Benjamin Herges/Universität Bamberg

Zu seiner Abschiedsvorlesung bekamen Sebastian Kempgens Familienmitglieder Ehrenplätze in der ersten Reihe.

Benjamin Herges/Universität Bamberg

Über 200 Gäste füllten die AULA.

Benjamin Herges/Universität Bamberg

Anna-Maria Meyer lobte ihren Doktorvater Sebastian Kempgen besonders für den Umgang mit den Studierenden.

Benjamin Herges/Universität Bamberg

Die Universitätsleitung ernannte Sebastian Kempgen zum Emeritus of Excellence an der Trimberg Research Academy (TRAc).

- Patricia Achter

Nach 27 Jahren räumt er sein Büro

Slavist Sebastian Kempgen verabschiedet sich

Auf jeder noch so kleinen Fläche stapeln sich die Bücher: Das Standardwerk Grammatik der russischen Verben liegt neben dem Handbuch Die Kirchen und Klöster Moskaus, die Prof. Dr. Sebastian Kempgen selbst geschrieben hat. In einem Regal steht das etwa 2.300 Seiten umfassende Werk Die slavischen Sprachen. Ein internationales Handbuch, das Sebastian Kempgen maßgeblich herausgegeben hat. Die Regale und Tische im Büro beheimaten weitere Druckwerke über die slavische Sprach- und Kulturwissenschaft: über Schrift, Grammatik und Sprachtypologie, Kunst, Kulturgeschichte und mehr. Inmitten dieser Flut an Wissen steht der Schreibtisch des zuletzt dienstältesten aktiven Professors an der Universität Bamberg. 27 Jahre lang hat Sebastian Kempgen hier Publikationen geschrieben, Lehrveranstaltungen vorbereitet, Studierende beraten. Nun geht er in den Ruhestand – nicht, ohne eine Abschiedsvorlesung gehalten zu haben. Viele Weggefährten folgten seiner Einladung, sodass die AULA mit über 200 Gästen gut besucht war.

Kiew, die „Mutter aller russischen Städte“

In der Vorlesung am 12. Juni 2018 sprach Sebastian Kempgen über die Gründungslegende der ukrainischen Hauptstadt Kiew, der „Mutter aller russischen Städte“. Es war ein politisches Statement angesichts der gegenwärtigen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Und es war ein Beitrag, der beispielhaft für die aktuellen slavistischen Forschungen in Deutschland steht. „Früher war die Slavistik vom Russischen dominiert, jetzt steuert man bewusst entgegen, indem zum Beispiel Weißrussland und die Ukraine im Fokus stehen“, begründete Sebastian Kempgen das Thema seiner letzten offiziellen Vorlesung. Und wer wüsste über die Entwicklungen in der Slavistik besser Bescheid als er? „Sebastian Kempgen entwickelte SlavLing, also die Slavische Sprachwissenschaft, zu einem echten Leuchtturm der deutschen universitären Slavistik“, lobte ihn Prof. Dr. Markus Behmer, Dekan der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften.

Festschrift zu Ehren Sebastian Kempgens

Auf seine Verdienste für die Bamberger und deutschlandweite Slavistik ging auch Dr. Anna-Maria Meyer ein, die bei ihm promoviert hatte. Sie erinnerte an seine Tätigkeiten als DFG-Fachgutachter für Slavische Sprachwissenschaft (2000-2004) und als Vorsitzender des deutschen Slavistenverbandes (2006-2010). Anna-Maria Meyer ist eine der Herausgeberinnen der Festschrift für Sebastian Kempgen zum 65. Geburtstag. Als Höhepunkt der Abschiedsvorlesung übergab sie ihm ein Exemplar. Die Festschrift ist frei online verfügbar – ganz im Sinne Sebastian Kempgens, der selbst großen Wert darauf legt, dass viele seiner wissenschaftlichen Publikationen der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich sind. Auf der Veröffentlichungsplattform academia.edu steht in seinem Profil das Symbol eines Pokals mit dem Hinweis „top 2%“, weil es zu den meistgesehenen Profilen der Plattform gehört.

Exkursionen auf den Balkan

Nicht nur für seine Forschung, auch für seine Lehre und den Umgang mit den Studierenden lobte Anna-Maria Meyer ihren Doktorvater: „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass er von den Studierenden enorm geschätzt wird für seine Erreichbarkeit zu praktisch jeder Tages- und Nachtzeit, sein Verständnis für die verschiedensten Lebenslagen eines Studierenden und seine klugen Lösungen.“ Außerdem führte er regelmäßig mit Studierenden Exkursionen auf den Balkan durch – seine letzte Exkursion nach Bulgarien beendete er zwei Tage vor der Abschiedsvorlesung. An der makedonischen Universität Bitola wurde er 2013 wegen seiner Forschungsarbeiten und seiner Initiative zur universitären Kooperation sogar zum Honorarprofessor ernannt.

Verdienste um die universitäre Selbstverwaltung

Auch Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert reiste schon bei einer Exkursion nach Makedonien mit. Er würdigte bei der Abschiedsvorlesung insbesondere Sebastian Kempgens Einsatz in der universitären Selbstverwaltung: „Vier Jahre Dekan und neun Jahre Vizepräsident für Lehre und Studierende sind allein in dieser Summe ein untrügliches Zeichen für sein Engagement für die Otto-Friedrich-Universität.“ Als sichtbares Zeichen ernannte er ihn zum Emeritus of Excellence an der Trimberg Research Academy (TRAc). Die Universitätsleitung bestellt entpflichtete oder im Ruhestand befindliche Professorinnen und Professoren, die sich in der Forschung und für die Otto-Friedrich-Universität Bamberg in ganz besonderer Weise verdient gemacht haben, als Emeriti of Excellence. Dadurch werden sie weiterhin an die Universität angebunden.

Wegen seines Wirkens als Slavist und Vizepräsident wurde Sebastian Kempgen 2016 bereits mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Neben all den beruflichen Würdigungen fanden die Festrednerinnen und -redner auch persönliche Worte für den Mann, der gerne bunte Krawatten trägt, in einer Blues-Rock-Band den Bass spielt und scheinbar immer gut gelaunt ist – selbst in den Jahren, in denen er als Vizepräsident für Lehre und Studierende die Systemakkreditierung der Universität Bamberg federführend vorangebracht hat.

Wissenschaftliche Erkundungen im Ruhestand

Im Ruhestand, der seit dem 1. April 2018 besteht, wird Sebastian Kempgen sich weiter mit Akkreditierungen beschäftigen: Seit dem 1. Mai 2018 ist er Vorstandsvorsitzender des Akkreditierungs-, Certifizierungs- und Qualitätssicherungs-Institut Acquin, das den Systemakkreditierungs-Prozess an der Universität Bamberg begleitet hat. Und auch der Forschergeist wird nicht zur Ruhe kommen, wie seine Ehefrau Cornelia Mühlhoff-Kempgen in der Festschrift schreibt: „Abschließend ist, nach über vierzigjähriger Begleitung dieses Slavisten, zu vermuten, dass auch im Ruhestand mit weiteren hartnäckigen und originellen Erkundungen sprachwissenschaftlicher Art zu rechnen ist.“ Fragt sich noch, was mit all den Büchern in seinem Büro passiert, das er zum Ende des Sommersemesters räumt? „Die meisten davon werden wohl nach Hause transferiert, denn ich will ja weiter forschen“, sagt Sebastian Kempgen lächelnd. „Ein Teil wird aber auch aussortiert, ein Teil verschenkt.“