Vom Umgang mit der NS-Vergangenheit
Bamberg nimmt seinen Umgang mit der eigenen NS-Vergangenheit in den Fokus. Unter dem Titel Bamberg erinnert sich: Erinnerungskultur an die Zeit des Nationalsozialismus wurde jetzt ein thematischer Rundgang vorgestellt, der an ausgewählten Stätten mit der Vergegenwärtigung der jüngsten dunklen Epoche konfrontiert. Die eineinhalbstündige Tour für Schülerinnen und Schüler wird vermittelt von KS:BAM, dem Kultur.Service für Schulen und KiTas von Stadt und Landkreis Bamberg.
Dr. Jost Lohmann vom museumspädagogischen Verein Agil und Prof. Dr. Bert Freyberger, der Didaktik der Geschichte an der Universität Bamberg lehrt, rückten nicht Wissensvermittlung zur NS-Zeit in den Mittelpunkt. Vielmehr zeigten sie unterschiedliche Formen von Erinnerungskultur auf und wie sie sich im Laufe der Zeit wandelt.
Gedenktafeln für denkwürdige Ereignisse
Gedenktafeln sind heute wie vor Jahren die gängige Methode, an denkwürdige Ereignisse zu erinnern. In den Kontext der Führung – Formulierung von demokratischen Werten, die von den Nazis mit Füßen getreten wurden – passt die Gedenktafel am Theater, die an die Bamberger Verfassung erinnert. Weitere Tafeln, die im Rahmen der Führung aufgesucht wurden, waren der Hinweis in den Theatergassen auf die vierte Synagoge in Bamberg, die Stauffenberg-Gedenktafel im Turm des Alten Rathauses sowie die beiden Gedenktafeln an der Unteren Brücke. Lohmann wies auf einen markanten Unterschied hin: Am Theater und im Rathausturm sind die Stifter der Tafeln – Ministerpräsident Max
Streibl am Theater, die 17er Reiter im Alten Rathaus – genannt, während in den Theatergassen und an der Unteren Brücke entsprechende Hinweise fehlen. Die Verortung der Tafeln im öffentlichen Raum, also wie prominent sie angebracht sind beziehungsweise wie nachdrücklich sie immer wieder auch Diskussionen in Politik und Zivilgesellschaft auslösen, oder eben das Fehlen der Stifternamen sind wichtige Merkmale bei der Beurteilung der Erinnerungskultur.
Dagegen laden im Harmoniegarten Stelen mit Willy Aron, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Hans Wölfel zur Auseinandersetzung mit dem Widerstand gegen das NS-Regime aus unterschiedlichen Beweggründen ein. Für Lohmann „personalisierte Erinnerungskultur“ sozusagen auf Augenhöhe. Aus dem üblichen Rahmen fallen auch die Stolpersteine von Gunter Demnig, die im Rahmen der Führung in der Kesslerstraße aufgesucht wurden. Erhöhte Aufmerksamkeit der Schülerschaft wird dem Vortragenden dann zuteil, wenn von Gleichaltrigen die Rede ist, war sich Lohmann sicher. So gelang einer 16-Jährigen aus der Familie Schapiro die Flucht.
Kriegsgefangene und Deportation in der NS-Zeit
Lohmann wusste auch von zwei französischen Kriegsgefangenen zu berichten, die in Bamberg untergebracht waren: Beide wurden erschossen, einer von einem Hitlerjungen, ebenfalls gerade mal 16 Jahre alt. Was aus der Begegnung mit Jugendlichen erwachsen kann, zeigt das Projekt im Eichendorff-Gymnasium, auf das Lohmann verwies. Schülerinnen recherchierten die Schicksale jüdischer Mitschülerinnen, wobei es auch zu persönlichen Begegnungen mit Hinterbliebenen kam. Bei der Absicht des Künstlers, im Alltag über die Namen von Deportierten zu stolpern, blieb es nicht. Entstanden ist die digitale Ergänzung. So kann sich der Interessierte per App zu den Stolpersteinen lotsen lassen, die zudem auch über genannte Personen informiert. Nicht fehlen durfte an dieser Stelle die Anekdote vom bei Bauarbeiten nicht vorsätzlich durchtrennten Stolperstein, für Freyberger Zeichen dafür, dass auch Erinnerungskultur nicht „unantastbar“, sondern durchaus „dem alltäglichen Gebrauch ausgesetzt ist“.
Buchautor Andreas Reuß, zusammen mit Tobias Rausch, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bamberg, Initiator des Nachdenkens über Erinnerung, regte eine Gesamtdokumentation des NS-Erbes in Bamberg an. Eine große Aufgabe. Mit dem Rundgang zur Erinnerungskultur ist aber der erste Schritt getan.
Der Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Stadt Bamberg vom 19. März 2019.