18. September 2024
Wir nahmen Obdach in einer lauschigen Hotelsiedlung; die nebelverhangenen Morgen, Obstbäume und das Dorf umgebende Mittelgebirge entsprachen so gar nicht dem, was man von Spanien erwartet hatte.
Unser erster Reisestopp im Ausgangsgebiet der Reconquista, dass durch seine gebirgige und abgelegene Lage eine christliche Autonomie erhalten konnte, war das politische und religiöse Wallfahrtsziel Covadonga. Tief in einem friedlichen Tal gelegen, empfing uns der Ort mit einer mystisch anmutenden Aura: oberhalb der von einem See gebildeten Felsgrotte thronte eine kleine Marienkapelle, die – so will es die Legende – schon 718/722 in der sogenannten Schlacht von Covadonga den Asturern unter Führung des westgotischen Edelmanns Pelagius, spanisch Pelayo, Schlachtenglück gegen die Mauren verschafft hatte – nach derm traditionellen Narrativ der erste christliche Sieg, nachdem Hispanien zuvor nahezu widerstandslos an die Mauren gefallen war. Ein nationales Denkmal also, das man im 19. Jahrhundert noch um eine neoromanische Basilika erweiterte, die als Pilgerstätte Tausende von Spaniern anlockte.
Auch ungeachtet der unklaren historischen Überlieferungslage, die – je nach Standpunkt – von einem eher kleinen Scharmützel zu berichten scheint, als von einem großen Schlagabtausch zweier gigantischer Heere. Sei noch zu bemerken, dass besagter siegreicher Pelayo einem westgotischen Adelsgeschlecht entstammte und sogar der Leibgarde des Königs Roderichs angehört hatte, dem letzten Westgotenkönig Spaniens, der während der finalen Entscheidungsschlacht am Río Guadalete (711) im Kampf gegen das muslimische Invasionsheer fiel. Pelayo war sich danach zunächst nicht zu schade, in die Dienste der neuen Herrscher zu treten. Sein späterer Aufstand gegen diese resultierte wohl eher aus dem Scheitern einer heiratspolitischen Allianz mit den neuen lokalen Amtsträgern, als aus der Idee einer großangelegten christlichen Rückeroberung und wurde von den maurischen Machthabern vermutlich nur als unbedeutendes Scharmützel am Rande ihres Herrschaftsgebiets wahrgenommen. Den Spanien aber gilt Pelayo bis heute als Begründer des Königreichs Asturien und als mythischer Initiator des 700 Jahre dauernden Rückeroberungsprojekts, der reconquista.
Nach einer ausgedehnten siesta und einem kurzen Stopp bei einem beeindruckenden Aussichtspunkt, von dem aus man die nebeligen Höhenzüge des kantabrischen Gebirges mehr erahnen als tatsächlich sehen konnte, fuhren wir zu einem sympathischen Fischerstädtchen (Llastres), in dem wir begeistert einige Zeit am rauen Atlantik und in einem rustikalen Hafenlokal verbrachten. Beim gemeinsamen Abendessen in einer gemütlichen sidrería wurde uns das namensgebende Getränk opulent spendiert (etwas sauer für unseren mitteleuropäischen Geschmack), das Gasthaus konnte aber auch mit tollen lokalen Gerichten wie dem Bohnen-Fleischeintopf Fabada aufwarten, den wir reichlich und in freundschaftlicher Atmosphäre serviert bekamen.