Die Ausstellung kann man mit allen Sinnen erleben

Nicht nur die Geschichte des Unternehmens und seiner Mitarbeiter wird erzählt, der Besucher erfährt auch etwas über die Textilindustrie und die damit verknüpften Redewendungen

Das Gelände der Fabrik im Jahr 1908 (Foto aus Semlinger, Heinrich: Beitrag zur Geschichte der mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg. Bamberg 1908)

Claudia Knoll, Andreas Dornheim und Vizepräsident Guido Wirtz eröffneten die Ausstellung (v.l.n.r., Foto: Martina Bay)

- Martina Bay

Am seidenen Faden

Ausstellung über die ERBA und ihre Arbeiter

In der deutschen Sprache gibt es viele Redewendungen aus der Textilbranche: „spindeldürr“, „jemand spinnt“, „den Faden verlieren“ oder „den Bogen raus haben“. Den Bogen raus hatten auf jeden Fall der Bamberger Großhändler Friedrich Krackhardt und der Augsburger Unternehmer Ludwig August Riedinger. Sie gründeten 1858 die „Mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei Bamberg“ im damals selbständigen Ort Gaustadt, das erste Großunternehmen, das sich in der direkten Nachbarschaft zur Stadt ansiedelte. Derzeit entsteht auf dem ehemaligen Fabrikgelände ein neues Universitätsgebäude, daneben findet die Landesgartenschau statt.

„Lokale Geschichte ist wichtig und braucht viel Unterstützung“

Die Landesgartenschau ist ein guter Grund, um die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Textilunternehmens und seiner Mitarbeiter ins Gedächtnis zu rufen, dachten sich Prof. Dr. Heidrun Alzheimer, Inhaberin des Lehrstuhls für Europäische Ethnologie, und Ausstellungsleiter Prof. Dr. Andreas Dornheim, Mitarbeiter des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte. Gemeinsam konzipierten sie die Ausstellung ERBA – verwobene Geschichte, die am 11. Mai auf der Landesgartenschau eröffnet wurde.

„Diese Ausstellung kann sich sehen lassen“, sagte Claudia Knoll, Geschäftsführerin der Landesgartenschau Bamberg, bei der Eröffnung. „Die Ausstellung ist in den Räumlichkeiten der Batteurshalle untergebracht. Ein authentischer Ort, der ein schönes Ambiente für die Texte, Fotos, Aufzeichnungen und Stoffballen bietet.“ Im Batteurraum wurde die als fester Ballen angelieferte Baumwolle „aufgeschlagen“, das heißt gelockert. Im Textiljargon wurde dieser Ort auch die „Hölle“ genannt. Die Ausstellung zeige, wie eng Kultur und Geschichte in Bamberg miteinander verbunden seien, ergänzte Prof. Dr. Guido Wirtz, Vizepräsident Forschung der Universität Bamberg: „Gerade auf lokale Geschichte kann man nicht verzichten, sie braucht viel Unterstützung.“

Mit allen Sinnen erleben

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Unternehmenskultur und der Arbeitnehmeralltag sowie der Einfluss der Baumwollspinnerei auf die Entwicklung der Stadt Bamberg und insbesondere auf den heutigen Stadtteil Gaustadt. Den Alltag der ERBA-Arbeiter können die Besucher der Ausstellung mit allen Sinnen erleben. Zu sehen gibt es zahlreiche Schautafeln mit Fotos, Kleidung und Täfelchen mit Sprichwörtern. Hören kann der Besucher das Klappern der Webstühle, einige Stoffe und Rohbaumwolle können auch angefasst werden.

Im Vorfeld der Ausstellung hatte Andreas Dornheim am Lehrstuhl für Europäische Ethnologie seit 2007 mithilfe qualitativer Interviews ehemalige Arbeiter der Baumwollspinnerei als Zeitzeugen befragt: Die Unternehmenskultur war von Anfang an durch umfangreiche Sozialleistungen geprägt. Das führte zu einer relativ großen Identifikation der Beschäftigten mit „ihrer“ Firma, die sich unter anderem darin äußerte, dass oftmals mehrere Generationen aus einer Familie dort arbeiteten.

Einfluss auf die Bevölkerungsstruktur Gaustadts

In den 1880er Jahren blühte die Textilindustrie in Deutschland auf, was bis zum ersten Weltkrieg anhielt. Während dieser Zeit arbeitete die Bamberger Fabrik mit 125.000 Spindeln. Das Unternehmen wurde auch baulich vergrößert. Hinzu kamen Wohnungen für die Arbeiter und deren Familien. Um 1913 arbeiteten fast 2.000 Menschen in der Spinnerei und Weberei. Das Unternehmen beeinflusste so auch die Bevölkerungsstruktur in Gaustadt: Im Jahr der Gründung 1855 hatte der Ort 430 Einwohner, 1880 lebten dort bereits 1.631 Menschen.

Den Namen ERBA führte die Fabrik ab 1927: Es kam zu einem Zusammenschluss des Bamberger Unternehmens mit einer Spinnerei und Weberei aus Erlangen zur „Baumwollspinnerei Erlangen-Bamberg“, kurz ERBA. 1971 erzielte das Gesamtunternehmen einen Jahresumsatz von etwa 250 Millionen Mark. Allerdings endete damit der Aufschwung. Johann Nepomuk Glöggler erwarb 1972 die Aktienmehrheit der ERBA und trieb das Unternehmen fast in den Ruin: Er belastete die Fabrik mit Hypotheken, kaufte neue Unternehmen und verspekulierte sich. Obwohl die ERBA in den achtziger Jahren wieder Gewinne machte, sank die Rentabilität. Die Verluste wurden größer und der Betrieb schließlich 1993 eingestellt.

Die Ausstellung

Noch bis zum 7. Oktober können alle Interessierte die Ausstellung auf dem Gelände der Landesgartenschau besuchen. Die Ausstellungsräume befinden sich im Gebäude neben dem ERBA-Turm und tragen die Nummer 55 auf dem Lageplan der Landesgartenschau. Ein Begleitheft zur Ausstellung, das knapp 90 Seiten umfasst und viele Fotos enthält, kann für 7,50 € in der Ausstellung oder im Buchhandel erworben werden.

Der Lehrstuhl für Europäische Ethnologie zeigt darüber hinaus eine weitere Ausstellung, die die Landesgartenschau begleitet: Pomologen im Ornat – Obstanbau im Namen Gottes.

Ansprechpartnerin für beide Ausstellungen ist: 

Prof. Dr. Heidrun Alzheimer

0951 - 863-2329 (Sekretariat)
0951 - 863-2328 (Durchwahl)
heidrun.alzheimer(at)uni-bamberg.de
www.uni-bamberg.de/euroethno