Tauchgang in die Tiefen der Identität
Steine haben keine Probleme. Sie liegen einfach da, lassen sich berieseln und sind, was sie eben sind, nämlich Steine. Damit ist ihr Leben ereignisärmer als das Leben von Menschen – zumindest wenn es nach Prof. Dr. Christian Illies, Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie II der Universität Bamberg und Organisator der Hegelwoche, geht. Der Grund: Steine fragen nicht danach, wer denn nun hinter dem Ich steht. Anders der Psychologe Prof. Dr. em. Norbert Bischof. Er stellte zum Auftakt der 28. Hegelwoche am 27. Juni 2017 genau diese Frage: Wer ist Ich eigentlich?
Am ersten Vortragsabend der diesjährigen Hegelwoche lud Bischof ein, die menschliche Identität aus ihrer Entwicklung heraus zu begreifen und zu verstehen, woraus wir geworden sind und was wir sein können. Was es überhaupt bedeutet, danach zu fragen, wer hinter dem Ich steht, erläuterte zunächst Illies: „Wenn wir ‚Wer bin ich?‘ fragen, dann gehört dazu, wie, wo und mit wem wir leben, was uns prägt, was wir fühlen und lieben, was wir tun und denken und vor allem auch: wonach wir streben und was wir sein wollen. All das zu begreifen, ist wichtig für unsere Identität.“ Die Identität sei bei Menschen eben nicht so selbstverständlich gegeben wie bei Steinen oder anderen leblosen Gegenständen. So seien Steine tatsächlich einfach, was sie sind. Mit dem menschlichen Ich verhalte es sich da wesentlich komplizierter.
Wie die Identität zum Menschen gehört und was sie ausmacht
Mit Videos aus seiner eigenen Forschung und illustrierten Grafiken ließ Bischof anschließend das Publikum der vollbesetzten AULA der Universität in die Tiefen der Identität eintauchen und zeigte vor allem, was die menschliche Identität ausmacht. Denn Menschen sind nicht nur anders als Steine. Sie unterscheiden sich auch ganz grundlegend von Tieren. Um zu verdeutlichen, was Menschen und Tiere unterscheidet, führte Bischof unter anderem den Begriff der permanenten Identität ein.
Der permanenten Identität und damit dem Menschen eigen sei ein besonderes Zeiterleben. Weder für Tieraffen noch für Menschenaffen bestehe das Konzept des Gestern oder Morgen. „Der Mensch braucht Zeitraum für Zeitreisen, um das Ich und die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und entsprechend zu handeln“, sagte der Verhaltensforscher und Psychologe Bischof. Erst die permanente Identität erlaube die Vorstellung von sich selbst als dauerhaftes Wesen in der Zeit und damit ein langfristig auf Zeit gerichtetes Verhalten.
Nach Bischofs Blick ins Innere wird die amerikanische Philosophin Prof. Dr. Susan Neiman vom Einstein Forum den Fokus am zweiten Vortragsabend der Hegelwoche, am Mittwoch, den 28. Juni 2017, von außen auf nationale Identität lenken. Zum Abschluss der diesjährigen Hegelwoche stellt Prof. Dr. Nicholas Boyle von der Universität Cambridge am Donnerstag, den 29. Juni 2017, die Frage nach der europäischen Identität. Er versucht zu beantworten, was es eigentlich bedeutet, Europäerin oder Europäer zu sein.