„Rainer Drewello gehört ein eigenes Kapitel im Geschichtsbuch dieser Universität“
Die AULA der Universität – eine der vielen großen Wirkungsstätten von Prof. Dr. Rainer Drewello. Rund 100 seiner engsten Wegbegleiterinnen und -begleiter lauschen dort am 12. Oktober seiner Abschiedsvorlesung. Unter dem Titel „Das Normale und das Besondere. Objekte und Subjekte gebauter Geschichte“ nimmt er seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine Reise durch eine Auswahl seiner Forschungsprojekte und damit auf eine Reise um die Welt – von Bamberg über Usbekistan und Ägypten zurück nach Bayern. Rainer Drewello hatte an der Universität Bamberg die Professur für Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege inne und war maßgeblich am Aufbau des Kompetenzzentrums Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) beteiligt sowie von 2016 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Oktober 2021 dessen Sprecher.
Die Universität Bamberg hat einen neuen Emeritus of Excellence
„Rainer Drewello zeichnet sich durch sein überaus großes Engagement für sein Fach, das KDWT und die gesamte Universität aus, die ihm viel zu verdanken hat und in der er deutlich sichtbare Spuren hinterlassen wird“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Kai Fischbach. Angesichts seiner herausragenden Leistung ernennt ihn der Präsident im Namen der Universitätsleitung zum Emeritus of Excellence der Universität. Damit möchte die Universität Professorinnen und Professoren, die sich in besonderer Weise um die Forschung und die Universität verdient gemacht haben, auch nach ihrem Eintritt in den Ruhestand langfristig binden und so ihre oft jahrzehntelangen Erfahrungen im wissenschaftlichen Betrieb und ihr enormes Fachwissen insbesondere für den wissenschaftlichen Nachwuchs erhalten.
Die Vielfalt seiner Leistungen und seines Wirkens an der Universität wird am Abend seiner Abschiedsvorlesung auch durch die Beiträge der anderen Redner sichtbar. So sagt sein langjähriger Wegbegleiter, der ehemalige Präsident der Universität Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert: „Rainer Drewello gehört ein eigenes Kapitel im Geschichtsbuch dieser Universität.“ Mit der ganz entscheidenden Hilfe von Rainer Drewello sei es gelungen, die Universität Bamberg als die deutsche Universität in Sachen Denkmalwissenschaften zu platzieren. Die Berufung Drewellos auf und damit die Einrichtung einer natur- beziehungsweise ingenieurwissenschaftlichen Professur in den Denkmalwissenschaften habe eine Öffnung des Faches bedeutet. Als ein Versuch mit Weitblick geht Rainer Drewello mit seiner Professur in die Geschichte der Universität ein. Denn: „Schon sehr schnell wurde deutlich, dass dieser Schritt der Öffnung des Faches richtig war“, so Godehard Ruppert. Die Öffnung der traditionellen geisteswissenschaftlichen Fächer wurde fortgeführt und es wurden ihnen institutionell Schnittmengen zu anderen Wissenschaftsbereichen angeboten.
Der Aufbau des KDWT ist wesentlich Rainer Drewello zu verdanken
„Die heutige stark interdisziplinäre und auf Schnittstellen angelegte Fächerstruktur der Universität ist nicht vom Himmel gefallen. Und es war daher auch kein Zufall, dass ich 2004, als wir das Prorektorenamt neu besetzen mussten, auf Rainer Drewello kam“, erzählt Ruppert in seiner Laudatio weiter. Der Mut des Präsidenten sei ihm aus seiner Zeit als Prorektor beziehungsweise Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs (2004 bis 2008) besonders in Erinnerung geblieben, sagt Drewello. „Denn man darf nicht vergessen, dass damals die theologische Fakultät sistiert wurde, Godehard Ruppert die Soziale Arbeit nach Coburg verlagert und die musikwissenschaftlichen Professuren nach Würzburg abgegeben hat – alles wohl begründet. Diese Entscheidungen haben Reinhard Zintl und ich als Vizepräsidenten mit Überzeugung mitgetragen“, so Drewello.
Wesentlich sei es Rainer Drewello auch zu verdanken, dass das Programm im „kleinen Fach“ Denkmalwissenschaften zum größten Masterstudiengang der so großen Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften geworden sei, erzählt der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Markus Behmer. „Wesentlich Rainer Drewello ist auch der Aufbau des Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien zu verdanken, der drittmittelstärksten Einheit unserer Fakultät und ein Leuchtturm, der in ganz Deutschland und weit darüber hinaus strahlt.“
Unkonventionelle Experimente und außergewöhnliche Ideen
Rainer Drewellos Kapitel an der Universität ist mit dem Ruhestand nicht abgeschlossen. Seine Expertise in den Restaurierungswissenschaften, die er in zahlreichen Forschungsprojekten unter Beweis stellte, kann er als Emeritus of Excellence an nachfolgende Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weitergeben. Einige dieser Projekte stellt Rainer Drewello anekdotenhaft in seiner Abschiedsvorlesung vor. So berichtet er beispielsweise von der Moschee Xoğa Zain ud-Din in Buchara in Usbekistan und wie er dort zusammen mit Kollegen in einem unkonventionellen Experiment herausgefunden hat, welcher Leim die Holzkonstruktionen in den Säulengängen rund um die Moschee zusammenhält. Oder er erzählt von einem zuvor unbekannten Gemälde im Schloss Neuschwanstein, das er gemeinsam mit einer Doktorandin und einem Doktoranden dort entdeckt hat. Ebenfalls entdeckte er mit anderen Denkmalwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern des KDWT 2019 den Grundstein von Schloss Neuschwanstein.
Am prägendsten für Bamberg ist wohl seine Arbeit in der Dominikanerkirche, die heute als AULA der Universität und für Veranstaltungen wie auch seine Abschiedsvorlesung dient: Eine außergewöhnliche Idee Drewellos brachte die ehemalige Spielstätte der Bamberger Symphoniker zu ihrem heutigen Glanz. Damals schlug er vor, eine Referenzfläche state of the art zu restaurieren und damit zu demonstrieren, dass der Raum es verdient, dass man in die Restaurierung investiert. Gemeinsam mit Studierenden und Promovierenden hat Drewello die sprechenden Wände der heutigen AULA erforscht und dabei gewissermaßen „sedimentierte Geschichte“ untersucht. Die Studierenden konnten dabei wertvolle praktische Erfahrungen sammeln. Hier und auch generell in der Lehre war Rainer Drewello eines stets besonders wichtig: „Ich wollte den Studierenden immer sauberes, strukturiertes Denken beibringen und ihnen zeigen, dass es wichtig ist, auf Details zu achten und präzise zu arbeiten.“ In der AULA haben sie gemeinsam die Wandbilder restauriert. „Das Ergebnis ist umwerfend“, sagt Drewello.
„In Bamberg sind wir keine isolierten Einzelkämpfer“
In all seinen Ausführungen während der Abschiedsvorlesung ist es vor allem die Wertschätzung gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen, die zum Ausdruck kommt. So spricht er etwa die Zusammenarbeit mit den Lehrstühlen für Kulturinformatik und Theoretische Psychologie an, welche im Zuge der Sanierung der AULA eingebunden waren. Denn die Malereien in der AULA entwickelten sich zum Ausgangspunkt eines fakultätsübergreifenden Forschungs- und Lehrprojekts. Als weiteres Beispiel ist hier die 3D-Vermessung des Querhauses der Kathedrale Notre Dame zu nennen, die kurz vor dem Brand in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Stephan Albrecht und dem Professor für Bauforschung und Baugeschichte Prof. Dr. Stefan Breitling entstanden ist. „Ich kann mich noch an einen wunderschönen Satz einer Pariser Kollegin erinnern, die damals gesagt hat, dass sie in ihrem Leben noch keine drei Professoren nebeneinander auf dem Baugerüst gesehen hat“, erzählt Drewello. „In Bamberg sind wir keine isolierten Einzelkämpfer.“
Seinen Kolleginnen und Kollegen überlässt er nun das Feld: „Ich bin der Meinung, dass man zum richtigen Zeitpunkt zurücktreten muss, einfach um auch denjenigen eine Chance zu geben, die nachfolgen“, sagt Rainer Drewello. Und auch Präsident Kai Fischbach stellt in seiner Laudatio fest: „Ich bewundere Rainer Drewello dafür, wie er selbstlos und ohne Eitelkeit die Übergabe des KDWT vorbereitet und umgesetzt hat, um der nachfolgenden Generation Raum für ihre eigenen Ideen und Vorstellungen zu geben.“ Und diesen Raum werden seine Nachfolgerinnen und Nachfolger zu nutzen wissen. „Die Universität Bamberg, meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind Rainer Drewello dankbar, dass er uns mit dem Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien als Idee wie als Gebäude Räume zur gemeinsamen Identitätsfindung, zum Austausch und zur Weiterentwicklung vernetzter Forschungsansätze gestiftet hat“, sagt sein Kollege Stefan Breitling, der ihm als Sprecher des KDWT nachfolgt. „Wir werden sie weiter nutzen.“
Für den Ruhestand hat Rainer Drewello schon ein paar Pläne. Einerseits möchte er noch einmal nach Notre Dame, um zu sehen, wie dort der Wiederaufbau der Kathedrale weitergeht. Andererseits könnte er sich auch vorstellen, nach Italien zu reisen und sich Kirchen anzusehen, die nicht so sehr im öffentlichen Interesse stehen. Und: „So platt es klingen mag, ich werde mal wieder einen Stein bearbeiten“, sagt der gelernte Steinmetz und Bildhauer.