Diskontinuität und Identität
Im Zuge der Säkularisation wurde die ältere Bamberger Universität 1803 aufgehoben. Ihr Bücherfundus wurde von der neu gegründeten Kurfürstlichen Bibliothek – der heutigen Staatsbibliothek Bamberg – übernommen, in die seinerzeit überdies die Bibliotheken der Stifte und Klöster des vormaligen Hochstifts Bamberg Eingang fanden.
Am 19. November, bei der Feier des Jahrestages der Stiftung der Academia Ottoniana vor 365 Jahren, übergab die Staatsbibliothek Bamberg der Universität vier Matrikelbände aus der frühesten Hochschulgeschichte, die sie seit nahezu 210 Jahren treuhänderisch gehütet und für die Forschung bereitgehalten hatte. „Die Universität erhält Dokumente ersten Ranges, die eine wesentliche Wegstrecke ihrer Geschichte abbilden“, erklärte Prof. Dr. Werner Taegert, Direktor der Staatsbibliothek Bamberg, dem Auditorium des Dies academicus anlässlich der feierlichen Übergabe.
„Folge von Abbrüchen und neuen Anläufen“
Den besonderen Anlass nutzte Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert für eine Rede der besonderen Art: Er überließ Vizepräsident Prof. Dr. Sebastian Kempgen die Begrüßung und hielt ausnahmsweise selbst den Festvortrag zum 365. Geburtstag der Universität über Domus Sapientiae – Zur Geschichte und Identität der Universität Bamberg. „Die Geschichte der Universität Bamberg weist nahezu keine Kontinuität auf, sie ist eine Folge von Abbrüchen begonnener Entwicklungen und neuen Anläufen unter jeweils anderen Voraussetzungen“, räumte er gleich zu Beginn seiner Identitätssuche ein.
Er nahm die Gäste mit auf eine historische Reise, angefangen beim Seminarium Ernestinum über das Jesuitenkolleg, die Errichtung der Academia Ottoniana, deren Weiterung und Aufhebung zu Zeiten der Säkularisation – bis zur neuen Otto-Friedrich-Universität, die 1972 zunächst als Gesamthochschule wiedergegründet worden war. Brüche und Neuanfänge scheinen konstitutiv für die Otto-Friedrich-Universität: „Die Universitätstradition hat sich über manche Schwierigkeiten und staatlichen Eingriffe hinweg am Leben erhalten.“
Auf dem Weg durch die Universitätsgeschichte bot Ruppert Einblicke in alte Matrikelbände, erwähnte bekannte Namen der alten Bamberger Universität wie Johann Baptist von Spix oder Ignaz Christoph Döllinger – und würdigte die Leistungen des ehemaligen Bayerischen Kultusministers sowie seines Vorvorgängers im Amt des Rektors: „Neben Hans Mayer ist sicher Siegfried Oppolzer der Architekt der neuen Universität Bamberg.“
Zielvorgaben über-erfüllt
Dass eine Geschichte voller Diskontinuitäten einem erfolgreichen Identitätsprozess nicht notwendigerweise abträglich ist, konnte Ruppert abschließend nicht ohne Stolz an aktuellen Entwicklungszahlen belegen. Zwar habe die Universität mit der Priesterausbildung und der Ausbildung von Fachkräften der Sozialen Arbeit zwei ihrer historischen Standbeine aufgegeben, dennoch gebe es deutliche Ansätze für die Ausprägung einer Identität: in der Lehramtsausbildung, in der Etablierung guter Masterstudiengänge und in der Veränderung in Richtung einer polytechnischen Schule – so will Ruppert die Beteiligung der Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik (WIAI) an der Technologie Allianz Oberfranken (TAO) verstanden wissen.
Auch Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch ließ es sich nicht nehmen, der Universität Bamberg zum 365. Gründungstag Grüße und Glückwünsche zu überbringen. Seine Grußworte gingen zwar streckenweise in politischen Parolen studentischer Gruppen unter, die die Anwesenheit des Ministers nutzten, um ihre Meinungen über Studienbeiträge kund zu tun. Das Wohlwollen gegenüber der oberfränkischen Universität, die ihre Zielvorgaben „nicht nur erfüllt, sondern deutlich über-erfüllt“ habe, blieb aber durch den Tumult deutlich erkennbar. Es zeigte sich nicht zuletzt daran, dass Heubisch über lokale hochschulpolitische Entwicklungen ebenso gut Bescheid wusste wie über aktuelle Forschungsprojekte und Initiativen.
Preise und Auszeichnungen
Im Anschluss an die Festrede und die Übergabe der Matrikel ehrte Vizepräsidentin Prof. Dr. Astrid Schütz Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für besondere wissenschaftliche Leistungen: Dr. Heidi Christ, Dr. Marta Famula, Dr. Oliver Hermsen, Dr. Sven Laumer, Dr. Thomas Liebert, Dr. Jan Hendrik Peters, Dr. Nicole Reifarth und Dr. Anna Rosen wurden für ihre hervorragenden Dissertationen ausgezeichnet.
Der Vizepräsident für Lehre, Sebastian Kempgen, verlieh Silke Wortmann und Jan-David Freund den Preis für studentisches Engagement. Die Russin Alexandra Miroshevskaya erhielt den DAAD-Preis für hervorragende ausländische Studierende. Außerdem wurde Lyudmyla Gleykh mit dem Fritzi!-Preis für gute Abschlussarbeiten studierender Eltern ausgezeichnet.
Eine große Überraschung war die abschließende Würdigung von Steuerberater Ulf Schmitt und Alt-Oberbürgermeister Herbert Lauer. Sie wurden von Ruppert zum Dank für ihre Verdienste um die Universität zu Ehrensenatoren ernannt.