Ein Plädoyer für die Langeweile
Wie wird wohl die Arbeit in Zukunft aussehen? Das diskutierten am vergangenen Wochenende Wissenschaftler der Universität Bamberg und internationale Gäste. Bereits zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren war die Universität Bamberg Gastgeberin des Stipendiatentreffens des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), einer der weltweit größten Förderorganisationen für den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern. Rund 400 Studierende aus über 90 Ländern nahmen daran teil, die alle mindestens ein Jahr in Deutschland leben, studieren und forschen. Bei dem Treffen stellten Bamberger Wissenschaftler die Universität, die Stadt und ihre Forschungen vor. Sie beleuchteten das Thema Die Zukunft der Arbeit aus psychologischer, volkswirtschaftlicher, geographischer und informatischer Sicht. Prof. Dr. Maike Andresen, Vizepräsidentin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Bamberg, eröffnete das Treffen mit einem Blick auf die Arbeitswelt 2018.
Wie hat Ihnen das DAAD-Stipendiatentreffen in Bamberg gefallen?
Maike Andresen: Es war sehr schön, so viele junge Leute aus der ganzen Welt in Bamberg zu sehen. Ich finde es immer wieder großartig, wenn verschiedene Kulturen und Sprachen aufeinandertreffen. Die gesamte Organisation hätte nicht besser laufen können: Die Technik beim Synchronübersetzen auf Englisch hat gut funktioniert und der Transport aller Teilnehmenden mit 13 Bussen lief reibungslos. Der DAAD ist vor allem wegen der guten Erfahrungen bei den letzten beiden Treffen wieder nach Bamberg gekommen. Das zeigt eine besondere Wertschätzung.
Sprechen wir über Ihren Vortrag: Was sind die aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt?
Es gibt eine ganze Reihe von Herausforderungen. Ich habe in meinem Vortrag drei ausgewählt: das Streben von Unternehmen nach Glück gegenüber Profit, die Mitarbeiterbindung und die Rolle von Langeweile bei der Arbeit.
Unternehmen streben also nicht nur nach Profit?
Alle Medien berichten über persönliches Glück. Deswegen fragen Unternehmen sich: „Geht’s um Profit oder um das subjektive Wohlbefinden meiner Mitarbeiter?“ Glück ist zwar ein interessantes Ziel, das aber nicht einfach zu managen ist, weil unser Glücksniveau ungefähr zur Hälfte genetisch vorbestimmt ist. Die andere Hälfte kann man gestalten, zum Beispiel durch eine Gehaltserhöhung oder eine förderliche Arbeitsumgebung. Man sieht dann, dass das Glücksniveau kurzfristig etwas steigt, aber nach einer Weile auf das vorherige Niveau zurückfällt – ähnlich auch bei Hochzeiten. Subjektives Wohlbefinden ist zwar wichtig, aber nur begrenzt und nicht dauerhaft von Arbeitgebern beeinflussbar.
Und was meinen Sie mit Mitarbeiterbindung?
Im Fachkräftemangel sehen Unternehmen zwei Hebel, um im Wettbewerb zu bestehen: Zum einen, dass sie die besten Mitarbeiter für sich gewinnen und zum anderen, dass sie diese dann auch halten. Dazu stelle ich eine Gegenperspektive vor: Es ist nicht immer das Beste für ein Unternehmen, die Mitarbeiter zu halten.
Ist ein Arbeitsplatzwechsel nur für Unternehmen oder auch für Arbeitnehmer gut?
Sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Arbeitswelt insgesamt. Eine Zeit lang werden Mitarbeiter immer routinierter und besser, aber ungefähr nach sieben Jahren ist ein guter Zeitpunkt für einen Jobwechsel. Durch neue Eindrücke und Aufgabenfelder lernt man immer mehr dazu. Für die Organisation ist es zwar schade, wenn gute Mitarbeiter gehen. Aber wenn man im Netzwerk denkt, ist es für alle Arbeitgeber gut, wenn dieser Austausch stattfindet. Vorgesetzte fördern Mitarbeiter also eher, wenn sie diese nicht fest an sich binden.
Und die dritte Herausforderung ist, Langeweile bei der Arbeit zuzulassen.
Genau. Durch den Fachkräftemangel versuchen Unternehmer die Prozesse immer weiter zu optimieren. Leerzeiten werden ausgemerzt, damit weniger Leute die gleiche Arbeit schaffen. Kaffeepausen und kurze Gespräche unter Kollegen fallen immer öfter weg. Ich möchte ein Plädoyer für die Langeweile formulieren. Darunter verstehe ich keine Langeweile, die wegen eintöniger Arbeit entsteht. Ich möchte die Leerphasen in einem Job fördern, die auch produktiv sind, weil man in dem Moment innovative und kreative Kräfte freisetzt. Man bekommt zum Beispiel Ideen, wie man den eigenen Arbeitsbereich umgestalten kann.
Eine Kaffeepause tut auch mal gut?
Es geht noch weiter: Diese ständige Erreichbarkeit mit E-Mails bindet uns permanent ein. Es gibt Firmen mit einem E-Mail- und Telefon-freien Freitag. Das fördert einerseits persönliche Kontakte, andererseits schafft es Entlastung von den Ablenkungen, die Energie kosten. Andere Firmen stellen Ruheräume bereit, in die man sich zurückziehen kann. Das sind Beispiele zur Förderung positiver Langeweile, die sich für Unternehmen rechnet.