24. September 2024

Mit Spannung fieberten wir dem nächsten Tag entgegen, an dem es nach Sevilla gehen sollte. Der gewaltige Reichtum, den diese Stadt durch ihr Monopol im spanischen Kolonialhandel erworben hatte, war an jeder Straßenecke zu spüren. Stuckierte Barockfassaden, die größte gotische Kathedrale der Welt, der weitläufige Alcázar, all dies hatte sich herumgesprochen: der Andrang von Touristen war so groß, das wir uns dann doch den kleineren, aber keineswegs minder beeindruckenden Sehenswürdigkeiten widmen mussten, wie der Casa de Pilatos, ein Renaissance-Wohnpalast im antik-arabisierenden Stil – eine seltsam anmutende, synkretistische Mischung – oder der monumentalen Plaza de España (ein „Dankesgeschenk“ an die südamerikanischen Kolonien) mit ihren umgebenden herrlich-weitläufigen Parkanlagen. Die viertgrößte Stadt Spaniens weist eine interessante Geschichte auf, die sich in der größten Altstadt des Landes auch baulich manifestiert hat: Hispalis existierte als prosperierendes Handelszentrum bereits vor der Ankunft der Römer, ein heute versandeter Binnensee garantierte die Ankunft auch größerer Handelsschiffe und bot ausreichend Schutz vor Seeräubern und auswärtigen Mächten. Im wichtigen Erzbistum Sevilla wirkte der bereits bekannte Heilige Isidor noch in der Spätantike, 712 wurde die Stadt dann von den Umayyaden erobert und entwickelte sich unter den Almohaden ab der Mitte des 12. Jh. zur wichtigsten Stadt von ganz Al-Andalus. 

 Hans-Ingo Radatz

Auch das ist Spanien: Vororte von Sevilla 

 Hans-Ingo Radatz

Wie immer gestaltet sich das Parken als große Herausforderung… 

 Hans-Ingo Radatz

Der Torre del Oro

 Hans-Ingo Radatz

Am Ufer des Guadalquivir 

 Hans-Ingo Radatz

Die Casa de la Lonja (Im Hintergrund links) war ein Teilgebäude der Casa de Contratación (Handelshaus), das 1503 von den katholischen Königen gegründet wurde, um die wirtschaftlichen Beziehungen zu Amerika zu fördern und zu überwachen.

 Hans-Ingo Radatz

Die Kathedrale von Sevilla ist die größte gotische Kirche Spaniens

 Hans-Ingo Radatz

Der mittelalterliche Alcázar wird bis heute von der spanischen Königsfamilie genutzt

 Hans-Ingo Radatz

Die Kathedrale wurde von 1401 bis 1519 im Stil der Gotik und auf den Überresten der großen Moschee Sevillas erbaut   

 Hans-Ingo Radatz

Das ehemalige Minarett der Moschee, die Giralda, ist heute das Wahrzeichen der Stadt. 

 Hans-Ingo Radatz

Das Tor der Vergebung stammt in seiner Substanz noch aus der Zeit der großen Moschee und führt zum Orangenhof (Patio de los Naranjos)

 Hans-Ingo Radatz

Das Pilatushaus ist der Prototyp eines andalusischen Adelspalastes

 Hans-Ingo Radatz

Patio Grande (Hauptinnenhof) mit Säuleingang und Brunnen, in den vier Ecken stehen große Statuen antiker Göttinnen 

 Hans-Ingo Radatz

Garten

 Hans-Ingo Radatz

Dr. Berschin, Prof. Radatz und Prof. Haase 

 Hans-Ingo Radatz

Plaza del Salvador 

Das prestigeprächtigste Bauwerk der Stadt, die große Moschee, wurde ebenfalls in dieser Zeit errichtet, von ihr existieren jedoch nur noch architektonische Reminiszenzen wie der untere Abschnitt des Minaretts, der Giralda. Auch der Torre del Oro, Teil einer Sperranlage gegen feindliche Schiffe, wurde von den Almohaden erbaut. 1248 wurde Sevilla dann von Ferdinand III. von Kastilien erobert und erlebte in der Folge zunächst einen wirtschaftlichen Niedergang, was mit der sukzessiven Auswanderung von ca. 300 000 einheimischen Mauren nach Nordafrika und Granada nachvollziehbar erscheint. 1363 ließ Peter I. dann den Alcázar, den königlichen Palast, von maurischen Handwerkern aus Granada erbauen; insofern bemerkenswert, als dass die hispanischen Eliten, seien es Muslime, Juden oder Christen, an einer gemeinsam ausgestalteten Hofkultur partizipierten, in der religiöse Grenzen tendenziell als eher zweitrangig betrachtet wurden. Stichwort Religion: viele der in der Stadt ansässigen Juden wurden bereits beim Pogrom von 1391 vertrieben, in der Folge lebten aber auch manche als Kryptojuden weiter, deren Existenz jedoch stets gefährdet sein sollte: 1480 nahm die spanische Inquisition ihren Sitz in Sevilla und begann mit der Verfolgung der „Ungläubigen“; 1481 wurden dann die ersten Autodafés abgehalten. Eine erneute wirtschaftliche Glanzperiode sollte sich erst wieder im 16. und 17. Jh. einstellen, als der Stadt das Privileg verliehen wurde, als einziger Handelskontor (Casa de Contratación) mit der Neuen Welt Handel zu treiben. Die unvorstellbaren Massen an Gold und Silber, die in Mittel- und Südamerika gefördert werden konnten, spiegeln sich bis heute in der reichen Sakral- und Profanarchitektur nieder, aber auch die Kultur, namentlich die Malerei (z.B. Zurbaran), blühte auf. 

Die Versandung des Guadalquivir und die Entziehung des Handelsprivilegs als Folge des spanischen Erbfolgekrieges führten im 18. Jh. jedoch zu einem erneuten ökonomischen Niedergang. Heute ist Sevilla eine ausgesprochen lebendige und leider auch vom Massentourismus geplagte Universitätsstadt sowie Wirtschafszentrum von Andalusien und gilt unter anderem als Wiege des Flamencos und der spanischen Tapas.