Bericht über das 3. Netzwerktreffen „Jüdische Friedhöfe in Franken“ am 17. April 2024
Im ersten Teil der Veranstaltung stellten sich verschiedene Projekte zu jüdischen Friedhöfen in Kurzvorträgen vor. Im zweiten Teil wurden in zwei ausführlichen Impulsvorträgen die Herausforderungen der Finanzierung diskutiert. Besonders deutlich wurde dabei die Bedeutung des Engagements von Ehrenamtlichen sowie die Wichtigkeit von Vernetzung und Erfahrungsaustausch zwischen lokalen Forschenden, Ehrenamtlichen, Interessierten, politisch Verantwortlichen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sowie Initiativen und Institutionen. Wir freuen uns sehr, dass diese gut besuchte Veranstaltung eine weitere Plattform für die Vernetzung aller Interessierter bieten konnte.
Kurzpräsentationen von sechs Projekten zu jüdischen Friedhöfen in Franken
Im ersten Teil der Veranstaltung stellten sich sechs Projekte zum Thema Jüdische Friedhöfe in Franken vor. Die Reihe wurde eingeleitet durch das Akademieprojekt Steinerne Zeugen digital - Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne (Prof. Dr. Susanne Talabardon und Dr.-Ing. Tobias Arera-Rütenik), das die interdisziplinäre Arbeit der hebräischen Epigraphik, aber auch der Digitalen Denkmaltechnologien und der Bauforschung erläuterte. Im Zusammenhang damit wurde auch auf zwei Online-Angebote der Judaistik Bamberg hingewiesen: Die „Bamberger Grabsteinsprechstunde“ und „Hebräisch für Einsteiger“, welche Interessierten einen Einstieg ins Lesen hebräischer Grabsteine vermitteln soll. Darauf folgte das Projekt Jüdische Kleinfriedhöfe (Dr. Wolfgang Hegel) mit dem Beispiel des jüdischen Friedhofs in Aufseß, der bald digitalisiert zur Verfügung stehen wird.Im folgenden Projekt Grabbuch Kleinbardorf (Florian Leubner) wurde ein Einblick in die herausfordernde Arbeit, hebräische Kursive aus Archivbeständen des 18. – 20 Jahrhunderts zu lesen, gegeben. Den Abschluss des ersten Teils bildeten das am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege angesiedelte Projekt Bet Olam - Jüdische Friedhöfe in Bayern (Susanne Klemm), das im Zusammenarbeit mit zahlreichen lokalen Initiativen arbeitet, sowie das deutschlandweite Verbundprojekt Net Olam - Jüdische Friedhöfe im Fokus von Antisemitismus und Prävention (Elisabeth Singer-Brehm), dessen Ziel es ist, die Friedhofsschändungen der letzten 80 Jahre zu erforschen und daraus Schutzkonzepte zu erarbeiten. Erst im März 2024 gründete sich hierzu ein Kompetenznetzwerk aus lokalen Akteuren. Die Kurzvorträge lieferten die Möglichkeit, Einblick in verschiedenste laufende Projekte im Zusammenhang mit jüdischen Friedhöfen in Franken zu bekommen.
3. Netzwerktreffen: Finanzierung von Friedhofsprojekten
Der zweite Teil des Treffens wurde durch ein Grußwort von Dr. Ludwig Spaenle, dem Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, eingeleitet. Er würdigte besonders das Engagement der zahlreichen Ehrenamtlichen und betonte noch einmal, wie wichtig es ist, in der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Präsenz jüdischen Lebens und dessen Beitrag an der fränkischen Kultur zu schaffen.
Im Anschluss gab es zwei Impulsvorträge zu den bisherigen Erfahrungen mit der Finanzierung von lokalen Friedhofsprojekten. Zunächst sprach Daniela Pietsch von der Gemeinde Baiersdorf zu den „Perspektiven einer Kommune“.
Perspektiven einer Kommune: Der jüdische Friedhof in Baiersdorf
Der jüdische Friedhof in Baiersdorf mit etwa 1200 Grabsteinen ist in der Datenbank juedische-geschichte-baiersdorf.de dokumentiert. Diese Datenbank wurde über einen Zeitraum von sieben Jahren aufgebaut und stellt das Endprodukt einer vor allem ehrenamtlichen Forschungsarbeit dar, die sich mit der allgemeinen Erforschung der jüdischen Geschichte in Baiersdorf befasste.
Die eigentliche Friedhofsdokumentation lief von 2013-2020 mit der Beteiligung von nicht nur lokalen Akteuren, sondern auch dem BLfD, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden der Denkmalpflege der Universität Bamberg. Dabei war die Frage der Finanzierung stets präsent. Gelder wurden u.a. bei der Stadt- und Bezirksverwaltung angefragt. Insbesondere der Stadtrat bewilligte jedes Jahr Geldmittel für das Projekt.
Neben Durchhaltevermögen und regelmäßiger Kommunikation mit allen Beteiligten sei allerdings vor allem eine Sache ausschlaggebend für den erfolgreichen Abschluss des Projekts: Nach der Beobachtung von Frau Pietsch muss es dabei eine koordinierende Person geben, die den Fortschritt der Arbeit dokumentiert und alle Beteiligten vernetzt. Dazu gehörten u.a. jüdische Nachfahren aus der ganzen Welt, Ehrenamtliche sowie Kontakte zu bestehenden Initiativen und Einrichtungen. Abschließend betonte Frau Pietsch, dass die Arbeit von ehrenamtlichen etwa 40% der gesamten Dokumentationsanstrengung ausmache und daher geschätzt werden sollte.
Finanzierungschance LEADER!?: Erfahrungen mit dem EU-Förderprogramm
Das EU-Förderprogramm LEADER fördert Projekte von Privatpersonen und Organisationen auf lokaler Ebene im Zusammenhang mit der Entwicklung des ländlichen Raums. Auf dieser Basis können auch Friedhofsprojekte finanzielle Unterstützung bekommen. Von ihren Erfahrungen mit der „Finanzierungschance LEADER!?“ berichteten abwechselnd Sarah König vom Museum Treuchtlingen und Georg Schirmer vom Förderkreis Ehemalige Synagoge Laudenbach e.V.
Ausgangssituation
Frau König erläuterte die Ausgangssituation am Gemeindefriedhof Treuchtlingen mit etwa 295 erhaltenen Grabsteinen ab dem Jahr 1793, die in Zusammenarbeit mit dem BLfD dokumentiert wurden. Die Initiative wurde vom Arbeitskreis 9. November angestoßen und führte zu einer erfolgreichen wissenschaftlichen Dokumentation, einer Datenbank und der Veröffentlichung einer Broschüre. Neben der wissenschaftlichen Dokumentation des Friedhofs wurde außerdem ein Rundgang entlang der Orte jüdischen Lebens in der Stadt entwickelt.
Herr Schirmer berichtete über den Verbandsfriedhof Laudenbach mit etwa 2447 erhaltenen Grabsteinen und einer jüdischen Gemeinde, die erstmals 1426 erwähnt wurde. Bislang konnten alle Grabsteine durch ehrenamtliche Arbeit und die Unterstützung eines Fördervereins fotografiert werden. Unterstützung bekam er von der Judaistik und der Digitalen Denkmaltechnologie der Universität Bamberg sowie dem BLfD. Darüber hinaus liefen parallel Recherchen in Archiven, um jüdisches Leben anhand von Biografien für Kinder und Jugendliche erfahrbar zu machen. Auch ein Netzwerk von lokalen Akteuren, darunter Heimatforscher, Archivare und Museen, ist bereits aktiv. Derzeit wird noch nach einem Projektträger gesucht, der die Finanzierung übernimmt. Ein erster LEADER-Antrag scheiterte, da die Ansprüche von LEADER über eine einfache Dokumentation und Übersetzung der Grabinschriftenhinaus gehen. Gewünscht wird vom Förderprogramm auch eine breite Öffentlichkeitsarbeit, die im Konflikt mit dem Friedhof als Ort der Würde und Totenruhe stehen könnte.
Schritte zum LEADER-Antrag
Frau König berichtete von den einzelnen Schritten zum erfolgreichen LEADER-Antrag. Das Rahmenpapier für das Vorhaben, den lokalen jüdischen Friedhof zu dokumentieren, wurde über die Stadtverwaltung eingereicht. LEADER bewilligte einen Förderzeitraum und einen Fördersatz von 60% der benötigten Geldmittel. Eine Absprache mit Herrn Pollak stand an erster Stelle, gefolgt von der Klärung der Zuständigkeiten der Ehrenamtlichen und der Erstellung eines Kosten- und Finanzierungsplans, der sich auf etwa 100€ pro Stein belief. Die einzelnen Schritte umfassten:
- Kontaktaufnahme mit den örtlichen LAG-Koordinatoren
- Klärung der Rahmenbedingungen (Förderzeitraum, Fördersatz, Förderbedingungen), Trägerschaft und Projektleitung
- Abstimmung mit dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden Bayern und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege
- Knüpfen von Netzwerken
- Einteilung der Arbeiten in einen Zeitplan und einen Finanzierungsplan (Eigenmittel, LEADER-Förderung, Drittmittel/Spenden)
Fazit
Beim Netzwerktreffen ist deutlich geworden, wie viele Faktoren in der Dokumentation und Erforschung von jüdischen Friedhöfen zusammenfließen. Was für ein erfolgreiches Friedhofsprojekt notwendig ist, sind also Ausdauer, das Knüpfen von Netzwerken und Aufrechterhalten von Kontakten sowie Kreativität und Kontaktfreudigkeit bei der komplexen Frage der Finanzierung. Unverzichtbar ist dabei auch der Beitrag von Ehrenamtlichen.
Bei diesen gemeinsamen Anstrengungen möchte die Universität Bamberg im Rahmen ihrer Möglichkeiten Unterstützung bieten und Sie ermutigen, die jüdische Geschichte Ihrer Heimatregion zu erforschen.