Eine (fast) weiße Welt
„Für mich findet Architektur in Weiß ihren klarsten Ausdruck“, sagt Stararchitekt Richard Meier in einem Interview mit faz.net. „Weiß vermag am stringentesten die architektonischen Prinzipien von Transparenz und Geschlossenheit zu vermitteln und eine Beziehung zwischen der durchgehenden Wandfläche und der Offenheit des Glases herzustellen.“ Der Pritzker-Preisträger ergreift damit Partei für ein Stilelement der zeitgenössischen Architektur, das ihr vielerorts den Ruf eingebracht hat, den Mut zur farbbetonten Gestaltung verloren zu haben. Doch Meier bekennt sich trotzdem zur „Unfarbe“, unter anderem, weil „Weiß bei der Verwendung unterschiedlicher Materialien im Bauwerk eine harmonisierende Wirkung hat.“
Wie diese Interpretationen von Weiß konkret erfahrbar werden können, lässt sich ab sofort auch in der AULA der Universität Bamberg entdecken. Deren 3-stufige Generalsanierung mit neuer Innenraumgestaltung ist zwar nicht unter den Händen Meiers entstanden, aber dennoch ein Plädoyer für die Ausdrucks- und Wirkungsformen dieser Farbe.
AULA muss verschiedenen Nutzungsarten gerecht werden
„Weiß ist das tragende gestalterische Element in Hauptraum, Chor und Seitenschiffen und sorgt hier für einen notwendigen Kontrast, aber auch für Einklang und Ausgewogenheit zu und zwischen den restaurierten Wandmalereien und den neu eingesetzten Langfenstern“, greift der Leiter des Staatlichen Bauamts Bamberg Jürgen König einen Aspekt der Farbgebung auf. Gemeinsam mit Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, Kanzlerin Dr. Dagmar Steuer-Flieser und Dr. Annette Faber, die die Sanierungsmaßnahmen auf Seiten des Landesamts für Denkmalpflege begleitet, konnte er sich bei einem Pressetermin vor Ort erste „baustellenfreie“ Eindrücke der sanierten ehemaligen Kirche machen.
Die Öffentlichkeit hat dazu am 9. November 2015 beim Dies Academicus erstmals Gelegenheit. Denn zur alljährlichen Geburtstagsfeier der Universität ist die rund 9 Millionen Euro teure Generalsanierung in größten Teilen abgeschlossen. Die ehemalige Dominikanerkirche, die vor 16 Jahren in die Verwaltung der Universität überging, kann wieder als Tagungs- und Vortragsraum, als Konzertsaal oder auch als Prüfungsraum dienen. „Den Ansprüchen dieser völlig unterschiedlichen Nutzungsarten gerecht zu werden, die Licht- und Haustechnik, Raumgestaltung und Akustik diesen Bedürfnissen anzupassen und dabei ein ästhetisches Raumkonzept zu hinterlegen, war eine unserer größten Herausforderungen“, erklärt Dagmar Steuer-Flieser.
Auf eine Nutzungsart ist Godehard Ruppert besonders stolz. „Viele traditionsreiche Universitäten im Ausland besitzen eine Assembly Hall, also einen Festsaal für akademische Ehrungen und Feierlichkeiten, die der Bedeutung der Universität als Ort akkumulierten Wissens angemessen Ausdruck verleiht“, erläutert der Präsident. „Mit unserer AULA holen wir diesen Ort, den es bislang hierzulande noch nicht gibt, nach Deutschland.“
AULA vereint Tradition und Moderne
Die AULA ist also mehr als ein multifunktional nutzbarer Veranstaltungsraum. In ihr manifestiert sich das Selbstverständnis der Universität Bamberg, Gegensätze zu vereinen, Altes und Neues, Traditionelles und Moderne. Der Farbe Weiß ist es zu verdanken, dass dieses prägende Identitätsmerkmal nicht nur im Nutzungskonzept, sondern auch in der Raumgestaltung abgebildet wird. Denn nur durch ihre Helligkeit können „die ‚alten‘ Elemente der denkmalgeschützten Bausubstanz wie Vertiefungen oder Erhebungen sichtbar zur Geltung kommen“, erläutert Jürgen König.
Ein weiterer Gegensatz, der an Meiers „architektonisches Prinzip von Transparenz und Geschlossenheit“ denken lässt, wird in den 8,5 Meter hohen, natürlich weißen, Cella-Wänden harmonisiert, die neben der Farbgebung, den Wandmalereien, den Langfenstern und der komplett unterirdisch verlegte Haustechnik zu den augenscheinlichsten Besonderheiten der neuen Innenraumgestaltung gehören.
Die jeweils 3,5 bis 4 Tonnen schweren Cella-Wände sind eine bewegliche Abtrennvorrichtung, die den ehemaligen Kirchenraum neu erleben lässt und die Raumakustik positiv beeinflusst. Sie sind durchlässig gestaltet, so dass sie den Blick auf die restaurierten Wandmalereien nicht vollständig versperren, sondern – je nach Position – den Blick des Betrachters sogar bewusst auf die Fresken lenken können.
AULA als Gegenstand von Forschung und Lehre
Diese gehören zu den Elementen, an denen auch nach Abschluss der Sanierungsarbeiten kräftig weitergearbeitet wird – sehr zur Freude von Annette Faber. „Es ist ein großes Plus der Universität, dass sie die ehemalige Dominikanerkirche nicht nur nutzt, sondern auch aus eigener Kraft erforscht und instand zu halten hilft“, erklärt die Denkmalpflegerin. Seit 2002 arbeiten Studierende und Lehrende an der Professur für Restaurierungswissenschaften in der Baudenkmalpflege daran, die über 600 Jahre Nutzungs- und Malereigeschichte, die sich in den Fresken verbirgt, zu sichten und zu konservieren.
Langfenster als weitere gestalterische Besonderheit
Auch der Dachstuhl genießt die besondere Aufmerksamkeit von Denkmalpflegern und Restauratoren. Er soll in Form eines Lehrpfads der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Stabilisierungs- und Eindeckungsmaßnahmen des Dachstuhls sind Teil der II. Sanierungsstufe, zu der auch die Erneuerung der Langfenster gehört. Sie gingen aus einem Künstlerwettbewerb hervor, den Günter Grohs gewann, und sind nicht-gegenständlich, sondern mit einer geometrisch-linearen Struktur gestaltet.
Durch die bunten Ornamente der insgesamt drei Glasebenen eines jedes Fensters und deren Abstand zueinander entsteht eine optisch-farbige Vielfalt, die sich je nach Standort und Blickwinkel im Raum unterschiedlich zeigt. Im Zusammenspiel mit der weißen Wandfarbe entsteht so keine sakrale Stimmung, sondern eine feierliche Atmosphäre. Sie gibt einen Hinweis darauf, wie eine harmonische Verbindung mehr sein kann als die Summe ihre Einzelteile. Nicht nur im Selbstverständnis der Universität Bamberg. Auch bei der Farbe Weiß.
Hinweis
Diesen Text verfasste Tanja Eisenach für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.
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