Der Bamberger Historiker Prof. Dr. van Eickels (Bild: Klein)

- Konstantin Klein

Abstammung oder Zustimmung?

Der Bamberger Historiker Klaus van Eickels sprach über Wahlen im Mittelalter

Lange hielt sich das Unbehagen, Mehrheiten könnten auch unsachgerechte, ja sogar gefährliche Entscheidungen treffen, so Prof. Dr. Klaus van Eickels, der zum Wintersemester den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte übernahm, in seiner Antrittsvorlesung. Im Mittelpunkt seines Vortrags stand die Frage nach dem Legitimitätspotential der Wahl im Mittelalter.

Hoch geschätzt wurde die freie Wahl im Kirchenrecht. „Vox populi, vox dei“ („Des Volkes Stimme ist Gottes Stimme“) war die Formel, mit der sich aus kirchlicher Sicht jede Besetzung eines Amtes durch Wahl rechtfertigen ließ. Weniger eindeutig sah es bei der Königswahl aus: „Die Möglichkeit einer Wahlentscheidung bot sich den Großen des Reiches vor allem dann, wenn kein eindeutig durch seine Herkunft legitimierter Nachfolger bereitstand.“ Van Eickels verwies darauf, dass in der Tat eine Entscheidung ausschließlich aus einer Wahlhandlung heraus, aus weltlicher Sicht als defizitär angesehen wurde. Am Beispiel Friedrichs II. und Graf Robert von Artois zeigte er, dass der consensus fidelium, die Zustimmung der Getreuen, notwendig sei, zur Herrschaftsbegründung aber nicht ausreiche, um gegen einen Gegner zu bestehen, der zusätzlich seine Abstammung als Argument einsetzen könne.

Von der freien Abtswahl zum „Schreckenskonklave“

Der Gedanke der freien Wahl bei der Besetzung kirchlicher Ämter wurde maßgeblich durch die Reformklöster, allen voran die Abtei „Cluny“ (Frankreich), geprägt. Das dort entstandene Prinzip der freien Abtswahl wurde nach und nach auf die Wahl des Papstes und der Bischöfe übertragen, so van Eickels. Doch hier zeige sich auch ein etwaiger Nachteil des Systems: Mitunter kam es zu überaus langwierigen Einigungsprozessen. Als Beispiel führte er das so genannte „Schreckenskonklave“ von 1241 an: „64 Tage lang harrten die Kardinäle in brütender Sommerhitze eingesperrt aus.“ Der römische Senator Matteo Orsini ergriff diese radikale Maßnahme, um die Kardinäle nach dem Tod Gregors IX. zur raschen Wahl eines Nachfolgers zu zwingen, der Kaiser Friedrich II. vom Kirchenbann lossprechen konnte. Man einigte sich schließlich nach zwei Monaten auf einen Kompromisskandidaten: Gewählt wurde der Älteste und Schwächste der Kardinäle. Das Konklave ging zu Ende, sechzehn Tage später starb der Gewählte. „Diese Zeit hatte allerdings für die Kardinäle ausgereicht, aus Rom zu fliehen und sich so einem weiteren Konklave zu entziehen.“

Zwischen christlicher Demut und Entscheidungsschlacht

Als wesentliche Unterschiede zu modernen Vorstellungen von einer Wahl stellte van Eickels heraus, dass es zum ersten keine Kandidaten gegeben hatte, die sich um das Amt hätten bewerben können. Christliche Demut gebot es nicht, nach einer Rangerhöhung zu streben: „Man musste sich das Amt aufdrängen lassen.“ Zum zweiten verwundere es den modernen Betrachter, dass die bindende Wirkung einer Wahlentscheidung keineswegs selbstverständlich war. In einer Gesellschaft, die sich durch das Fehlen einer „Kultur des Nein-Sagens“ präsentierte, galt es als unvorstellbar, sich dem Risiko auszusetzen, mit einer Forderung zu scheitern. Ließ sich wirklich keine eindeutige Entscheidung finden, musste der Thronstreit auf einer anderen Ebene ausgetragen werden: „Als Gottesurteil bot sich dazu aus weltlicher Sicht allein die Entscheidung in der Schlacht an.“

Van Eickels, der in Kevelaer (Nordrhein-Westfalen) geboren wurde, studierte in Düsseldorf, München und Aix-en-Provence, promovierte an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und erhielt für seine Habilitation den Habilitationspreis der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, an der er seit 1994 – mit Unterbrechungen – bereits diverse Lehrtätigkeiten ausübte.