Programmieren am rosa Netbook
Simone Schineller, 25, steht kurz dem Abschluss ihres Masterstudiums „Angewandte Informatik“ und wird derzeit von einer Sorge umgetrieben: „Nach dem Studium haben mein Freund und ich die gleiche Qualifikation. Er studiert nämlich das gleiche wie ich. Aber ich befürchte, dass er als Mann immer bevorzugt wird, wenn wir uns auf die gleiche Stelle bewerben, weil man Frauen den Umgang mit Computern nicht zutraut.“ Ob derartige Sorgen allgemein berechtigt sind, beschäftigt auch Prof. Dr. Ute Schmid. Sie leitet das Projekt „Alumnae Tracking“ und will gemeinsam mit ihren Projektmitarbeiterinnen Silvia Förtsch und Anja Gärtig-Daugs herausfinden, warum es so wenige Frauen in Informatikberufen gibt. „Es gibt sehr viele Spekulationen, aber mehr auch nicht. Was bisher fehlt, ist eine Langzeitstudie, die die Karrierevorstellungen und Karriereverläufe von Frauen und Männern, die Informatik studieren und studiert haben, vergleicht.“
Informatik, ein Berufsfeld für Männer?
Dem Mangel an Frauen in Informatikberufen voraus geht die geringe Anzahl an Frauen, die sich für einen Informatikstudiengang entscheiden. Mit ihrem pinken Pullover, dem rosa Netbook und ihren lackierten Fingernägeln widerspricht Simone Schineller der offenbar weitverbreiteten Vorstellung von der Fachrichtung Informatik. Einer Studie zufolge halten 80 Prozent der Schülerinnen, Schüler, Studentinnen und Studenten Informatik für ein Berufsfeld für Männer. Dementsprechend wenige Frauen studieren in Deutschland Informatikstudiengänge. In Schinellers Master sind derzeit nur drei Frauen eingeschrieben – und 19 Männer. Deutschlandweit liegt der Frauenanteil bei knapp 20 Prozent, in Bamberg sogar bei fast 24 Prozent. Schineller vermutet: „Wahrscheinlich ist das typische Bild einer Frau nach wie vor sehr stark. Frauen sind angeblich in Mathe nicht begabt, sondern in Sprachen. Dabei war meine Mathe-Note auch nicht gerade berühmt.“ Für Informatik hat sie sich trotzdem entschieden. „Computer haben mich schon immer fasziniert. Da wollte ich das Studium wenigstens versuchen“, lautete ihr Motto, als sie sich für den Bachelor Angewandte Informatik immatrikulierte. Bereut hat sie ihre Entscheidung nicht.
Außerdem trauen sich Schülerinnen und Studentinnen offenbar weniger Technikbegabung zu. Eine aktuelle Vorstudie des Projekts „Alumnae Tracking“ zeigt, dass die Selbsteinschätzung von Studentinnen häufig deutlich schlechter ist, als ihre tatsächlichen Leistungen. Im Vergleich zu ihren Kommilitonen gaben die Studentinnen öfter an, nicht gut im Studium mithalten zu können. Das erstaunliche: Trotz dieser Aussagen lagen die Klausurergebnisse der Frauen fast eine halbe Note über denen der Männer. Simone Schineller kann das bestätigen: „Am Anfang des Studiums war ich viel aufgeregter vor Klausuren als mein Freund und hatte größere Angst und Selbstzweifel. Aber als ich dann gesehen habe, dass ich gute Noten bekam, hat sich das langsam beruhigt.“ Die Vorstudie legt nahe, dass Frauen auch für fleißiger als ihre Kommilitonen gehalten werden.
Neuartige Forschungsmethode
Das Projekt „Alumnae Tracking“ wird das Bild der Studierenden vom jeweils eigenen und anderen Geschlecht noch viel ausführlicher als die Vorstudie untersuchen. Das neuartige an der Studie ist die Wahl der Methode. In drei Wellen werden Studierende und Ehemalige zu verschiedenen Aspekten von Schule, Studium und Berufsleben befragt. Gerade wurden die ersten 900 Fragebögen verschickt. Aus den beantworteten Fragebögen werden dann sogenannte Matches gebildet. Dazu werden je ein weiblicher und ein männlicher Absolvent zu einem Paar zusammengefasst, die sich in den Merkmalen Alter, Abiturnote, Studiengang, Praktika, Abschlussnote und vielem mehr möglichst ähnlich sind. So wird ein möglichst guter Vergleich ermöglicht. Die Ergebnisse sollen zeigen, welche Karrierevorstellungen Frauen und Männer im Studium haben und ob Frauen selten in beruflichen Spitzenposten zu finden sind, weil sie ihre Karrierevorstellungen ändern oder weil ihnen Hindernisse im Weg stehen. „Kennt man die konkreten Ursachen für den geringen Anteil an Frauen in Mint-Berufen, lassen sich in einem zweiten Schritt dann konkrete Maßnahmen ableiten“, erklärt Schmid, die als einzige weibliche Professorin an der Bamberger Fakultät für Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik ist. Beispielsweise könne man Frauen im Studium gezielt positive Rückmeldungen geben und sie ermutigen, damit ihre Selbsteinschätzung ihr tatsächliches Können widerspiegele. „Und wenn sich herausstellt, dass die Ursache eher bie der Doppelbelastung in Familie und Beruf zu finden ist, müsste man eher gesellschaftspolitisch versuchen, etwas zu ändern. Um Simone Schineller macht sie sich aber keine Sorgen. „Sie ist eine sehr gute Studentin und wird mit Sicherheit ihren Weg gehen.“
Hinweis:
Diesen Pressetext verfasste Samira Rosenbaum für die Pressestelle der Universität Bamberg.