Wohin führt der Weg der Landwirtschaft? Wird sie in Zukunft hauptsächlich nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung produzieren? (Bild: sundstrom/stock.xchng).
Die diesjährigen Heiligenstadter Gespräche beschäftigten sich mit den Perspektiven der Energielandwirtschaft in Oberfranken (Bild: BGA Günther GbR).
Landwirtschaft als Produzent erneuerbarer Energie?
Die lokalen Folgen globaler Probleme: Klimawandel und Finanzkrise beeinflussen auch die Entwicklung auf dem fränkischen Lande. Die 21. Heiligenstadter Gespräche des Instituts für Entwicklungsforschung im Ländlichen Raum Ober- und Mittelfrankens griffen mit der Frage nach der landwirtschaftlichen Produktion von erneuerbarer Energie eine hochaktuelle Thematik auf.
Der ländliche Raum ist von den aktuellen Entwicklungen in Sachen Klimaschutz unmittelbar betroffen. Der Gastgeber der 21. Heiligenstadter Gespräche, Bürgermeister Helmut Krämer aus Heiligenstadt, stellte am 7. November in seinem Grußwort die große Bedeutung der erneuerbaren Energie für seine Gemeinde und die gesamte Region fest, gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels, und auch trotz der gegenwärtigen internationalen Finanzkrise. Planung und Politik seien hier gefordert. Er sprach dabei vor allem das Problem der Standorte für neue Windkraftanlagen an, sowie die zunehmende Belastung der öffentlichen Verkehrswege durch den steigenden Transport von Mais und Getreide zu den Biogasanlagen.
Um derartige Strukturprobleme des ländlichen Raumes wissenschaftlich zu erforschen und die praktische Arbeit von Behörden, Körperschaften und Verbänden in der Region zu unterstützen, gibt es das Institut für Entwicklungsforschung im Ländlichen Raum Ober- und Mittelfrankens, getragen von Geographen der Universitäten Bamberg, Bayreuth und Erlangen sowie Entscheidungsträgern und Interessierten aus der Region. Die Geschäftsstelle der Einrichtung befindet sich am Lehrstuhl Geographie I der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Jedes Jahr lädt das Institut nach Heiligenstadt ein, um aktuelle Entwicklungen für die Region kritisch zu diskutieren.
Der Trend geht zu nachwachsenden Rohstoffen
Im Fokus der diesjährigen Veranstaltung stand die Frage, welchen Stellenwert die aktuell diskutierte „Energielandwirtschaft“ als Zukunftsperspektive für die Landwirte spielen kann. Über die Energielandwirtschaft können sich einerseits neue Handlungsfelder für die Landwirte ergeben; andererseits sind dabei aber auch Risiken und Konfliktfelder denkbar, vor allem im Hinblick auf die klassische Rolle der Landwirtschaft als Nahrungsproduzentin. Dies hat sowohl in ökonomischer, ökologischer als auch sozialer Hinsicht Konsequenzen und schafft neue politisch-planerische Herausforderungen.
Vor einem Publikum von Entscheidungsträgern aus Politik, Praxis und Wissenschaft wurde über das Thema Energielandwirtschaft zunächst in Fachvorträgen referiert; in der daran anschließenden Diskussion wurden offene Fragen und strittige Standpunkte erörtert. Prof. Dr. Herbert Popp von der Universität Bayreuth, der die Veranstaltung moderierte, machte in seinem Einführungsvortrag die schwierige Situation der Fränkischen Landwirte deutlich. Er zeigte auf, dass generell die Einkommen der deutschen Bauern gegenüber der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zurückblieben, was dazu führe, dass die Zahl der Bauern immer weiter zurückgehe. „Gerade in Franken finden sich zudem in der Mehrzahl relativ kleine Betriebsgrößen, die bereits strukturell eher benachteiligt sind. So kommt es zu einer insgesamt eher pessimistischen Zukunftsaussicht, die Landwirtschaft befindet sich seit Jahren in der Defensive“, so Popp.
Aktuell gäbe es jedoch zwei Trends, welche die Landwirtschaft wieder lohnenswerter erscheinen ließen. Zum einen der allgemeine Preisanstieg für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zum anderen der Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise, der zu einer drohenden Energieknappheit und Abhängigkeit führe. „Vor diesem Hintergrund wird die Gewinnung regenerativer Energien zunehmend wichtiger und entsprechend durch staatliche Subventionen gefördert.“ Allerdings erwähnte Popp auch kritisch, dass mit dem Wandel im Anbau auch ein Wandel unserer derzeitigen Kulturlandschaft verbunden sei. So zeichnen sich seiner Meinung nach vier übergreifende Fragestellungen ab: Stellen nachwachsende Rohstoffe eine echte Einkommensalternative für die Landwirte dar? Welche Rolle spielt deren Förderung als politische Strategie zur Lösung des Energieproblems? Muss diese Produktion als Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion gesehen werden? Welche Kulturlandschaft wird durch den wachsenden Anbau der entsprechenden Pflanzen entstehen?
Chancen und Gefahren der Energielandwirtschaft
Vor allem mit der Frage der Energielandwirtschaft als Einkommensalternative befasste sich der Beitrag von Dipl.-Geogr. Tim Barkmann von der Universität Bayreuth. Er konnte anhand einer empirischen Studie in der Fränkischen Schweiz aufzeigen, dass Biogasanlagen durchaus eine Einkommensalternative bieten können. Allerdings müsse diese Aussage differenziert betrachtet werden. Nach einer anfänglichen Boomphase von Biogasanlagen befänden sich viele Landwirte heute in einer Phase der Ernüchterung, da die Rohstoff- und Erzeugerpreise stark gestiegen seien.
Im darauf folgenden Vortrag stellte Dipl.-Geoökologe Willi Fehn von der Bioenergieregion Frankenwald seine Visionen von der Bioenergie als Chance für ländliche Regionen vor. So soll der Landkreis Kronach nach einem Grundsatzbeschluss des Kreistages 2007 künftig durch nachwachsende Rohstoffe versorgt werden. Werner Reihl konnte als Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Bezirk Oberfranken und als Betreiber einer Biogasanlage in seinem Vortrag sowohl die Perspektive des Unternehmers als auch die der Region darlegen. Er zeigte auf, wie sich die derzeitigen Agrarspekulationen auf die Märkte auswirken und für die Landwirte insgesamt zu verstärkter Unsicherheit führen. Auf die politische Sicht der Dinge ging die Bayreuther Landtagsabgeordnete der Partei Bündnis 90/Die Grünen Ulrike Gote ein. Sie forderte, die Nutzung von Bioenergie müsse durch neue Förderinstrumente und die Justierung bestehender Programme gefördert werden. Hierzu sei eine stetige Kontrolle und Evaluation dieser Instrumente nötig.
Die Heiligenstadter Gespräche werden im Frühjahr 2009 mit demselben Thema in Ansbach wiederholt werden, man darf auf die mittelfränkische Perspektive der aktuellen Herausforderungen für den ländlichen Raum gespannt sein.