Alternative Studienformen gesucht?
Frederik Fröhlcke studiert in Bamberg im vierten Semester den Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik: „Technik hat mich schon immer begeistert.“ Dann erzählt er, wie er als Zehnjähriger seinen ersten Computer geschenkt bekam, wie er anfing, Webseiten zu programmieren und kleine PC-Reparaturen durchzuführen. Wer ihm das beigebracht hat? Na, niemand. Er sich selbst. Doch die Ausbildungsstellen im IT-Bereich waren dünn gesät, als er schließlich seinen Realschulabschluss in den Händen hielt. Außerdem: Bestnoten hatte er nicht unbedingt vorzuweisen. Fröhlcke absolvierte eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Seine Leidenschaft für Informatik ließ ihn aber auch in diesem Beruf nicht los: „Wenn ein PC kaputt war oder eine neue Software installiert werden musste, habe ich das übernommen.“ Nach Abschluss seiner Ausbildung wechselte er kurzerhand in die IT-Abteilung des Unternehmens. „Dort war ich drei Jahre lang für die Entwicklung und Realisierung verschiedener elektronischer Kommunikationswege zwischen der Firma und den Kunden und Lieferanten zuständig“, erzählt Fröhlcke und nennt im selben Atemzug noch zig weitere Aufgabenbereiche. Und genau das, die Vielfalt der unterschiedlichen IT-Projekte, mache für ihn den Reiz an der Arbeit im IT-Sektor aus: „Bei jedem Projekt muss man sich neu einarbeiten, stößt auf Schwierigkeiten, bei denen man zunächst keinen Plan hat, wie man diese angeht.“
Gesetzgeber ändert Hochschulzugangsberechtigung
Bald stellt Fröhlcke jedoch fest: „Mit einem Studium stehen mir beruflich wesentlich mehr Optionen offen.“ Dass er mit seinem an einer Abendschule nachgeholten Fachabitur keine allgemeine Hochschulreife erlangt hat, ist für Berufstätige wie ihn seit 2008 kein Hindernis mehr. Denn in diesem Jahr einigte sich die Hochschulrektorenkonferenz auf eine „Neuordnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte“ und formulierte das Ziel, den sogenannten dritten Bildungsweg zu vereinfachen. Im März 2009 stellte die Kultusministerkonferenz einheitliche Regelungen für den Hochschulzugang ohne Abitur auf: Wer wie Frederik Fröhlcke eine mindestens zweijährige Berufsausbildung abgeschlossen hat und mindestens drei Jahre Berufserfahrung vorweisen kann, darf demzufolge in einem fachlich verwandten Bereich ein Studium beginnen. Inhaber eines Meistertitels können ein Fach ihrer Wahl studieren, ohne eine Eignungsprüfung ablegen zu müssen. Ihr Abschluss ist somit der allgemeinen Hochschulreife, dem Abitur, gleichgesetzt.
Bewerbungsschreiben, Beratungsgespräch, Immatrikulation
Vor diesem Hintergrund entschied sich Fröhlcke kurzentschlossen für ein Studium und wählte das Fach Wirtschaftsinformatik in Bamberg: „Die Mischung aus BWL, Projektmanagement und Informatik ist genau das, was ich in den letzten Jahren gemacht habe.“ Von der Bamberger Wirtschaftsinformatik hatte er bereits von einer Freundin allerhand Gutes gehört. Nach einem Telefonanruf in der Studentenkanzlei verfasste er noch am selben Tag sein Bewerbungsschreiben: „Auf dem Papier bin ich ein Kaufmann mit Berufserfahrung im IT-Bereich – nun musste ich darlegen, warum ein Wirtschaftsinformatikstudium meinem bisherigen Werdegang entspricht.“ Dann folgte ein Beratungsgespräch bei der Zentralen Studienberatung – obligatorisch für alle Studieninteressierten ohne Abitur. Hierbei geht es darum, den Studierenden aufzuzeigen, welche Anforderungen im Studium an sie gestellt werden und welche Inhalte es umfasst. Nach einer knappen Stunde erhielt Fröhlcke einen Beratungsschein. Den legte er zusammen mit einer Ausbildungsbescheinigung und einem Nachweis seiner Berufstätigkeit bei der Immatrikulation vor.
„Ein großer Schritt“
Für sein Studium kündigte Fröhlcke seine Arbeitsstelle: „Es ist ein großer Schritt, eine Festanstellung und die damit verbundene finanzielle Sicherheit aufzugeben.“ Mit elternunabhängigem BAföG und zwei Arbeitsstellen finanziert er sein Studium: 30 Stunden pro Monat arbeitet er als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Industrielle Anwendungssysteme (IAWS). Als die Stelle im August 2011 ausgeschrieben wurde, setzte sich Fröhlcke gegen seine Mitbewerber durch – dank seiner Praxiserfahrung. Zudem ist er in seiner alten Firma als Werkstudent tätig: „Auf diese Art und Weise halte ich den Kontakt zu meinem alten Arbeitgeber und kann nach Abschluss des Bachelor-Studiums hoffentlich wieder einsteigen.“ Schließlich habe ihm die Arbeit dort sehr viel Spaß gemacht. Und noch einen Vorteil sieht Fröhlcke in dieser ungewöhnlichen Studienform: „Anders als viele meiner Kommilitonen ohne Berufserfahrung weiß ich jetzt schon, weshalb und mit welcher Zielsetzung ich Wirtschaftsinformatik studiere.“ Dementsprechend wählt er bereits jetzt seine Kurse nach dem Kriterium aus, ob die Inhalte für seine spätere Berufstätigkeit von Nutzen sein werden.
Theorie als Herausforderung
Die Begeisterung für das eigene Fach und die konkreten Berufsperspektiven tragen Fröhlcke durch das Studium. „Bei ein paar Dingen tue ich mich schwerer als meine Kommilitonen“, gibt er zu: „Gerade bei Mathe und Englisch fehlt es mir an Grundlagenwissen.“ Punkten kann er dagegen in den praxisorientierten Informatik-Veranstaltungen. Mit einer gehörigen Portion Fleiß und Ehrgeiz hat er nach den ersten beiden Semestern die Zielvorgabe von 40 ECTS-Punkten erfüllt. Dieses „Probestudium“ verlangt der Gesetzgeber von beruflich Qualifizierten mit fachgebundenem Hochschulzugang, nur dann darf weiterstudiert werden. „Ganz schön knapp war’s“, schmunzelt Fröhlcke und ist froh, sich an das Abenteuer Studium herangewagt zu haben. „Mir war, als ich angefangen habe, klar: Wenn nicht jetzt, dann nie!“
Zahlen und Fakten rund um das Studium für beruflich Qualifizierte an der Uni Bamberg
Im Wintersemester 2011/12 schrieben sich 2862 Männer und Frauen neu ins erste Semester für ein Studium an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ein. In die Kategorie der beruflich Qualifizierten ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung fielen davon etwa ein Prozent (28 Personen). Derzeit sind 96 Studierende mit beruflicher Qualifikation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg immatrikuliert. Etwa ein Drittel davon im Bachelorstudium Betriebswirtschaftslehre. Stark vertreten sind auch Pädagogik beziehungsweise Sozialpädagogik und Lehramts-Studiengänge. Doch das Fächerspektrum der beruflich Qualifizierten ist breit: Es umfasst beispielsweise auch die Studiengänge Psychologie, Wirtschaftspädagogik, Germanistik, Slawistik und Archäologie.