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Die „neuen Väter“: Mythos oder gelebte Realität?

Verlag Barbara Budrich

Versammelt neue Forschungsergebnisse und Perspektiven: der Band „Väter im Blickpunkt“

- Michael Görtler

... Vater sein dagegen sehr

Die Familienforschung hat die „neuen Väter“ im Visier

Familienstrukturen und Rollenmuster im Wandel: Mütter bekommen Karriere, Kind und Kegel unter einen Hut. Aber was ist mit den Vätern? Tanja Mühling und Harald Rost vom Bamberger Staatsinstitut für Familienforschung haben in einem Band wichtige Ergebnisse der Väterforschung zusammengetragen.   

Vaterschaft im Wandel

Der soziale Wandel ist nicht aufzuhalten. Der Individualisierungstrend in der heutigen Gesellschaft hält an und zeigt sich in einer Vielzahl an differenzierten Formen der Lebensführung und Partnerschaft. Die traditionellen Geschlechterrollen und Familienstrukturen lösen sich schleichend auf. Thematisiert wird diese Entwicklung schon seit langem. Stand bisher vor allem die Rolle der Frau und ihre Stellung zwischen Familie und Beruf im Mittelpunkt der Debatte, erfahren die neuen Väter seit Mitte der 1990er Jahre hohe Aufmerksamkeit innerhalb der sozialwissenschaftlichen Forschung. Dafür ist es auch längst an der Zeit, denn die Väter werden angesichts steigender Trennungs- und Scheidungsraten immer häufiger zu Alleinerziehenden. Zudem erschweren die Anforderungen des Arbeitsmarktes an die Mobilität und Flexibilität der männlichen Arbeitnehmer die Familienbildung und schmälern das erzieherische Zeitbudget.

Der Sammelband der beiden Herausgeber Dr. Tanja Mühling und Dipl.-Soz. Harald Rost, beide wissenschaftliche Mitarbeiter am Staatsinstitut für Familienforschung der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (ifb), fasst verschiedene Thesen, empirische Ergebnisse, Analysen und Methoden zum Thema „Vaterschaft im Wandel“ der Zeit in zehn Beiträgen zusammen und bietet damit eine große inhaltliche Spannbreite.

Neue Väter braucht das Land?

Welche Eigenschaften zeichnen nun den neuen Vater aus? Er ist flexibel, verantwortungsbewusst, familiär. Der neue Mann definiert sein Selbstverständnis nicht mehr nur über seinen Beruf und seinen Status, nein, auch das Projekt „Familie“ erfüllt den neuen Mann mit Tatendrang. Die kindliche Entwicklung, die er bisher als entfamiliarisierter Ernährer nur en passant verfolgt hat, möchte der neue Vater gleichberechtigt mitgestalten. Kurz gesagt: Das Thema Kindererziehung nimmt für ihn eine zentrale Stellung ein. Viele Kritiker sehen im „neuen Vater“ allerdings einen Mythos. Der beobachtbare Einstellungswandel muss sich ihrer Ansicht nach nicht in einer tatsächlichen Verhaltensveränderung manifestieren, das heißt: Es wird viel darüber geredet, aber alles bleibt beim Alten.

Oder doch nicht? Wie die Studien zeigen, ist einiges bereits geschehen: Mehr und mehr neue Väter sind offensichtlich bereit, ein ausgeprägtes Maß an Verantwortung zu übernehmen. Sie informieren sich stärker und begleiten ihre Partnerin während der Schwangerschaft. Zudem ist die überwiegende Mehrzahl der Männer mittlerweile während der Geburt im Kreißsaal anwesend. 

Mehr Väterpolitik

Die Aufgabe der Existenzsicherung wird heute häufiger von beiden Elternteilen übernommen, und auch der Erziehungsurlaub ist für Männer längst kein Tabu mehr. Eine familiäre Umstrukturierung bedeutet zugleich aber auch eine Kompetenzaufgabe von Seiten der Mütter, die längst nicht allen leicht fällt, denn die traditionellen Rollenmuster sind noch stark in den Köpfen der Menschen verankert. Wenn die Vorstellungen vom „neuen Vater“ Realität werden sollen, sind Veränderungen der gesellschaftlichen Konditionen dringend erforderlich, entsprechende familienpolitische Maßnahmen fehlen nach wie vor. Der Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit ist für den Mann hinsichtlich seiner beruflichen Stellung nicht ungefährlich und das Angebot an Teilzeitarbeitsstellen ist sehr begrenzt. Neben einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen müsste auch der Vaterschutz einen höheren Rang erhalten, denn die qualitative Vater-Kind-Beziehung hat einen wichtigen Einfluss auf die kindliche Entwicklung, wie Michael Matzner und Ruth Limmer in ihren Beiträgen zur Situation der alleinerziehenden Väter zeigen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussion weiterentwickelt – sie sind auf dem Vormarsch, die neuen Väter.

Das Buch

Tanja Mühling, Harald Rost (Hrsg.): Väter im Blickpunkt. Perspektiven der Familienforschung. Barbara Budrich 2007. Kartoniert, 271 Seiten, Euro 19,90.