Vom Bankkaufmann zum BWL-Professor
Einzelne Personen können in Unternehmen starke Veränderungen herbeiführen, wie Prof. Dr. Martin Friesl in seinen Forschungsprojekten zeigt. Er ist seit dem 1. August 2019 neuer Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation. In Forschung und Lehre fokussiert er sich vor allem auf die strategische Führung von Organisationen. Im Interview spricht er über seinen Karriereweg, Neuausrichtungen von Unternehmen und seine Affinität zu Medien.
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Martin Friesl: Solange ich mich zurückerinnern kann, wollte ich immer Lehrer werden. Nach dem Realschulabschluss habe ich erstmal eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht. Anschließend habe ich das Abitur an einer Berufsoberschule nachgeholt und an der Ludwig-Maximilians-Universität München Wirtschaftspädagogik studiert – mit dem Ziel, Lehrer zu werden.
Haben Sie während des Studiums gemerkt, dass Sie in der Forschung arbeiten möchten?
Es hat für mich einen entscheidenden Moment gegeben: Ich fand ein Pflichtseminar über Wissenschaftstheorie und Methoden richtig toll. Außerdem gab es am Lehrstuhl in München einen Doktoranden, der wie ich nach seiner Lehre zum Bankkaufmann das Abitur nachgeholt hatte, was ich sehr inspirierend fand. Direkt nach dem Studium habe ich dann angefangen zu promovieren.
Zu welchen Themen forschen Sie seitdem?
Ich interessiere mich für die langfristige, strategische Neuausrichtung von Unternehmen. Mich treibt vor allem ein Thema um: Wie können Firmen proaktiv mit Veränderungen umgehen, anstatt auf Krisen reagieren zu müssen? Ich zeige in meinen Forschungsprojekten, dass es oft einzelne Personen oder kleine Personengruppen sind, die starke Veränderungen herbeiführen können.
Welche Veränderungen meinen Sie?
Zum Beispiel habe ich mit zwei Fachkollegen eine empirische Studie zu dem französischen Einzelhändler Auchan durchgeführt: Das Unternehmen war weltweit extrem erfolgreich. Trotzdem wollte ein Mitarbeiter es besser machen – nicht im Sinne von Geld, sondern im Sinne eines besseren Beitrags zur Gesellschaft. Seine Vision war, nicht nur Supermärkte zu bauen, sondern stadtplanerisch tätig zu werden. Er nannte das „New Urban Design“. Durch einige gezielte Aktionen bekam er so viel Aufmerksamkeit, dass das Management ihn in eine Tochtergesellschaft ausgliederte und ihm ein Budget gab.
Hatte er Erfolg?
Ja, er war schon im ersten Jahr profitabel. Letztendlich hat die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft wieder eingegliedert. Innerhalb weniger Jahre gab es also eine komplette Transformation des Unternehmens hin zu Urban Design. Wenn eine Firma es schafft, die offizielle Strategie mit solchen kreativen Strömungen zu verbinden, dann ist ein proaktiver Wandel ohne Krise möglich.
Sie sind bekannt dafür, dass Sie zu aktuellen Themen in Medien Stellung nehmen. Warum ist Ihnen das wichtig?
Das hängt mit meinem Berufsverständnis zusammen. Als Organisationsforscher haben wir ein sehr tiefgründiges theoretisches Verständnis, wie Strategieprozesse ablaufen. Es ist interessant für die Öffentlichkeit, wenn wir aktuelle Einzelprobleme in einen größeren Zusammenhang einordnen und erklären, warum andere ähnliche Probleme haben oder hatten. Ich finde auch, dass ich in meiner Forschung davon profitiere, weil ich einen besseren Blick auf aktuelle Probleme habe.
Was ist Ihr Selbstverständnis als Dozent?
Die Lehre ist mir extrem wichtig – vielleicht auch, weil ich ursprünglich Lehrer werden wollte. Ich sage den Studierenden immer: „Es genügt mir nicht, dass Sie etwas über Strategie wissen. Was ich eigentlich will, ist, dass Sie Strategen werden.“ Als Wissenschaftler sind wir extrem privilegiert. Die Gesellschaft bezahlt uns, damit wir forschen und lehren können. Unsere Gestaltungsfreiräume sind immens und mit großer Verantwortung verbunden. Ich sehe meine Verantwortung vor allem darin, dass Studierende aus meinen Kursen etwas mitnehmen für ihr Leben als Manager.
Was möchten Sie in den nächsten Jahren an der Universität Bamberg erreichen?
Zunächst habe ich die Chance, diesen Lehrstuhl aufzubauen, der für einige Jahre vertreten worden ist. Ich habe hier sehr viel Gestaltungsspielraum. In den nächsten Jahren möchte ich meine laufenden Forschungsprojekte zusammen mit Doktoranden weiterbearbeiten. Und ich würde gerne ein starkes Netzwerk zur lokalen, regionalen und überregionalen Industrie aufbauen.
Weitere Informationen über Martin Friesl finden Sie auf der Webseite des Lehrstuhls.