal Utopien bleiben.“
Hinweis
Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.
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