Gelebte Interdisziplinarität
Den Bachelorstudiengang Medieval Studies gibt es seit dem Wintersemester 2003/04. Der darauf aufbauende Masterstudiengang wurde noch im selben Jahr eingerichtet. Für beide Studiengänge gilt: Interdisziplinarität ist Programm. Die Studierenden befassen sich mit Sprachen, Literaturen, Geschichte und Kunst des Mittelalters sowie mit Archäologie und Denkmalpflege. Kreuzzüge, höfische Minne, Handschriftenproduktion und Medienwechsel von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit – dies sind nur einige der Aspekte. „Wir nähern uns dem Mittelalter aus ganz unterschiedlichen Perspektiven“, so Prof. Dr. Andrea Schindler, Koordinatorin der Studiengänge.
Seit Sommer 2012 gibt es nun die Graduiertenschule für Mittelalterstudien. Gegenwärtig arbeiten hier rund neun Promovierende an ihrer Dissertation. „Für uns war es nur logisch, nach dem Bachelor- und Masterstudiengang nun auch die dritte Säule, den Weg zur Promotion anzubinden“, so Prof. Dr. Ingrid Bennewitz, geschäftsführende Direktorin des ZEMAS und Sprecherin der Graduiertenschule anlässlich der Eröffnung zu dieser Neuerung.
Langjährige Erfahrung
Die Graduiertenschule steht wie die beiden Studiengänge auch unter dem institutionellen Dach des Bamberger Zentrums für Mittelalterstudien (ZEMAS). Das ZEMAS existiert seit 1998 – gegenwärtig arbeiten hier 61 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen. Sie stammen aus etwa 30 mediävistischen Fachgebieten. Damit reicht das Fächerspektrum von Denkmalpflege und Restaurierungswissenschaften über Sprach- und Literaturwissenschaften bis hin zu historischen Wissenschaften. „Seit Jahren erproben wir im ZEMAS in Ringvorlesungen, internationalen Tagungen, Kolloquien, Oberseminaren in Kooperation mit anderen Universitäten und diversen Arbeitsgruppen interdisziplinäre Arbeit“, betonte Bennewitz.
Mit interdisziplinären Veranstaltungen vom Bachelor- bis zum Promotionsniveau, wie sie künftig auch innerhalb der Graduiertenschule stattfinden sollen, hat man also Erfahrung. Und auch strukturierte Doktorandenprogramme sind kein Neuland. Bennewitz verwies in diesem Zusammenhang auf das kürzlich ausgelaufene DFG-Graduiertenkolleg „Generationenkonflikte und Generationenbewusstsein in Antike und Mittelalter“, an dessen Gestaltung Mitglieder des ZEMAS maßgeblich beteiligt war: „Die Erfolgsquote an Promotionen im Rahmen dieses Kollegs, insbesondere im bundesdeutschen Vergleich, spricht für unser Engagement.“
Zusammenwirken verschiedener Disziplinen
Sind interdisziplinäre Programme in den USA oder auch Großbritannien längst etabliert, haben die beiden Bamberger Studiengänge sowie die neu eingerichtete Graduiertenschule in Deutschland Seltenheitswert. Dass jedoch gerade in der Mittelalterforschung Interdisziplinarität erkenntnisfördernd ist, wurde im Festvortrag von Prof. Dr. van Eickels, Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte, deutlich. Erst durch Zusammenwirken verschiedener Disziplinen könne etwa die Frage beantwortet werden, wen das Standbild des Bamberger Reiters darstelle. „In der Forschung wurden dem Reiter seit dem 19. Jahrhundert vielfältige Bedeutungen zugeschrieben“, so van Eickels.
Einige Deutungen sehen im Domreiter den römisch-deutschen König Philipp von Schwaben dargestellt, andere fassen ihn als idealisierte Abbildung der Staufer-Dynastie oder gar als Messias-Darstellung auf. Verknüpft man jedoch die Erkenntnisse aus Bauforschung, Denkmalpflege, Kunstgeschichte und Geschichte bleibe nur noch eineplausible: „Der heilige König Stephan von Ungarn erweist seinem heiligen Schwager Kaiser Heinrich II. seine Reverenz.“ Nach einer Reihe weiterer Beispiele kam van Eickels zum Schluss: „In der Mittelalterforschung können und wollen wir die interdisziplinären Grenzen unserer Bereiche nicht akzeptieren.“ Vielmehr komme Interdisziplinarität eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, der die Graduiertenschule Rechnung trage.
Alte Texte in modernem Gewand
Und wer glaubt, dass das Mittelalter über keinerlei Anbindung an Kunst und Kultur der Gegenwart verfügt, wurde im anschließenden Konzert des österreichischen Chansonniers Peter Blaikner eines Besseren belehrt. Als „Mittelalterrezeptionskunst“ kündigte Bennewitz den Auftritt von Blaikner und seinem Kollegen Bernd Weissig an: Blaikner hat die Texte bedeutender Dichter des Mittelalters, wie etwa des provenzalischen Troubadours Wilhelm von Aquitanien oder des Franzosen Francois Villon, ins Deutsche übertragen und eigene Kompositionen verfasst. So verbindet er mittelalterliche Themen und Formen mit moderner Sprache und Melodie.
Hinweis
Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.
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