ID-Logics - Artbestimmung leicht gemacht.
Inhalt und Ziele
ID-Logics ist die neue Form, Arten überall und einfach zu bestimmen.
Seit Jahrzehnten ist der Bestand von Insekten und anderen Arten rückläufig und die negative Bestandsentwicklung setzt sich fort. Einher mit dieser Entwicklung des Artensterbens ist auch ein Rückgang an Personen zu verzeichnen, die sich mit der Bestimmung („Artenkennern“) und dem Schutz von Lebewesen auskennt und ihn aktiv betreiben. Die Kenntnisse über Tiere und Pflanzen sind aber der entscheidende Schlüssel zum Verständnis und zum Schutz der Natur. Doch trotz der gesellschaftlichen und ökologischen Bedeutung der biologischen Vielfalt geht dieses Wissen zusehends verloren. Ein Schritt, die Gesellschaft positiv zu verändern, ist die Formulierung einer „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt” der Bundesregierung sowie die Ausrufung der UN-Dekade der Biodiversität 2011-2020. Zudem wurde das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auch in die Lehrpläne aller Schulen aufgenommen. Die erstaunliche Erfahrung ist, dass es Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nicht an Lernwilligkeit und Neugier mangelt. Allerdings ist es ohne naturwissenschaftliche Vorbildung oft zu kompliziert, Arten zu identifizieren. Was bisher eine notwendige Auseinandersetzung mit komplexer Fachliteratur war, kann ab sofort von einem digitalen System übernommen werden. Im Projekt „ID-Logics“ soll dabei die Affinität von Jugendlichen zu digitalen Medien mit ihrer Neugier verknüpft werden.
Ziel des Projektes ist es, den Prozess der Artbestimmung fachdidaktisch zu erheben und darauf aufbauend ein digitales Bestimmungssystem zu entwickeln. Als Ergebnis wurde die App „ID-Logics“ entwickelt, die eine eigene Intelligenz besitzt. Sie stellt anhand einer internen Logik gezielte Fragen zu ganz unterschiedlichen Merkmalen, die sich ganz einfach beantworten lassen. Wir haben über fünf Jahren intensiv an dieser Logik unter Förderung der DBU, der Joachim Herz Stiftung und der Bingo-Umweltstiftung gearbeitet und sie zusammen mit Experten und Novizen erprobt. Dieses Vorgehen besitzt mehrere Vorteile, die so von einem analogen Medium nicht erreicht werden können. Wir kooperieren hierbei in mehreren Unterprojekten mit Schulen, Nationalparks, Umweltschutzverbänden und mit anderen Fachdisziplinen wie u.a. Medieninformatik, Fachwissenschaften und Partnern der Wirtschaft.
Alle Artengruppe unter einem Dach
Alle Bestimmungsschlüsse für die Artengruppen finden sich in der Dach-App ID-Logics. Nachdem die BEstimmungsschlüssel in die App geladen wurden, sind sie offline benutzbar. Bisher sind folgende Bestimmungsschlüssel erschienen:
- Muscheln und Schnecken
- Bäume und Sträucher
- Wildblumen
- Frühjahrsblüher
- Mitteleuropäische Hummeln
- Ameisen
- Amphibien und Reptilien
- Eulen
Weitere Artenbgruppen sind in der Entwicklung und die App wird ständig erweitert.
Methode
Viele empirische Studien der Lehr-Lernforschung weisen immer wieder auf die Kluft zwischen Forschung und Innovationen im Bildungsbereich hin (u.a. Klees & Tillmann, 2015; Gräsel 2010; Reinmann 2005). Herausforderung ist dabei der Transfer von lerntheoretischen Erkenntnissen in unterrichtspraktische Innovationen, was als Theorie-Praxis-Problem beschrieben wird. Diese Problematik umfasst auch die Implementierung von Neuerungen wie der Digitalisierung in den Unterricht ein (Kuhn, Ropohl & Groß, 2017; Reinmann & Vohle 2012; Einsiedler 2010). Im Projekt „ID-Logics“ begegnen dieser Hausforderung durch den Design-Based Research Ansatz (DBR) sowie mit dem Modell der Didaktischen Rekonstruktion (MDR).
Im DBR-Ansatz werden grundlegende Implementierungsmerkmale von Anfang an bei der Entwicklung identifiziert und die Wirkung der Innovation vor lerntheoretischem Hintergrund untersucht. Ziel dieses Ansatzes ist es, neue Theorien und Rahmenbedingungen für die Konzeptualisierung von Lernen, Unterricht, Designprozessen und Bildungsreformen zu generieren. Die Datenanalyse erfolgt dabei in Form von iterativen Vergleichen. Damit wird eine Verknüpfung zwischen anwendungs- und theoriebasierter, mit erkenntnisorientierter Forschung erreicht (u.a. Design-Based Research Collective 2003).
Mit dem Modell der Didaktischen Rekonstruktion (MDR) (Gropengießer & Kattmann 2009) liegt ein Entwicklungs- und Untersuchungsrahmen vor, der eine gleichberechtigte Berücksichtigung von Fach- und Alltagsvorstellungen erlaubt. Um unsere Lernangebote didaktisch strukturiert entwickeln zu können, wurden fachliche Termini sowie relevante wissenschaftliche Vorstellungen geklärt. Diese wurden mit den Lernerpotenzialen in Beziehung gesetzt und so Lernbedingungen und Lernvoraussetzungen erfasst. Das Modell wurde in diesem Forschungsvorhaben genutzt, um die entwickelten Lernangebote zur Artansprache empirisch zu evaluieren und prozessbegeleitend zu optimieren (vgl. Groß, 2012). Lernerperspektiven wurden durch Vermittlungsexperimente (Steffe & D'Ambrosio 1996) erhoben und qualitativ analysiert (Gropengießer 2005).
Gesellschaftliche Relevanz und Nutzung der Ergebnisse
Weltweit sterben täglich Tier- und Pflanzenarten auf der Erde aus. Das Team von ID-Logics hat sich der Herausforderung gestellt, Artenkenntnisse einem großen Kreis von Interessierten zugänglich zu machen und so zur Artenkenntnis beizutragen. Bereits während der Entwicklung wurden Schüler, Studierende und Mitarbeiter aus Naturschutzverbände, Natur- und Nationalparks integriert.
Als Ergebnis unserer Forschung wurde die App ID-Logics kostenlos in alle gängigen Stores gestellt. Die App besitzt folgenden Vorteilen:
- Einfachheit: Die App benötigt sehr viel weniger und einfachere Fragen und kommt so schneller zur gesuchten Art.
- Interaktivität: Die App berechnet jeweils die richtige Frage und bietet dabei nur diejenigen Fragen bzw. Antworten an, die noch Sinn ergeben und erhöht damit die Genauigkeit.
- Hilfestellungen: Die App bietet Unterstützung durch kurze Filme an schwierigen Stellen und hilft somit bei der Bestimmung.
- Fehlertoleranz: Die App reagiert fehlertolerant, d.h. bei schwierigen fachlichen Fragen führt auch eine Fehlantwort nicht gleich zu falschen Ergebnissen.
- Nachvollziehbarkeit: Die Auswirkungen der Antworten werden unmittelbar dargestellt, alle Schritte sind stets nachvollziehbar und veränderbar.
- Vergleichbarkeit und Verifikation: Die App bietet durch Bilder und Texte Hilfen zur Überprüfung der gefundenen Art.
- Meldemöglichkeit: Die identifizierten Arten können über eine Sichtungsliste mit GPS-Koordinaten, Fotos und weiteren Informationen gespeichert werden.
Durch Betrachtung von ähnlichen Arten wird der Fehlbestimmung entgegengewirkt und Unterschiede erlernt. Weiterer Vorteil der App ist, dass sie – einmal installiert – keine Internetverbindung braucht und mobil auch mit in die Natur genommen werden kann.
Ein Content Management System (CMS) ermöglicht Partizipation in der Digitalisierung
Mit der Realisierung eines Content Management Systems (CMS) wurde die Idee einer Lehr-/Lernplattform umgesetzt. Das CMS ermöglicht es, auf einfache und intelligente Weise neue Datenbanken zu entwickeln und diese als „In-App-Purchase“ in der App ID-Logics zu veröffentlichen. Mit Förderung der Joachim Herz Stiftung haben Studierende im WiSe 20/21 eine App von Studierenden für Studierende entwickelt. So haben Studierende mit Beginn der Corona Pandemie und der damit einhergehenden Notwendigkeit der Digitalisierung die Eulen-App im Seminar selbstständig entwickelt und auch über das CMS veröffentlicht.
Bamberger Kompetenzen
Für die aktuelle Generation unserer Studierenden und Schülerinnen und Schüler gehören Smartphone, WLAN und mobile Endgeräte mit Internetzugang ganz selbstverständlich zur Lebenswelt. In die Schulen finden digitale Medien aber nur ganz allmählich Einzug. Es stellt sich die Herausforderung, wie diese neuen Technologien zukünftig in institutionelle und private Lehr-Lern-Situationen sinnvoll integriert werden können und welcher Mehrwert sich daraus ergeben kann.
Das Projekt „ID-Logics“ nutzt die Digitalisierung mit viele Bezugspunkte zur Didaktik und zum Lehren und Lernen an der Universität an und verbindet deren Kompetenzen. Der gestaltende Zugang einschließlich der technologischen und organisatorischen Umsetzung ist dabei ebenso von Interesse wie die empirische Evaluation. Dazu baut das Projekt auf der Digitalisierungsstrategie der Universität Bamberg auf. Es nutzt bestehende Erfahrungen zu Fragen nach der langfristigen Sicherung, Speicherung und öffentlich zugänglichen Bereitstellung von Ergebnissen, der bestmöglichen Vermittlung von informatischen Kompetenzen an die nachfolgenden Generationen oder die Übertragung von analogen Prozessen in die digitale Welt.
Das Projekt kooperiert mit folgenden Einrichtungen der Universität:
- zur Digitalisierungsstrategie: www.uni-bamberg.de/universitaet/profil/ ziele-und-perspektiven/digitalisierungsstrategie
- zum Kompetenzzentrums für Digitales Lehren und Lernen (DigiZ):www.uni-bamberg.de/zlb/ kompetenzzentren-referate/digi
- zum Zentrum für innovative Anwendungen der Informatik (ZIAI): www.uni-bamberg.de/zentren/ zentrum-fuer-innovative-anwendungen-der-informatik
- zur Digitalisierung in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung (DigiLeb) im Rahmen von WegE II: https://www.uni-bamberg.de/wege/digileb-digitalisierung-in-der-lehramtsbildung/
Aktuelle Publikation
Fachdidaktische Publikationen
- Groß, J., Langstein, J., Paul, J., & Ritter, E. (2019). Identification of Ants – development of the learner-oriented digital tool ID-Logics. World Journal of Chemical Education, Vol. 8, No. 1, 21-28. (online hier)
- Groß, J., Affeldt, S. & Stahl, D. (2019). Find my Name! Evidence-based Development of an Interactive Species Identification Tool. In: I. Eilks, S. Markic & B. Ralle (Eds.). Science education research and education for sustainable development. Aachen: Shaker, 97-108.
- Groß, J. (2018). Kann man da das Internet auch ausschalten? – Digitale Werkzeuge im Spannungsfeld zwischen Spielen und Lernen im naturwissenschaftlichen Unterricht. In: Bär, Grädler & Mayr (Hrsg.), Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht. Berlin: Springer Verlag, S. 47-61.
- Kuhn, J., Ropohl, M. & Groß, J. (2017). Fachdidaktische Mehrwerte durch Einführung digitaler Werkzeuge. In: J. Meßinger-Koppelt, S. Schanze & J. Groß (Hrsg.), Lernprozesse mit digitalen Werkzeugen unterstützen - Perspektiven aus der Didaktik naturwissenschaftlicher Fächer. Hamburg: Joachim Herz Stiftung Verlag, 11-33.
- Groß, J. (2014). Schülervorstellungen zur Artansprache als Basis für ein neues Bestimmungsinstrument. In: Michel, U., Siegmund, A., Ehlers, M., Jahn, M. & Bittner, A. (Hrsg.). Digitale Medien in der Bildung für nachhaltige Entwicklung. München: eokomm Verlag, 68-76.
- Affeldt, S., Groß, J. & Stahl, D. (2012): Die Artansprache verstehen - eine evidenzbasierte Analyse des Bestimmungsweges. In: Harms, U. & Bogner, F.X. (Hrsg.): Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik. Band 5, Innsbruck: StudienVerlag, 185-202.
Beiträge zu Unterrichtspraxis
- Groß, J. (2019). Lernen mithilfe von digitalen Medien in naturwissenschaftlichen Fächern – Chancen und Schwächen neuer Lehr-/Lernformate. In: S. Lin-Klitzing, D. Di Fuccia & G. Müller-Frerich (Hrsg.), Gymnasium – Bildung – Gesellschaft. Berlin: Deutscher Philologenverband (in print).
- Groß, J. (2018). Die App ID-Logics als digitale Bestimmungshilfe. In: J. Meßinger-Koppelt & J. Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) Naturwissenschaften Digital. Hamburg: Joachim Herz Stiftung Verlag, 56-60. (Download der Toolbox als PDF hier)
- Groß, J. (2017). Digitale Bestimmungshilfen - Digitale Medien zur Vermittlung von Artenkenntnis. Biologie im naturwissenschaftlichen Unterricht 5-10, Heft 19. Seelze: Friedrich-Verlag, 22-25.
- Groß, J. (2016). Das Digitale Klassenzimmer. In. Aufbrüche. Joachim Herz Stiftung (Hrsg.), Hamburg: Tempus Corporate Verlag, 24-26.
- Groß, J. & Lehnert, H.-J. (2013). Was wächst denn da? Artenvielfalt im Lebensraum entdecken. In: Unterricht Biologie 386 (37), Friedrich Verlag, Hannover, 38-41.
Auszeichnungen
Die App wurde mehrfach ausgezeichnet, sie wurde u.a. erwähnt in:
- Ars legendi-Fakultätenpreis für exzellente Hochschullehre Mathematik und Naturwissenschaften 2017
- „ID-Logics“ ist ausgezeichnetes Projekt der UN Dekade Biologische Vielfalt
Weitere Informationen
Herausgeber:
Prof. Dr. Jorge Groß, Universität Bamberg, Markusplatz 3, Didaktik der Naturwissenschaften, 96047 Bamberg.
Umsetzung:
INITREE Software GmbH, Schwedter Straße 23, 10119 Berlin.
Förderung:
Das Projekt wird gefördert von der Bingo-Umweltstiftung Hannover und der Joachim Herz Stiftung, Hamburg.
Android:
(Erforderliche Android-Version 5 oder höher. Kompatibel mit Android Tablets und Smartphones)
play.google.com
Apple
(Kompatibel mit iOS 9.0 oder neuer. Kompatibel mit iPhone, iPad und iPod touch)
App Store
Web
(erfordert einen Webbrowser für Windows, Apple, Linux, iOS, Android o. Ä.)
www.id-logics.com
Bilder
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