Björn Asdecker leitet die Forschungsgruppe Retourenmanagement.Benjamin Herges/Universität Bamberg

Björn Asdecker leitet die Forschungsgruppe Retourenmanagement.

- Christoph Hägele

Forschungsgruppe Retourenmanagement leistet Impuls für Bundespolitik

Bamberger Forschung beeinflusst Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.

Der Onlinehandel boomt – aber es gibt Schattenseiten: Eigentlich noch hochwertige Waren werden vernichtet, um damit Platz in den Regalen zu schaffen. Oder Produkte werden weggeworfen, weil das günstiger ist, als zurückgesandte Artikel wieder neu anzubieten. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch, den 12. Februar 2020, Gesetzesänderungen gegen die Vernichtung von Waren im Handel auf den Weg gebracht. Auf die öffentliche Agenda gesetzt wurde das Problem entsorgter Retouren im vergangenen Jahr von der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg. Die Gruppe leitet Dr. Björn Asdecker.

Heften Sie sich den neuen Gesetzentwurf ans eigene Revers?

Björn Asdecker: Wir haben mit unserer Studie zur Entsorgung von Retouren aus dem vergangenen Jahr mit Sicherheit einen Impuls geliefert. Die daraus resultierende Debatte hat die Politik und insbesondere das Bundesumweltministerium unter Zugzwang gesetzt. Man darf den Einfluss aber auch nicht überhöhen.

Hat das Ministerium Sie auch um weiterführende Expertise gebeten?

Das Ministerium hat uns eingeladen, unsere Studienergebnisse auf einer Konferenz in Berlin vorzustellen. Dieser Einladung sind wir gefolgt. Das Ministerium ist mit unserer Studie und ihren Ergebnissen demnach vertraut. Darüber hinaus ist die Forschungsgruppe aber kein Auftragnehmer des Bundesumweltministeriums. Wir sind unabhängig: von der Politik einerseits und von den Versandhändlern andererseits. Dies ist auch ein zentraler Verdienst meines Vorgesetzten Prof. Dr. Eric Sucky und der Universität Bamberg insgesamt, die dafür die Rahmenbedingungen geschaffen haben.

Die neue Verordnung kreist um den Begriff der Obhutspflicht. Was ist damit gemeint?

Die Verantwortung der Händler und Produzenten in Bezug auf den Wertstoffkreislauf wird erhöht. Beide können ihre Verantwortung nicht mehr so leicht wegschieben. Das kann in der Praxis dazu beitragen, dass mehr Rohstoffe als bisher im Kreislauf bleiben und nicht mehr wie bislang durch Vernichtung von Retouren dem Kreislauf entzogen werden.

Wie soll es dazu kommen?

Die Händler und Produzenten müssen künftig Nachweise erbringen, in welchen Mengen und auch auf welche Weise sie Waren entsorgen. Sie werden damit zur Transparenz gezwungen. Diese Transparenz kann dann in einem zweiten Schritt dazu genutzt werden, um Verbesserungen gegenüber dem Status quo zu erzielen.

Wie genau?

Die entsprechenden Ziele und Rechtsverordnungen müssen noch definiert werden. Bislang ist die Gesetzesnovelle nicht mehr als ein Rahmenwerk.

Warum wird die Entsorgung gebrauchsfähiger Retouren öffentlich überhaupt derart kontrovers diskutiert?

Weil wir als Forschungsteam der Universität Bamberg Daten dazu liefern konnten. Unsere Studie konnte zitiert werden, man hat darüber diskutiert. In der Praxis gibt es ein noch viel größeres Problem.

Welches?

Die Entsorgung von Überbeständen und Überproduktionen. Den Wert der entsorgten Retouren schätzen wir bundesweit auf 100 bis 200 Millionen Euro im Jahr. Zum Vergleich: Der Wert der entsorgten Überbestände und Überproduktion wird bundesweit auf sieben Milliarden Euro geschätzt. Und das betrifft den stationären Handel in gleichem Maße.

In welcher Form adressiert der Gesetzesentwurf dieses Problem?

Der Händler muss dokumentieren, wie viel Ware er entsorgen lässt. Dann wird sichtbar werden, wie hoch das Problem der Warenüberhänge tatsächlich ist. Unbeantwortet bleibt dagegen die Frage, wie sich die Zahl der Retouren grundsätzlich reduzieren lässt. Damit hat die Novelle nichts zu tun.

Braucht es auch dazu ein Gesetz?

Rücksendegebühren für Gebühren funktionieren jedenfalls nicht, wenn Händler sie freiwillig erheben dürfen. Dann gibt es immer einen Händler, der aus Gründen des Wettbewerbsvorteils ausschert. Bei einer gesetzlichen Regelung würden zumindest alle Händler mit den gleichen Waffen kämpfen.

Wird die Bamberger Forschungsgruppe die Effekte des neuen Gesetzes erforschen?

Falls das Gesetz tatsächlich in Kraft treten sollte, freuen wir uns: Wir wären nicht mehr auf Stichproben angewiesen, sondern könnten auf Grundlage von Vollerhebungsdaten forschen.

Sie würden von einer Entwicklung profitieren, die Sie selbst angeschoben haben.

Wir werden sehen. Es bleibt zu hoffen.

 

Hinweis

Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Artikel "Es gibt ein noch viel größeres Problem" von Christoph Hägele, der am 13. Februar 2020 im Fränkischen Tag erschien. Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung des Fränkischen Tages veröffentlicht.