Zeitreise in die griechische Antike
Über Geschmack lässt sich nicht streiten sagt ein Sprichwort – und doch herrscht Uneinigkeit darüber, was als schön gilt und was nicht. „Vor allem in der Kunst ist eine Hinwendung zum Hässlichen zu beobachten. Es schreckt nicht ab, sondern zieht vielmehr an“, sagte Prof Dr. Christian Illies, Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie II der Universität Bamberg und Organisator der 27. Bamberger Hegelwoche. Er führte am 7. Juni, dem Auftaktabend, nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Andreas Starke in das diesjährige Thema ein: Schön und scheußlich? - Wege der Ästhetik jenseits der Hässlichkeit.
Dass die Faszination für das Hässliche nicht nur ein Phänomen der modernen Kunst ist, sondern bereits Teil der antiken Hoch- und Alltagskultur war, bewies Prof. Dr. Andreas Grüner von der Universität Erlangen in seinem Vortrag. Grüner gilt als Experte für griechische Architektur sowie die Rezeption der Antike in der Neuzeit. Auf seiner Suche nach der Erfindung der Hässlichkeit unternahm er eine Zeitreise in die alte Welt der Griechen.
Mit Fotos und Abbildungen von Skulpturen, Vasen und anderen Kunstgegenständen ließ er das Publikum der vollbesetzten AULA in das 7. bis 2. Jahrhundert vor Christus eintauchen. Dabei zeigte der klassische Archäologe, wie sich das Verständnis dessen, was schön ist, und damit auch dessen, was hässlich ist, gewandelt hat – und wie das jeweils eine das andere beeinflusste. Denn beide Seiten, so die Quintessenz von Grüners Vortrag, standen sich nicht unversöhnlich gegenüber, sondern bildeten gemeinsam eine komplexe Ästhetik.
Vom mathematisch Schönen zurück zur Natur
Lange hatte beispielsweise das Denksystem der Klassik von der bildenden Kunst gefordert, dass das Schöne logisch begründbar sein müsse, so Grüner. Doch im vierten Jahrhundert vor Christus habe sich die Kunst der Antike immer weiter von der Idee des mathematisch Schönen entfernt und sich der Natur angenähert. So durchbrachen die Künstlerinnen und Künstler die starre Maske des Ideals, indem sie echte menschliche Emotion an die Stelle des rational Schönen setzten.
Auf kleinste Abweichungen vom Ideal reagierte das Publikum der Antike sensibel. So sei davon auszugehen, dass wohl selbst eine Skulptur wie der Hermes von Olympia, den heutige Betrachterinnen und Betrachter als klassisch schön wahrnehmen würden, ein hässlicher Schlag ins Gesicht der hochklassischen Ästhetik war.
Nach Grüners Blick in die Vergangenheit wird Prof. Dr. Mark W. Roche am heutigen Mittwoch, den 8. Juni, der Frage auf den Grund gehen, was in unserer Kultur zur Ablösung einer Epoche klassischer Schönheit durch eine Ästhetik des Hässlichen geführt hat. Zum Abschluss der diesjährigen Hegelwoche wird der Maler und Schriftsteller Maxim Kantor am Donnerstag, den 9. Juni, das Schöne und das Hässliche aus künstlerischer Perspektive betrachten.