Filmvorführung und Diskussion
Am Dienstag, dem 2. Mai 2023 hat die Latinistik im Verbund mit ihren Nachbarfächern, der Alten Geschichte und Philosophie, den neuen Kinofilm „Seneca, oder: Über die Geburt von Erdbeben“ des Regisseurs Robert Schwentke im Bamberger Lichtspiel-Kino gemeinsam angesehen und – auch vor dem Hintergrund der diessemestrigen Seneca-Vorlesung von Herrn Professor Schauer – diese Seneca-Rezeption diskutiert:
Mit seinem Film hat der Regisseur einen polarisierenden und wohlfundierten Film geschaffen, der gezielte Parallelen zu unserer heutigen Zeit zieht und einen stark überzeichneten unreifen und wahnhaft brutalen Kaiser Nero und einen letztlich opportunistischen Philosophen Seneca (gespielt von J. Malkovich) als Stoiker, Dramatiker, Zeitkritiker und Lehrer darbietet, der vor der Aufgabe steht, sich auf seinen unausweichlichen Tod vorzubereiten.
Im Anschluss an die Filmvorführung gab es die Möglichkeit für das versammelte Publikum, die Gestaltung des Films, seine Aussagekraft und Denkanstöße für die Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte unter Anregung zweier filmbegeisterter Studenten sowie durch Professor Schauer im Nachgang zu besprechen. Zunächst setzte dabei Martin Barnickel, Student der Philosophie, zu einer „Apologie“ Senecas an mit dem Plädoyer, dessen Handeln vor dem Hintergrund seiner Zeit zu betrachten, und führte vor Augen, wie wortgetreu Senecas Schriften im Film verarbeitet wurden.
Besondere Aufmerksamkeit galt dann den Gewaltdarstellungen im Drama – im Film inszeniert Seneca auf äußerst grausame Weise den Thyestes –, die, wie Professor Schauer erläuterte, anders als im attischen Drama durchaus auf römischer Bühne ihren Platz hatten. Ohnehin regte der Film vor allem zum Nachdenken über die Inszenierung des Philosophen und seines Lebens bis zum bitteren Ende an – über den Philosophen, dessen ultima verba im Angesicht des Todes allzu menschlich wirken und schließlich auch über seine Pädagogik und seine Art der Zeitkritik, in der immer wieder auch Durchblicke in die heutige Zeit zu finden sind. Wie gelungen diese Vermischung von Zeitebenen ist und wie vertretbar Anachronismen als filmerischer Kunstgriff sind, war ebenfalls Gegenstand der Diskussion.
Lukas Hermann, Student der Geschichte und Latinistik, fand schließlich einen versöhnlichen und anerkennenden Schluss mit Blick auf die Intention des Regisseurs, der mit einem kammerspielartigen Film auch Grundthemen unserer Zeit am Beispiel Senecas und Neros beleuchten will und dabei gleichermaßen anregt wie abstößt.
Die Bamberger Latinistik ist froh, dass in Kooperation mit dem hiesigen Kino ein Event derart möglich war, und bedankt sich für die rege Teilnahme!
Annette Hillgruber