Untersuchung kognitiver Steuerungs- und Regulationsfunktionen bei schwer adipösen Patienten mit und ohne Binge-Eating-Störung

Projektleitung: Prof. Dr. Sabine Löber, Prof. Dr. Stephan Herpertz (LWL-Klinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum)

Förderung: gefördert durch die Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum

Zeitraum: 2014-2015

Theoretischer Rahmen: Im Rahmen dieses Projekts wurden Beeinträchtigungen kognitiver Steuerungs- und Regulationsfunktionen bei adipösen Probanden (d. h. Adipositas Grad II oder III) mit und ohne Binge Eating Störung (BES) untersucht. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, besser zu verstehen, welche Rolle Beeinträchtigungen kognitiver Kontrollfunktionen und Defizite nahrungs-assoziierter Inhibitionsprozesse bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Ess- und Gewichtsstörungen spielen und im Rahmen gezielter Trainingsmaßnahmen adressiert werden sollten.

Methode: Mittels computergestützter neuropsychologischer Untersuchungsverfahren und Fragebögen wurde erfasst, ob bei adipösen Probanden mit BES im Vergleich zu adipösen Patienten ohne BES ein stärker belohnungsabhängiges Verhalten und eine stärkere Beeinträchtigung im Hinblick auf kognitive Steuerungs- und Regulationsfunktionen vorliegt. Hierbei wurde die Rolle von Hunger als modulierender Faktor berücksichtigt. Hierzu wurde den Studienteilnehmern nach randomisierter Zuweisung entweder eine hoch- oder eine niedrigkalorische Flüssignahrung vor Durchführung der Testung verabreicht. Im Zeitraum von sieben Tagen nach der Untersuchung wurde ein Ecological Momentary Assessment durchgeführt, um impulsives Verhalten im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme im Alltag der Patienten zu untersuchen. Auch wurden mögliche genetische Unterschiede zwischen adipösen Patienten mit und ohne BES untersucht.

Ergebnisse: Im Hinblick auf die Ergebnisse der neuropsychologischen Testung verdeutlichen unsere Ergebnisse, dass sich die drei Probandengruppen im Hinblick auf exekutive Kontrollfunktionen signifikant voneinander unterscheiden. Hierbei sind jedoch die verschiedenen Bereiche exekutiver Kontrollfunktionen nicht gleichermaßen betroffen. So zeigten adipöse Probanden mit Binge Eating Störung im Vergleich zu normalgewichtigen Probanden die schlechtesten Leistungen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit und der Initiierung einer Verhaltensreaktion, es zeigen sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zu adipösen Probanden ohne Binge Eating Störung. Es fanden sich keine Hinweise darauf, dass adipöse Probanden mit Binge Eating Störung in einer Go-nogo-Aufgabe stärkere Probleme mit der Inhibition bei Darbietung nahrungs-assoziierter Reize haben als adipöse Probanden ohne Binge Eating Störung oder normalgewichtige Kontrollprobanden (F1,138)=0,96; p=0,39). Es zeigte sich vielmehr bei allen Probanden, dass sie mehr Inhibitionsfehler bei Präsentation hochkalorischer im Vergleich zur niedrigkalorischen Nahrungsmitteln begingen.

Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die von Patienten mit einer Binge Eating Störung in Selbstrating-Skalen berichteten Probleme im Zusammenhang mit der Steuerung der Nahrungsaufnahme durch verschiedene Faktoren (z. B. Hunger, aktuelle Stimmung) moduliert werden könnten, und es sich nicht um ein grundsätzliches Defizit handelt.

Publikationen:

Kollei, I., Rustemeier, M., Schroeder, S., Jongen, S., Herpertz, S. & Loeber, S. (2018). Cognitive control in individuals with obesity with and without binge eating disorder. International Journal of Eating Disorders, 51: 233-240.

Loeber, S., Rustemeier, M., Paslakis, G., Pietrowsky, R., Müller, A. & Herpertz, S. (2018). Mood and restrained eating moderate food-associated response inhibition in obese individuals with binge eating disorder. Psychiatry Research, 264: 346-353