St. Christophorus
Diese Statue hat im Zusammenhang mit der 2009 errichteten großen Domorgel ihren ursprünglichen Standort geräumt und wird demnächst einen neuen beziehen, sicher wohl ganz nahe bei seinem angestammten Platz im nördlichen Querhaus. Hier ist Christophorus von vielen Seiten her gut zu sehen und kann seiner liturgischen Funktion als Schutzpatron gegen plötzlichen Tod gut gerecht werden.
Barfüßig durchschreitet der Heilige mit dem Jesuskind auf der Schulter eine wilde Furt, wie ungestüme Wellen mit zwei kleinen Dämonen auf der Standplatte anzeigen. Christophorus erscheint nicht als riesenhafter Naturmensch, wie ihn die Legende schildert, sondern eher schmächtig mit eng anliegendem Tuchmantel. Ohne äußere Anstrengung verrichtet er ganz in sich gekehrt seinen Dienst und umklammert mit festem Griff das Bein des Jesusknaben, welcher rittlings auf seiner Schulter sitzt. Der Knabe in fußlangem Kleidchen hält sich am Hinterhaupt des Trägers fest und vollführt den Segensgestus.
Christophorus führt in der Linken einen knorrigen Aststab, unten ist er ein wilder Wurzelstrunk, oben treibt eine filigrane Laubkrone aus. Die kräftige Vertikale dieses Stabes steht im Kontrast zur sensiblen Körperlichkeit und mentalen Versunkenheit des Heiligen. Die mit Christophorus traditionell verbundene statuarische Kraft und Naturhaftigkeit ist hier von der Gestalt auf das Stabattribut ausgelagert. Im Haupt des Christophorus sind jedoch Züge eingebracht, die dem Legendenbild näherkommen. Der Kopf ist groß und kräftig, Haare und Bart sind verhältnismäßig kurz und, gemessen am dünnen Linienfluss des Gewandes dennoch etwas dickzottelig und ungeordnet. Auch das Antlitz prägen Züge von ungeschönter Natürlichkeit. Das Gesicht ist fest gefügt, mit prägnanten Brauen- und Jochbögen, einem etwas verfinsterten Blick, tiefen Hautfurchen an Stirn und Wangen und einer kräftigen Nase. Die ungeschminkten physiognomischen Details und die tiefernste Miene verhelfen dem Christophorushaupt zu einem bestechend lebensnahen Ausdruck, der mit der frischen Natürlichkeit der benachbarten Laubkrone des Stabes sinnträchtig korrespondiert.
Beim Jesusknaben ist die feiste Rundlichkeit des Kinderkopfes mit kurzem, eng anliegendem Lockenhaar besonders deutlich herausgekehrt. Die prallrunden Gesichtspartien verfließen weich ineinander, die kleine kugelige Nase übersteigt kaum die Wölbungen an Stirn und Backen und die kindlich vollen Lippen sinken in tiefe Wangengrübchen ein. Auch sonst ist beim Jesusknaben eine ausgesprochen organische Erfassung des Körperlichen zu beobachten, so etwa bei der Hüftgürtung des Gewandes. Hier werden bildnerische Mittel erstmals greifbar, wie sie der vergleichbaren Domplastik der Zeit um 1360/70 noch fremd sind.
Vor allem die feinnervige Individualisierung des Christophorushauptes und die kecke Übertreibung des Plastischen beim Knabenkopf sind neue Züge. Sie sind ohne enge Berührung mit dem neuen Stil der Parler-Bildhauer in Prag nicht denkbar. Die Neigung zur Überbetonung des Plastischen und die damit erreichte neue Lebendigkeit gibt es bereits bei der Figur der hl. Margareta. Für die hochrangige künstlerische Qualität der Christophorusfigur gibt es Regensburg jedoch keine Vorstufen, so dass am ehesten ein aus Prag zugewanderter Bildhauer in Betracht kommen kann. Auch die Konsole erweist sich als sehr qualitätvolle Arbeit. Den kelchförmigen Kern umsäumen zwei Reihen mit aufwachsendem Blattwerk, und am unteren Ende windet sich ein großer geflügelter Dämon. Das Laubwerk zeigt eine außerordentlich raumgreifende vegetabile Dynamik. Dies ist gleichfalls eine charakteristische Wesensart der parlerischen Bildkunst.