Mehr Bewerberinnen und Bewerber an den deutschen Universitäten werden wahrscheinlich ein strengeres Auswahlverfahren zur Folge haben: Verschiedene Modelle werden derzeit diskutiert (Bild: Photocase)
Deiche gegen die Bewerberflut
Was ein Babyboom vor zwanzig Jahren heute noch bewirkt, könnten die Studierenden bald selbst zu spüren bekommen. So rechnen die Kultusminister für 2012 mit 2,7 Millionen Studierenden. Ein kleiner Vergleich: Warten heute zu den Stoßzeiten in der Mensa rund 100 Personen auf ihr Essen, wären es 2012 noch mal 35 mehr. Das Problem erkennt auch die Universitätsleitung: „Wenn die Bewerberzahlen weiterhin so hoch bleiben, muss sich die Uni etwas überlegen“, kommentiert Prof. Dr. Reinhard Zintl, Prorektor für Lehre und Studierende. Das neue Hochschulrahmengesetz gibt den Universitäten die Möglichkeit, sich einen Teil ihrer Studierenden selbst auszusuchen.
Harte und weiche Varianten
Kurz darauf beauftragte die Hochschulrektorenkonferenz das Bonner Unternehmen ITB Consulting damit, Tests zu entwickeln, die Abiturienten auf ihre Studierfähigkeit überprüfen sollen. Diese so genannte „harte“ Variante stellte Prof. Dr. Oliver Wilhelm von der Berliner Humboldt-Universität am 17. Januar bei einem Vortrag im Marcus-Haus vor. Demnach entwickelte ITB verschiedene Module, die unterschiedliche Themenbereiche wie kognitive Fähigkeiten oder Fremdsprachenkenntnisse prüfen. Je nach Fach könnten die Module dann spezifisch kombiniert und gewichtet werden. Von Persönlichkeitstests rät Wilhelm aber ab: „Da könnten wir nicht von authentischen Merkmalen ausgehen.“ Die Bundesländer zahlen für die Entwicklung des Tests nichts. Dafür müssen die Teilnehmer bis zu 80 Euro berappen. Das Testergebnis soll dann in der ganzen Republik Gültigkeit besitzen.
Die zweite Referentin des Tages, Dr. Irene Lischka, forderte dagegen einen Paradigmenwechsel. Ihr wichtigstes Credo lautet Selbstselektion. „Der Studieninteressent soll dazu gezwungen werden, sich mit dem Studienfach schon vorher zu beschäftigen“, so Lischka. Sie plädiert im Gegensatz zu einem Test für ein Portfolio, in dem Bewerber außerschulische Qualifikationen wie Praktikumszeugnisse hinterlegen können.
Hauptziel dieses „weichen“ wie auch des „harten“ Auswahlverfahrens sei die Senkung der Studienabbrecherquote. Auch Reinhard Zintl weist darauf hin: „Es soll kein weiteres Selektionsinstrument geschaffen werden.“
Auswahlverfahren in der Kritik
Die Einführung neuer Auswahlverfahren trifft nicht überall auf Zustimmung. Der SprecherInnenRat der Universität Bamberg hat zusammen mit den Fachschaften eine Arbeitsgruppe dazu eingerichtet. „Wir wollen eine gerechte Verteilung der vorhandenen Studienplätze und nicht nur das Beste vom Besten“, sagt beispielsweise Rose Fleck von der Fachschaft SoWi. „Eine Gesellschaft besteht nicht nur aus Eliten“, pflichtet ihr Johannes Heger (Ktheo) bei. Christoph Ellßel, Vertreter der Fachschaft SpLit, fügt noch hinzu: „Wir wollen keine Abwertung des Abiturs.“
Dagegen kann sich Rektor Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert einen kostenpflichtigen Test vorstellen. Er will den Studierenden bei den Kosten aber entgegenkommen: „Die bayerischen Hochschulen wollen den Freistaat überzeugen, die Verwaltungsgebühren im ersten Hochschulsemester für alle Studierenden zu erlassen, die einen solchen Test machen, bevor sie sich bei uns bewerben.“
Oliver Wilhelm weist auf eine andere Möglichkeit hin: „Gesamtgesellschaftlich plädiere ich natürlich für mehr Studienplätze.“