„Das Leben ist ein Kompromiss“
MdB Andreas Schwarz besucht Public Affairs-Übung der Universität Bamberg
von Daniel Maier
Bamberg – Einen ganz besonderen Gast hat am Freitag, 20. November 2015, die Übung „Verbändekommunikation/Public Affairs“ im Fach Kommunikationswissenschaft der Universität Bamberg begrüßt. Andreas Schwarz, der SPD-Bundestagsabgeordnete für die Regionen Bamberg, Forchheim und Coburg, erklärte das Thema „Lobbying“ von der anderen Schreibtischseite aus. Dies war eine einmalige Gelegenheit für die Studierenden, eine neue Perspektive und viele konkrete Praxisbespiele zu erfahren. Immerhin drehte sich in der Übung unter der Leitung der Lehrbeauftragten Ulrike Propach alles um die Königsdisziplin der Öffentlichkeitsarbeit: Public Affairs – und zwar mit Schwerpunkt politischer Kommunikation.
Dass der selbstständige Unternehmer ein Sauerländer ist, war erst festgestellt worden, als der in Bad Berleburg geborene Andreas Schwarz als Bürgermeister von Strullendorf zur Wahl antrat, so erzählte er. Als studierter Selbstständiger, der aus der Kommunalpolitik in den Deutschen Bundestag kam, sieht sich Schwarz nach heutigem Maßstab als eher untypischer Sozialdemokrat. Im Parlament sitzt er nun seit 2013 und arbeitet dort hauptsächlich im Finanzausschuss, ist aber stellvertretend auch in den Ausschüssen Wirtschaft und Energie sowie Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik tätig. Daneben ist er stellvertretender Sprecher der Arbeitsgemeinschaft „Kommunalpolitik“.
„Wie man mit den Lobbyisten umgeht, hat uns keiner gesagt“, berichtete Schwarz den Studierenden, aber er zeigte sich sicher: „Wir brauchen die!“ Die etwa 1.000 Hausausweise, die für freien Zugang zum Bundestag ausgestellt wurden – davon etwa 200 von der SPD – gehören Vertretern von Kirchen, Verbänden, Industrie und Unternehmen sowie Gewerkschaften. Diejenigen, mit denen Andreas Schwarz zu tun hat, wollen nicht alle persönliche Termine, manchen reicht Nachrichtenverkehr per Post oder E-Mail, aber oft erhält der Abgeordnete auch Einladungen zu Events oder zum Essen. Von letzterem so viele, dass er berichtete, jede Mahlzeit am Tag gemeinsam mit drei unterschiedlichen Interessenvertretern einnehmen zu können. Schwarz erklärte jedoch auch, warum die Lobbyarbeit so wichtig für ihn ist: Man brauche gut gepflegte Kontakte in der politischen Welt und die Treffen mit den verschiedenen Kommunikationsmanagern ermöglichten es, die Anliegen und Meinungen einzuschätzen, die beispielsweise in der Wirtschaft oder bei bestimmten Interessensgruppen vorliegen würden.
An dieser Stelle stellten die Studierenden der Kommunikationswissenschaft Fragen zur Interaktion mit Lobbyisten und zum politischen Geschehen in Berlin. Andreas Schwarz überraschte die Studentinnen und Studenten mit seinen offenen Antworten und konkreten Beispielen aus dem Berufsalltag. So teilte er mit, wonach er die Einladungen der Lobbyisten auswähle, die er wahrnehmen möchte. In erster Linie müsse natürlich der eigene Fachbereich abgedeckt werden, aber die Events sollten auch einen informativen Mehrwert haben und keine plumpen Vergnügungsereignisse sein. Schwarz erzählte auch von bewussten Treffen mit Interessensvertretern, bei denen er im Vorhinein schon wusste, ihre Meinung nicht teilen zu können. „Das Leben ist ein Kompromiss“, sagte er, und man müsse auch erkennen, dass in einer Koalition mit 25-Prozent SPD-Beteiligung nicht mit 100 Prozent Sozialdemokratie regiert werden könne.
Interessiert zeigten sich die Studierenden auch daran, wie sehr mediale Skandale und gut gemachte Interessensvertretung Einfluss auf die Arbeit des Parlaments haben können. Aus seiner Erfahrung heraus konnte Andreas Schwarz sagen, dass beides immer wieder vorkomme. „Uli Hoeneß war seine Steuerhinterziehung wert“, scherzte der Politiker, denn durch den öffentlichen Druck des Falles Hoeneß konnten Gesetzesänderungen erreicht werden, die für Schwarz’ Arbeit im Finanzausschuss sehr wichtig gewesen seien. Allerdings benannte der Bundestagsabgeordnete auch „Angstthemen“, welche die meisten seiner Kollegen lieber nicht anfassen würden. Dadurch müsse auch ein Lobbyist, der bei einem Abgeordneten erfolgreich Input geliefert habe, bei entsprechenden Themen auf weitere Verbündete im Parlament hoffen, um etwas zu bewegen.
„Wie kommt man eigentlich als Interessensvertreter in eine Bundestagsanhörung?“, wollten die Studierenden wissen. Andreas Schwarz konnte klar antworten: Die beteiligten Parteien entscheiden, welche Verbände angehört werden sollen. Allerdings schilderte er auch, wie viel Inszenierung tatsächlich hinter einer solchen Anhörung stecke. Denn manchmal seien sowohl die vom Verband präsentierten Inhalte als auch die zu erwartenden Rückfragen aus dem Ausschuss im Vorhinein abgesprochen. Antworten wie diese zeigten die Offenheit des MdB und sein Streben nach Transparenz beim Thema Lobbying. Nicht nur für Deutschland, denn eigentlich sieht Schwarz als größten Lobbyisten im Bundestag die EU. Über die Hälfte aller Gesetze in der Bundesrepublik kommen laut dem Politiker aus Brüssel, wo angeblich 20.000 Lobbyisten arbeiten sollen.
Immer wieder kam Schwarz auch zu seiner Rolle als Sozialdemokrat in einer von der Union dominierten Koalition zurück. Hier habe er sich nach 23 Jahren Berufspolitik und der Erfahrung als SPD-Bürgermeister im überwiegend „schwarz“ regierten Bayern eine gewisse Gelassenheit zugelegt. Trotzdem sei natürlich die Belastung für die Familie als Abgeordneter groß und die Gefahr des hochmütigen Abhebens in der Berliner High Society bei vielen Bundestagsmitgliedern gegeben. Seine Erdung, sagte Schwarz, finde er daheim im Wahlkreis und am Ende mache er Politik immer noch aus Leidenschaft – wie sein Besuch an der Universität Bamberg der Übungsleiterin Ulrike Propach und den Studierenden zeigte.